Das Ende ist erst der Anfang

Die französisch-belgische Koproduktion DAS ENDE IST ERST DER ANFANG wandelt auf den Spuren von Quentin Tarantino, den Coen-Brothers und Co. und erarbeite sich dadurch sogar eine Auszeichnung bei der Berlinale. Die Frage bleibt, warum. Mehr dazu in meiner Kritik.
Der Plot
Als Kopfgeldjäger reisen Coschise (Albert Dupontel) und Gilou (Bouli Lanners) durch endlose, windumtoste Landschaften. Auf ihrer Suche nach einem gestohlenen Handy, das sensible Informationen enthält, kreuzen sich ihre Wege mit denen von Esther (Aurore Broutin) und Willy (David Murgia). Ein Paar, das nicht nur verliebt ist, sondern auch auf der Flucht. Ist der Ort, in dem Cochise und Gilou landen, das Ende der Welt? Diese gottverlassene kleine Stadt, in der jeder so scheint, als wäre er nur aus Versehen angespült worden? Werden sie hier das Beste im Menschen entdecken? Sie scheinen dort draußen die letzten Menschen zu sein. Aber unterscheiden sie sich wirklich so sehr von den ersten?
Kritik
Der gebürtige Belgier Bouli Lanners macht gern viel selbst. Zu all seinen bisherigen Regiearbeiten – sechs an der Zahl – schrieb er auch direkt das Drehbuch. In einer von ihnen, „Eldorado“ von 2011, spielte er außerdem die Hauptrolle. Das muss ihm gefallen haben, denn in seiner dieses Jahr auf der Berlinale aufgeführten Krimikomödie „Das Ende ist erst der Anfang“ steht er wieder gleichermaßen vor wie hinter der Kamera. Dafür wurde Lanners dann auch direkt belohnt: Sein Film gewann unter Anderem den Preis der Ökonomischen Jury in der Sektion Panorama. Mit diesem Award werden Filme ausgezeichnet, in denen wichtige soziale und interreligiöse Themen aufgegriffen und verarbeitet werden. Im Blick auf „Das Ende ist erst der Anfang“ ist diese Begründung allerdings sehr weit hergeholt. Zwar gibt es in dieser sich überdeutlich an Filme der Coens oder Quentin Tarantino anlehnenden Krimi-Komödie eine Figur, die Jésus heißt und der wenig später Stigmata-gleich in die Hand geschossen wird, doch mehr als ein vordergründiger Gag ist das nicht. Der im Original „Les Premiers Les Derniers“ (zu Deutsch: „Die Ersten Die Letzten“) betitelte Film ist ein Sammelsurium von Ideen eines fiktiven „Kultfilme für Dummies“-Ratgebers, der zwar darstellerisch zu gefallen weiß, aber lediglich oberflächlich unterhält.
„Das Ende ist erst der Anfang“ erzählt zwei Geschichten parallel. Da ist auf der einen Seite das Duo aus Coshise und Gilou, zwei in die Jahre gekommenen Auftragskillern, die sich ihre Wartezeit bis zum nächsten Job schon mal damit versüßen, darüber zu diskutieren, wer von beiden nun der Ältere ist. Auf der anderen Seite geht es aber auch um das Pärchen Esther und Willy, von dem man zu Beginn nicht wirklich weiß, was denn überhaupt sein Problem ist. Als Zuschauer erfahren wir lediglich, dass die beiden auf der Flucht zu sein scheinen, daran glauben, dass bald die Welt untergeht und dass die beiden auf der Suche nach Esthers zur Adoption freigegebenen Tochter sind, von der Esther jedoch nicht einmal weiß, wie alt sie heute ist. Auf dem Weg in Richtung Ziel treffen die Liebenden auf Jésus (Philippe Rebbot), der ihnen den Weg weist, jedoch schneller wieder verschwindet, als er gekommen ist. Dass sich diese beiden Schicksale in unmittelbarer Nähe zueinander abspielen, daraus macht Bouli Lanners nie einen Hehl. In dieser Abgeschiedenheit des weltlichen Nirgendwos scheint ohnehin jeder jeden zu kennen; dass es da in einen Überraschungsmoment mündet, wenn sich die Wege der Killer und des flüchtenden Pärchens irgendwann kreuzen, kann von den Machern nicht beabsichtigt gewesen sein. So generiert sich die Spannung lange Zeit nicht aus der Frage, wie die Handlungsfäden wohl aufeinander zu laufen werden, sondern vielmehr daraus, was das hier Gezeigte eigentlich soll. Und so viel sei verraten: Die Auflösung dessen ist so unspektakulär, dass wir den Grundsatz, Filmausgänge nicht zu spoilern, fast ignorieren könnten.
