Logan Lucky

Steven Soderbergh feiert nach einem vermeintlichen Rückzug aus dem Filmgeschäft sein Comeback mit der dreckigen Heist-Komödie LOGAN LUCKY, einer Art „Ocean’s Eleven“ im Arbeitermilieu. Abgegriffen oder eine feine Variation von Bekanntem? Das und mehr verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Die Brüder Jimmy und Clyde Logan werden vom Pech verfolgt. Während der impulsive Jimmy (Channing Tatum) einen Job nach dem nächsten verliert, wird Barkeeper Clyde (Adam Driver), der nur einen Arm hat, regelmäßig schikaniert. Und dann wären da noch die Geldsorgen. Aber Jimmy hat eine brillante Idee, die den beiden aus der misslichen Lage helfen soll: Ein Raubüberfall im großen Stil! Das prestigeträchtigste und legendärste NASCAR-Rennen der Welt, der Coca-Cola Cup 600, bietet scheinbar die perfekten Voraussetzungen für einen cleveren, unterirdischen Raubzug! Unterstützung erhoffen sich die Brüder vom berüchtigtsten platinblonden Safeknacker des Landes: Joe Bang (Daniel Craig) – der sitzt allerdings noch im Gefängnis fest. Während der Planung des großen Coups tauchen immer neue Hindernisse auf, doch gemeinsam mit ihrer Schwester Mellie (Riley Keough) setzen die beiden Brüder alles daran, ihre lebenslange Pechsträhne endlich zu beenden…
Kritik
Eigentlich hatte sich Regievirtuose Steven Soderbergh vor vier Jahren von seiner Karriere als Regisseur losgesagt, nachdem er für sein Künstlerporträt „Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll“ keinen Kinoverleih gefunden hatte, sondern es stattdessen „nur“ bei HBO unterbekam. Doch manchmal kommen sie wieder – so auch der Macher hinter dem „Ocean’s“-Franchise, „Side Effects – Tödliche Nebenwirkungen“ oder „Magic Mike“; in den letztgenannten Beiträgen mauserte sich Hollywood-Hottie und Ex-Stripper Channing Tatum zu Soderberghs neuer Muse – kein Wunder also, dass er auch in seinem Comeback-Film „Logan Lucky“ eine tragende Rolle spielt. Anders als in „Magic Mike“ wird er hier jedoch nicht bloß auf sein unverschämt gutes Aussehen reduziert und im Gegensatz zum doppelbödigen Thriller „Side Effects“ wird er auch nicht von seinen Kollegen an die Wand gespielt. Im Gegenteil: Gemeinsam mit Adam Driver („Paterson“), mimt Tatum hier das vom Pech verfolgte Brüderpaar Jimmy und Clyde Logan, das aus einer Schnapsidee heraus beschließt, gemeinsam mit dem berühmt-berüchtigten Gangster und Sprengmeister Joe Bang, gespielt von Daniel „James Bond“ Craig, einen großen Coup durchzuziehen. Eine ortsansässige Autorennbahn soll um ihre gesamten Einnahmen erleichtert werden. Und wie man es von der „Ocean’s“-Reihe kennt, geht diesem Vorhaben ein mit allerhand Twists und absurden Ideen gespickter Plan voraus.

Clyde Logan (Adam Driver), Joe Bang (Daniel Craig) und Jimmy Logan (Channing Tatum) während ihres großen Coups beim legendären NASCAR-Rennen.
Schon die Trailer zum von Lokalkolorit durchzogenen „Logan Lucky“ verweisen so explizit auf Soderbergh als Inszenator von „Ocean’s Eleven“, „Twelve“ und „Thirteen“, dass die Ähnlichkeiten der berühmten Bankräuber-Possen zu seinem jüngsten Projekt durchaus gewollt scheinen. Am Ende steht ein (äußerst zwielichtiges) Ziel und um dieses zu erreichen, muss ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus mehr oder weniger vom Schicksal gebeutelten Verlierern genau absehen, was auf dem Weg zum Reichtum alles passieren kann. Doch schon an dieser Stelle erkennt man, dass sich ein gravierender Unterschied zwischen dem Franchise und „Logan Lucky“ im Milieu abspielt: George Clooney, Brad Pitt und Co. waren keine Loser, sondern (zumindest einstmals) wohlsituierte, charmante und gut aussehende Gentlemen, denen ein solcher Coup wie jener im Casino gar nicht möglich gewesen wäre, wären sie einem solchen Klientel entsprungen, wie die Logan-Brüder Jimmy und Clyde. Davon abgesehen, kehrt „Logan Lucky“ zügig zum bekannten Erfolgsrezept zurück: Auch hier werden vorab sämtliche, teils völlig absurde Eventualitäten berücksichtigt, Risiken abgewogen und wenn es doch einmal unerwartet kommt, haben die kernigen Antihelden zur Not immer noch mehr Glück als Verstand, um sich aus dem Schlamassel heraus zu manövrieren. Und natürlich weiß man so auch, dass für die Protagonisten am Ende schon irgendwie alles gut ausgehen wird; also Bye Bye Überraschungseffekt?
