Sing

Der neueste Film der auch für die „Minions“-Filme bekannten Animationsschmiede Illumination verbindet zwei Erfolgskonzepte: sprechende Tiere und Castingshows. Damit könnte ein Erfolg vorprogrammiert sein, doch hält SING, was die spaßigen Trailer versprechen? Das verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Das schillernde Theater des vornehmen Koala Buster Moon (Daniel Hartwich), steht kurz vor dem Ruin. Doch Buster ist ein ewiger Optimist, besser gesagt: ein echtes Schlitzohr, der einfach alles tun würde, um sein Lebenswerk zu retten. Deshalb nutzt er seine letzte Chance und veranstaltet die tierischste Casting-Show, die die Welt je gesehen hat. Unter den Wettbewerbern stechen fantastische Supertalente heraus: unter anderem die Maus (Klaas Heufer-Umlauf), die zuckersüß singt, es aber faustdick hinter den Ohren hat, das schüchterne Elefanten-Mädchen Rosita (Alexandra Maria Lara), dem auf der Bühne die Knie schlottern, die gestresste Mutter, der 25 kleine Ferkel am Rockzipfel hängen, der junge Gangster-Gorilla, der die kriminellen Machenschaften seiner Familie hinter sich lassen will, und das Punk-Rock-Stachelschwein Ash (Stephanie Kloß), das es nicht länger mit seinem fiesen Freund aushält. Sie alle betreten die Bühne von Busters Theater mit dem gleichen Ziel: zu gewinnen und damit ihr Leben zu verändern.
Kritik
Eigentlich ist die Hochphase der Castingshow schon lange vorbei. Die televisionären Gesangswettbewerbe flimmern zwar nach wie vor über die Fernsehschirme, doch als Prestigeprojekte der jeweiligen TV-Sender taugen sie nicht (mehr). Dafür ist ihr zweifelhafter Charme mittlerweile in die Kinos vorgerückt. Startet in dieser Woche das musikalische Biopic „Ein Lied für Nour“ über einen Gewinner der arabischen Variante von „Deutschland sucht den Superstar“, haben sich die Illumination-Studios („Ich – Einfach unverbesserlich 1 und 2“, „Minions“) für ihr neues Animationsfilmprojekt etwas ganz Besonderes ausgedacht. Anstatt einmal mehr auf die laufenden Ü-Ei-Inlets zurückzugreifen, kreieren sie nach „Pets“ mit „Sing“ ein weiteres offensichtlich Franchise-taugliches Filmuniversum. Wie es Disney Anfang des Jahres mit dem umjubelten Trickfilmhit „Zoomania“ vormachte, konstruieren die Regisseure Garth Jennings („Per Anhalter durch die Galaxis“) und Christophe Lourdelet eine ausschließlich von Tieren bevölkerte Welt, um in ihr eine Geschichte zu erzählen, wie man sie sonst nur aus menschlichen Verhältnissen kennt. In diesem Fall geht es um ein kurz vor dem Ruin stehendes Theater, das der dazugehörende Leiter Buster mithilfe eines Talentwettbewerbs vor der Schließung zu retten versucht. Soweit zur Prämisse, doch zwischen Konfliktetablierung und Finale geschieht leider nichts – außer, dass die Macher satte 69 verschiedene Popsongs in ihrem Film unterbringen. Ein Zuviel, das sich auch in der Anzahl der Figuren widerspiegelt.
Sich bei „Sing“ mit so etwas wie der Dramaturgie auseinander zu setzen, ist gar nicht so leicht. Der Grund: es gibt keine! Die erste halbe Stunde des Animationsfilms besteht hauptsächlich daraus, die einzelnen Haupt- und Nebenfiguren vorzustellen. Dabei wird zwar deutlich, dass der Fokus in erster Linie auf dem Koala Buster liegen soll, doch das Drehbuch (Garth Jennings) hält sich mitunter nur für wenige Minuten an einem Setting auf und wechselt anschließend so rasant zu den nächsten Schauplätzen, dass sämtliche Charaktere absolut oberflächlich bleiben. Damit bleibt man zwar in gewisser Weise dem Erzählstil treu, den Fernsehsender wie RTL oder ProSieben bei der Gestaltung ihrer Castingshows verwenden (auch hier sollen die kurzen Vorstellungsclips der Kandidaten ja nur Eckdaten liefern), doch ein Gespür für die Figuren bekommt man nicht. Da „Sing“ jedoch gerade in der zweiten Hälfte immer dramatischere Züge annimmt, ist der fehlende Zugang zu den Charakteren absolut kontraproduktiv. Wir sehen Katastrophen nahen, doch wie sich der Koala, der Elefant, die Maus oder das Stachelschwein aus ihnen hinausmanövrieren, ist eigentlich ganz schön egal. Hinzu kommt, dass sich die Verantwortlichen nie so ganz entscheiden können, ob sie nun das tierische Abbild von „DSDS“ und Co. präsentieren wollen (der Part mit den einzelnen Gesangsdarbietungen nimmt erstaunlich viel Platz ein), oder ob ihnen doch mehr an dem Plot gelegen ist, der sich mit der Rettung des Theaters befasst. Eine Symbiose aus beidem gelingt den Regisseuren nicht. Dazu wirken beide Erzählstränge für sich genommen viel zu unausgereift und den Figuren, die sie zusammenhalten könnten, geht in Ermangelung an Profil Charme und Sympathie ab.
