American Ultra

Im Jahr der Agentenfilme hat der Kiffer-Thriller AMERICAN ULTRA automatisch schon mit einer äußerst großen Konkurrenz zu kämpfen. Dich die zweite Regiearbeit von „Project X“-Macher Nima Nourizadeh kann nicht im Ansatz mit solchen Granaten wie „Kingsman“ oder „Spy“ mithalten. Dafür ist sein ungewöhnlich besetztes Unterfangen entgegen der Vermarktung einfach viel, viel zu brav. Mehr dazu in meiner Kritik.
Der Plot
Das Leben des unmotivierten, glücklosen Kiffers Mike (Jesse Eisenberg) und seiner Freundin Phoebe (Kristen Stewart) in der amerikanischen Provinz verläuft alles andere als spektakulär. Den Großteil ihres Alltags verbringen die beiden mit ihren langweiligen Kleinstadt-Jobs und dem Konsumieren von Drogen. Doch dann wird das Leben des Paares schlagartig auf den Kopf gestellt. Denn was Mike selbst nicht (mehr) weiß: Er ist ein hochqualifizierter und zum effizienten Töten ausgebildeter Schläfer-Agent. Verfolgt von seiner geheimen Vergangenheit findet er sich plötzlich inmitten einer tödlichen Regierungsoperation wieder. Um zu überleben, muss er von seinem Trip herunterkommen und seinen inneren Actionhelden zum Leben erwecken…
Kritik
Es ist das Jahr der Spionagefilme. Ob alteingesessene Gesellen wie James Bond („Spectre“) und Ethan Hunt („Mission Impossible – Rogue Nation“) oder die heranwachsende Spy-Generation in Form von Gary Unwin („Kingsman: The Secret Service“), Susan Cooper („Spy“) oder die Gentlemen aus „Codename U.N.C.L.E.“ – Superspione haben 2015 Hochkonjunktur. Nun versucht sich mit Nima Nourizadeh ausgerechnet der Regisseur an einem weiteren derartigen Genrebeitrag, der das Found-Footage-Kino vor drei Jahren mit der unsäglichen Proll-Party „Project X“ zu bereichern versuchte. Gott sei dank nur mit mäßigem Erfolg. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass im Falle von „American Ultra“ nahezu alles möglich wäre. In den Hauptrollen gibt es Jesse Eisenberg („Zombieland“) und Kristen Stewart („Die Wolken von Sils Maria“) zu sehen. Eine unkonventionelle Besetzung für einen Film des Spy-Genres. Auch der Plot liest sich kurios und die deutsche Subline „Die kiffenden Killermaschinen“ spricht Bände. Doch was die perfekte Überbrückung von „Crank 2“ zum (hoffentlich bald in Produktion gehenden) „Crank 3“ darstellen könnte, funktioniert schlussendlich nur in den teils äußerst makaber gestalteten Einzelszenen und ist darüber hinaus überraschend brav. Erst mit dem in Cartoonform inszenierten Epilog offenbart sich das brutal-amüsante Potenzial, das diese Geschichte über zwei vollkommen unfähige Zufalls-Spione besitzt.
Wenn das Skript von Max Landis („Chronicle – Wozu bist du fähig?“) die beiden Protagonisten als treudoofes Kifferpärchen etabliert, ist diese Charakterzeichnung durchaus charmant. Mike ist ein liebenswürdiger Taugenichts, der nachts in einem Tankstellenstore jobbt, während Phoebe ihre Arbeit als Mietwagenverleih-Angestellte verdingt. Die beiden sind das perfekte Paar, ergänzen sich in ihrer Lethargie und nehmen einander, wie sie sind. Trotzdem ist gerade Mike voller Zweifel und benötigt hin und wieder die aufmunternden Worte seiner Freundin. Es ist das tragikomische Abbild einer Beziehung, das – geprägt von den philosophischen Ausschweifungen Mikes – das Potenzial eines waschechten Indie-Dramas birgt. Doch Nima Nourizadeh hat mit seinen beiden Helden etwas völlig anderes vor, als lediglich ihren Alltag zu sezieren. Nach einer mitfühlenden Exposition eröffnet das Drehbuch einen zweiten Handlungsstrang. Die Geheimdienst-Mitarbeiterin Victoria Lasseter (hat sichtlich Spaß an ihrer undurchsichtigen Performance: Connie Britton) wird mit einem Vorfall konfrontiert, der sie dazu zwingt, zu ungewöhnlichen Mitteln zu greifen. Welche genau das sind, das offenbart „American Ultra“ häppchenweise. Jede neu gewonnene Erkenntnis bereitet der Film fast twistartig auf. Dies hat zur Folge, dass der Zuschauer den Film nicht als kontinuierlich voranschreitende Geschichte wahrnimmt, sondern als nervösen Twistride, dessen vermeintliche Überraschungen jedoch nie annähernd den Wert einer echten Plotwendung haben. Die Macher versuchen ihren Film bemüht überraschend zu gestalten – doch mit der Zeit wird jede Überraschung von der Erwartungshaltung verdrängt, dass wir es ohnehin nur wieder mit einer falschen Fährte zu tun bekommen.