Nun, nicht ganz! Denn einmal mehr begibt man sich nur zu gern in die Hände des windigen Geschichtenerzählers Steven Soderbergh, respektive der (fiktiven) Drehbuchautorin Rebecca Blunt, bei der es sich in Wirklichkeit um seine Gattin Jules Asner handelt. Gemeinsam inszeniert das Ehepaar den Triumphzug des ungleichen Trios als urkomische, aufgrund der nahegehenden Hintergrundgeschichten der Figuren aber auch mitfühlende und sensible Achterbahnfahrt, auf der sich Dusel, Pech und kriminelles Können immer wieder die Hand reichen. Wenngleich eine dramatische Fallhöhe nie so recht gegeben ist, durchschaut man die Richtung des Skripts lange nicht; erst, wenn im letzten Drittel endlich alle Zahnräder ineinander greifen, erkennt auch der letzte im Publikum, dass wieder einmal alles genau so geplant war, wie es sich die Logans und ihr Sprengmeister Joe Bang vorab ausgemalt haben. Bei einer solch konzentrierten Betrachtung der geschmiedeten Pläne und des anschließend durchgezogenen Coups bleibt allerdings der eine oder andere Subplot auf der Strecke: Die gen Ende herangezogenen Polizeiermittlungen der Agentin Sarah Grayson verlaufen im Sande und scheinen nur deshalb in der Geschichte untergebracht, um mit Hilary Swank („The Homesman“) einen weiteren Namen im Presseheft unterbringen zu können, während das am Rande ausgehandelte Aufeinandertreffen zwischen Jimmy und seiner ehemaligen Jugendliebe Sylvia (Katherine Waterston) sogar komplett hinten über fallen.
Abseits solch kleiner erzählerischer Schwächen punktet Soderbergh dafür auf nahezu allen anderen Ebenen. Er hat nicht bloß sein starbesetztes Ensemble voll unter Kontrolle und lässt sie vollkommen losgelöst und improvisiert aufspielen, sodass ihnen das Lokalkolorit aus dem Arbeitermilieu West Virginia wie selbstverständlich in Fleisch und Blut übergeht (wobei die spröde-lässige Performance Daniel Craigs definitiv das Highlight von „Logan Lucky“ darstellt), er macht sich auch das Flair des armen Bundesstaates zueigen und inszeniert das dortige Klientel authentisch, ohne abwertend mit dem Finger drauf zu zeigen. „Logan Lucky“ funktioniert nur mit dem Respekt vor den dort ansässigen Menschen; und deshalb spricht es umso mehr für Soderbergh, dass er prägnante Rollen nicht bloß mit Hollywoods A-Prominenz, sondern auch mit No-Names besetzt hat. Gleichzeitig zeichnet Soderbergh hier wieder einmal direkt selbst für die Kameraarbeit verantwortlich (auch hier erneut unter seinem Pseudonym Peter Andrews, unter dem er bereits „Magic Mike XXL“, „Liberace“ und „Contagion“ arbeitete) und schwelgt hierbei zwischen zweckmäßiger Routine und schwelgerischer Leichtfüßigkeit, die „Logan Lucky“ genau so einfängt, wie sich die Dynamik des Films am besten beschreiben lässt. Rau, ruppig und auf seine ganz eigene Art und Weise äußerst charismatisch – am Ende kommt man zu dem Schluss, dass man es den Logan-Brüdern nicht bloß gönnt, hier heile aus der Sache herauszukommen, sondern dass man sich auf eine solch kreative Art selbst von ihnen ausrauben lassen würde. So richtig böse sein, kann man ihn bei so viel mehr Glück als Verstand nun wirklich nicht.
Fazit: Im Anbetracht dieser liebenswürdigen Schmalspurganoven verzeiht man es „Logan Lucky“ gern, dass man das Konzept hinter dem Film eigentlich von Anfang an durchschaut. Die stark gespielte, rasant inszenierte und urkomische Gangsterposse hat das Herz am rechten Fleck und Feuer unterm Hintern – endlich ist Steven Soderbergh zurück!
„Logan Lucky“ ist ab dem 14. September bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.