Im Grunde ist „Sing“ ein reichlich hektisch geratener Episodenfilm, in dem jede Figur abseits der Gesangsproben ihr eigenes Ding dreht. Dabei sind einige Subplots mit wirklich witzigen Ideen gespickt (wie sich die Schweinemutter ihrer Aufgabe entledigt, jeden Morgen ihre 25 Ferkel tagfertig zu machen, ist ganz großes Kino!), andere wiederum baden im Klischee. So kommt es, dass sich schnell Lieblinge herauskristallisieren, während sich andere Nebenhandlungsstränge wie Ballast anfühlen. Die Geschichte um den missverstandenen Gorilla-Jungen und seinen strengen Vater ist im Grunde die oberflächliche Abhandlung klassischer Hollywood-Vater-Sohn-Konflikte, während vor allem das Schicksal des unselbstständigen Schafes Eddie (Olli Schulz), der trotz weitaus weniger Lebenserfahrung seinem besten Freund Buster mit überragend-optimistischer Bauernschläue zur Seite steht, zu einem der Highlights des Filmes wird. Überhaupt steht und fällt in „Sing“ viel mit den Sprecherleistungen. Dass ausgerechnet die schwächste davon auf die Figur fällt, die mit der meisten Screentime gesegnet ist, wirkt sich da natürlich auf den ganzen Film aus. Wenngleich das Meta-Casting von „Das Supertalent“-Moderator Daniel Hartwich als Castingshow-Veranstalter Buster naheliegt, wird aus dem sympathischen Brillenträger wohl nie ein richtiger Synchronsprecher. Dafür erweist sich Olli Schulz („Bibi und Tina – Voll verhext“) in seiner an den Tag gelegten Naivität als hervorragende Wahl für die Rolle des Eddie und auch „Circus HalliGalli“-Star Klaas Heufer-Umlauf fühlt sich sichtlich wohl in seiner dauergenervten, leicht abgehobenen Rolle der draufgängerischen Maus. Darüber hinaus ist Katharina Thalbach („Ich bin dann mal weg“) eine Offenbarung in der Rolle der tollpatschigen Rentner-Echse Miss Crawley.

Buster motiviert seine Kandidaten, auch wenn sich die Vorstellungen von einem gelungenen Auftritt beißen…
Dafür, dass man für „Sing“ ein derart großes Ensemble an Stars und Sternchen zur Verfügung gestellt bekam (die mittlerweile obligatorische Anwesenheit von YouTube-Stars darf natürlich auch nicht fehlen!), bleibt der Film dennoch auf lediglich solidem Sprecherniveau. Das rührt vor allem daher, dass sich auf diesem Sektor wie in allen ein Gefühl von „Business as usual“ einstellt. Wie man es vor wenigen Monaten noch bei „Pets“ gesehen, spricht überhaupt nichts dagegen, Animationsfilme auch mal ausschließlich für spaßiges, emotional wenig forderndes Entertainment zu kreieren. „Sing“ ist für den puren Spaß an der Freude jedoch nicht lustig genug, während die emotionalen Ankerpunkte aus genannten Gründen nicht für jene dramatische Tiefe sorgen, die von den Machern wohl beabsichtigt wurde. Selbst der musikalische Teil kann diese Differenzen nicht ausgleichen. Nach dem Motto „Quantität vor Qualität“ arbeiten sich die Macher einmal quer durch die letzten Jahre Rock-und-Pop-Geschichte, doch mit Ausnahme eines sehr smart inszenierten Arrangements von Taylor Swifts „Shake It Off“ gleichen die Verwendungen der einzelnen Melodien lediglich Anspieltipps. Für die ganz Kleinen punktet der visuell weit hinter Filmen wie „Zoomania“ zurückbleibende „Sing“ dann aber doch mit Rasanz und wenig Leerlauf. Doch ob hier wiederum die beabsichtigte Hommage an die Popmusik an sich zündet, darf in Frage gestellt werden. Damit bleibt „Sing“ bis zuletzt nichts Halbes und nichts Ganzes, ist aber zwischendrin immer mal recht unterhaltsam. Wem das schon den Kauf eines Kinotickets wert ist, der darf gern zuschlagen.
Fazit: „Sing“ bietet rasant-musikalischen, aber auch weitestgehend belanglosen Animationsspaß, der weder optisch, noch inhaltlich mit dem mithalten kann, was in diesem Jahr sämtliche andere Trickstudios für das Publikum bereithalten. Dafür stechen Olli Schulz, Klaas Heufer-Umlauf sowie Katharina Thalbach in ihren Synchronrollen so positiv hervor, dass man sich für ihre Figuren glatt ein Spin-Off wünscht.
„Sing“ ist ab dem 8. Dezember bundesweit in den Kinos zu sehen – auch in ordentlichem 3D!
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