Dass sich dieses alles in allem dann doch sehr überraschungsarme Erscheinungsbild von „American Ultra“ nicht vollends negativ auf das Sehvergnügen auswirkt, liegt zum einen an der Spielfreude der Hauptdarsteller sowie einiger frecher One-Liner, die diese von sich geben dürfen. Zum anderen hat der Film aber auch viele gelungene Momente, die sich insbesondere dann hervortun, wenn der Regisseur nicht zwanghaft versucht, einen durchschnittlichen Agentenfilm zu erzählen. Das Hauptproblem von „American Ultra“ ist nämlich, dass die Macher das Potenzial eines absurd-unangepassten Trash-Thrillers zu Gunsten eines harmlosen Krimi-Plots aufgeben. Aus den „kiffenden Killermaschinen“ werden einfache Anfänger-Spione, die zwar durchaus den einen oder anderen Trick auf Lager haben, sich aber die meisten Zeit über mit Genreversatzstücken zufriedengeben müssen. Bewegt sich der Regisseur dann szenenweise aus diesem standardisierten Schema heraus (Stichwort: Bratpfannentrick), dann stechen derartige Szenen so positiv hervor, dass der Rest dazu umso deutlicher abfällt. „American Ultra“ könnte ein comichaftes Anarchovergnügen sein und stellt sich mit seiner durch und durch braven Inszenierung selbst ein Bein. Die brutal-absurde Prämisse in Nima Nourizadehs Werk tut sich so nur durch vereinzelt äußerst blutige Momente hervor; die FSK-Freigabe ab 16 kommt also nicht von ungefähr. Auch die Schlusssequenz in einem Supermarkt weiß zugefallen. Hier lässt der Regisseur endlich zu, was das Drehbuch zwischen den Zeilen schon die ganze Zeit über offenbart. Doch gestreckt auf knapp zwei Stunden Gesamtlaufzeit sind diese Highlights zu wenig, um „American Ultra“ als Gesamtwerk über den Durchschnitt zu heben.
Größter Nutznießer des Films ist allerdings Kristen Stewart. Die durch „Twilight“ bekannt gewordene und dadurch in den ersten Jahren ihrer Hollywoodkarriere immer wieder belächelte Aktrice bewies sich in den vergangenen Monaten zunächst im Dramakino („Still Alice“, „Die Wolken von Sils Maria“) und funktioniert in „American Ultra“ erstmals auch als Komödien- sowie Actiondarstellerin. Zyniker würden von sich geben, die stets ein wenig vernebelt wirkende Schauspielerin würde ja ohnehin in einen Kifferkrimi passen, doch Stewart in ihrer hier eher ungewöhnlichen Rolle zuzusehen, macht gerade im Zusammenspiel mit Jesse Eisenberg richtig Spaß. Die beiden ergänzen sich in ihrem Engagement und wandeln stets zwischen lethargisch und engagiert. Doch besonders das Entdecken von Eisenbergs ungeahnten Fähigkeiten sorgt immer wieder für abstrus-komische Szenen. „American Ultra“ weiß im Spiel mit den Klischees also durchaus zu unterhalten, wenngleich die Unterwanderung des Genres nicht bis zu Ende gedacht wird. Noch konsequenter, noch blutiger, noch anarchischer wäre der Film noch um einiges besser geworden. So offenbart sich einmal mehr, dass die eng gesteckten Grenzen des Hollywoodkinos potenzielle Perlen hemmen können. Mit einem noch kleineren Verleih an der Seite und einer unabhängigen Produktion hätte man nicht etwa am Publikum vorbei inszeniert, sondern sich zeitgleich ein wesentlich engagierteres erschlossen. Auch wenn man überlegen muss, ob die technische Ausstattung des Films dann immer noch so makellos wäre, wie sie nun geworden ist. So bleiben nur wenige Momente von „American Ultra“ tatsächlich in Erinnerung – noch einmal Stichwort: Bratpfannentrick.
Fazit: „American Ultra“ könnte so viel mehr. Trotz gelungener Einzelszenen ist der Kifferthriller nicht annähernd so gelungen wie etwa Genrekollege „Ananas Express“ und lässt lediglich die Darsteller brillieren. Hier wäre mit etwas mehr Willen zu Anarchie und Gewalt so viel mehr drin gewesen. Schade!
„American Ultra“ ist ab dem 15. Oktober bundesweit in den Kinos zu sehen.
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