Aber Bouli Lanners scheint es in „Das Ende ist erst der Anfang“ auch gar nicht bloß um die Auflösung und einen damit verbundenen Aha-Effekt zu gehen, sondern darum, in seinen eineinhalb Stunden Film möglichst viele Skurrilitäten unterzubringen. Darunter fallen symbolträchtige Bilder von aus dem Nichts auftauchenden Hirschen, die eingangs erwähnte Figur des Jésus oder eine irgendwie auch noch in die Story gepresste Mumie (!), vor allem aber die Dialoge des Killerduos. Mit der Diskussion darum, wer von beiden der Ältere ist (die den Zeitgenossen Gilou übrigens weitaus dämlicher zeichnet, als er sich im Film später wirklich verhält), beginnt ein anstrengendes Ringen um jene Zuschauer, die für Derartiges sonst eher die Filme eines Quentin Tarantino bevorzugen; „Das Ende ist erst der Anfang“ wäre gern so cool und kultverdächtig wie „Pulp Fiction“, „Reservoir Dogs“ und Co., doch am Ende spielt sich das hier Dargebotene eher auf einer Stufe mit ähnlich seelenlose Kopien der Marke „Criminal Activities“ ab. Die Darsteller können nichts dafür. Reduziert darauf, ihre Figuren möglichst kauzig erscheinen zu lassen, machen Bouli Lanners und Albert Dupontel („Der Tag wird kommen“) einen souveränen Job, da vor allem ihre Interaktion miteinander überzeugt. Auch das Pärchen, gespielt von David Murgia („Das brandneue Testament“) sowie Aurore Broutin („Zu Ende ist alles erst am Schluss“) harmoniert gut, doch dass Esther geistig zurück geblieben sein soll, erkennt man als Zuschauer erst ganz zum Schluss, als sie es einer Fremden erzählt.
Richtig interessant ist an „Das Ende ist er der Anfang“ ohnehin die Inszenierung. Wüsste man es nicht besser, so könnte man die französisch-belgische Koproduktion für eine der vielen skandinavischen Krimis halten; zumal sich die Filmemacher aus dem hohen Norden zuletzt ohnehin sehr gut darauf verstanden haben, eine düstere Weltanschauung mit bissigem Humor zu verbinden. Tatsächlich macht auch dieser Film optisch eine ganze Menge her. Die tristen Bilder von Lanners‘ Stammkameramann Jean-Paul de Zaetijd von der belgischen Einöde mit ihren leerstehenden Fabrikhallen sorgen für Gänsehaut und unterstreichen gleichsam die innere Leere sämtlicher hier agierenden Charaktere. Dazu passt auch der sehr minimalistische Score von Pascal Humbert („Der Käfig“). Auffällige Musik gibt es in „Das Ende ist erst der Anfang“ so gut wie keine. Stattdessen trägt Bouli Lanners das Geschehen fast schon dokumentarisch an den Zuschauer heran. An dieser Stelle erkennt man dann auch, wie sehr sich die Inszenierung mit der Intention beißen: Das Gehabe der beiden Killer, die pseudocoolen Sprüche und die mit allerlei absurden Elementen gespickte Handlung reiben sich einfach viel zu sehr an der um Realismus bemühten Erzählweise. Aus diesem Widerspruch etwas Homogenes zu zaubern, das können dann wohl doch nur die Coens.
Fazit: „Das Ende ist erst der Anfang“ kombiniert den rauen Charme düsterer Schwedenkrimis mit um Kult bemühten Dialogen und einer Geschichte, die viel zu sehr darauf ausgelegt ist, den Zuschauer in ihrer Skurrilität zu überraschen. Da bleibt nicht nur der Anspruch auf der Strecke, sondern auch der Spaß.
„Das Ende ist erst der Anfang“ ist ab dem 11. Mai in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.