Frau Ella

Mit „Schlussmacher“ gelang dem Filmemacher Matthias Schweighöfer Anfang des Jahres ein qualitatives Desaster. Mit dem von Markus Goller inszenierten, romantischem Road-Trip FRAU ELLA schafft es der Darsteller jetzt zumindest schauspielerisch, den Totalausfall vom Januar wieder vergessend zu machen. Denn die von Cineasten von Anbeginn stark belächelte Romanverfilmung entpuppt sich als liebevolle Komödie, auf die sich ein Blick sogar für diejenigen lohnt, die das deutsche Kino generell verteufeln. Warum und was „Friendship!“ damit zu tun hat, lest Ihr in meiner heutigen Kritik.
Der Plot
Kurz nachdem Taxi-Fahrer Sascha (Matthias Schweighöfer) von der Schwangerschaft seiner Freundin Lina (Anna Bederke) erfährt, baut er prompt einen Unfall. Im Krankenhaus lernt er die agile, fast neunzigjährige Ella Freitag, kurz: Frau Ella (Ruth-Maria Kubitschek), kennen, die hier auf eine Herz-Operation wartet. Als abgebrochener Medizin-Student weiß Sascha, dass Frau Ella die Vollnarkose aufgrund von Herzproblemen kaum überleben wird. Kurzerhand entführt er die rüstige Rentnerin und bringt sie zu sich und seinem Kumpel Klaus (August Diehl) in die WG. Nach einem heftigen Streit mit seiner Freundin versucht Frau Ella, Sascha auf andere Gedanken zu bringen. Sie erzählt ihm von ihrer großen Liebe, die sie aufgrund des Krieges vor Jahrzehnten aus den Augen verlor. Also schnappt sich Sascha die alte Dame und seinen besten Freund und begibt sich nach Frankreich, wo Frau Ellas Jugendliebe heute wohnen soll…
Kritik
Nach Matthias Schweighöfers qualitativem Totalausfall „Schlussmacher“ scheint er sich mit seiner neuen Komödie „Frau Ella“ wieder in die Herzen der Filmgourmets spielen zu wollen. Doch Achtung! Auch wenn die Vermarktung des Streifens den Schluss zulässt, so ist das liebevolle Roadmovie mit Ruth-Maria Kubitschek und dem inoffiziellen Til-Schweiger-Nachfolger in den Hauptrollen mitnichten eine neue Regiearbeit des talentierten Blondschopfes. Für die Verfilmung des Bestsellerromans von Florian Beckerhoff nahm Markus Goller auf dem Regiestuhl Platz, der 2010 für sein Leinwanddebüt „Friendship!“ frenetisch gefeiert wurde. In „Frau Ella“ behält er seinen beschwingten Grundton bei und liefert dennoch gleichzeitig eine berührende Selbstfindungsgeschichte mit leicht melancholischem Einschlag und bissigen Zwischentönen.
„Frau Ella“ ist auf ganzer Linie ein von den beiden Hauptdarstellern getragenes Charakterstück, denen man die Freude am Zusammenspiel jederzeit ansieht. Ruth-Maria Kubitschek („Elvis und der Kommissar“) mimt die im Film fast neunzigjährige Titelfigur, die in ihrem fortgeschrittenen Alter jedoch noch lange nicht zum alten Eisen gehören will. Dass der Versuch, Frau Ella als „moderne Rentnerin“ darzustellen, nicht in Peinlichkeiten ersäuft, ist zum einen der akzentuierten Spielweise Kubitscheks, zum anderen aber auch den pfiffig geschriebenen Dialogen zu verdanken. Anders als manch ein Trailer es vermuten lässt, verzichtete Drehbuchautor Dirk Ahner („Mord ist mein Geschäft, Liebling“) auf stereotype Denkweisen und darauf, dem Publikum den Altersunterschied zwischen den beiden Hauptdarstellern als Kuriosum zu verkaufen. In der Darstellung des kurzfristigen Zusammenlebens von Frau Ella, Sascha und seinem WG-Kumpel Klaus (August Diehl) bleibt Markus Goller erstaunlich bodenständig und verzichtet zu Gunsten einer gesitteten Atmosphäre auf billige Pointen.
Die Entwicklung der Story entpuppt sich schon sehr bald als erstaunlich ernst. Aus der sich anfangs als Liebes-Dramedy zwischen Sascha und Lina verkaufenden Grundhandlung wird im Laufe der Zeit ein Roadmovie mit ernstem Hintergrund, der in Ansätzen sogar auf einer Kriegsthematik basiert. Dass der Regisseur dabei nicht so sehr ins Detail ging, wie es der Film für ein eher als Drama angelegter Streifen gebraucht hätte, ist angesichts der eigentlichen Ausrichtung kaum erstaunlich. In erster Linie möchte „Frau Ella“ fröhliche Unterhaltung bieten. Details zu Kriegshintergründen oder das Setzen eines Schwerpunktes bei diesem Thema hätten dem Film seine angestrebte Leichtigkeit genommen. Dennoch wirkt der gewählte Backround nicht fehlplatziert, sondern sorgt lediglich für einen leicht melancholischen Touch, der „Frau Ella“ gut tut.
Bei der Besetzung bewies der Regisseur wie schon in „Friendship!“ Fingerspitzengefühl. Das Team um Matthias Schweighöfer und Ruth-Maria Kubitschek scheint wie aus einem Guss, ergänzt sich und wirft sich gekonnt die Bälle zu. Die Dialoge besitzen stets einen leicht improvisierten Charakter und selbst in den kleinsten Nebenrollen finden sich treffend besetzte Darsteller. Ob das einstige „Edel und Starck“-Gesicht Luc Feit als wie ein Schlot rauchender Krankenhauspatient, Anna Thalbach („Du hast es versprochen“) als unausstehliche Oberschwester Erika oder Marleen Lohse („Kein Sex ist auch keine Lösung“) in der Gestalt einer zuckersüßen Französin: Sie alle tragen trotz ihrer geringen Screentime zum stimmigen Gesamtbild des Films bei. Unter den Hauptdarstellern besticht neben dem Schweighöfer-Kubitschek-Dreamteam vor allem August Diehl. Der vermehrt in internationalen Produktionen auftretende Mime, der erst vor kurzem in „Nachtzug nach Lissabon“ an der Seite von Jeremy Irons zu sehen war, scheint in der cabriofahrenden Dreierkonstellation, auch eigenen Angaben zufolge, ab und an das dritte Rad am Wagen zu sein. Dem vor allem für die Pointen zuständigen Darsteller wird jedoch das Glück zuteil, sich von seinen Kollegen nicht an die Wand spielen zu lassen und schafft es so stets, trotz geringerer Leinwandpräsenz nicht überflüssig zu wirken. Teilweise scheint es gar, als nehme er die Position des Zuschauers ein, der die Situation mit dem einen oder anderen süffisanten und dabei immer ehrlichen Kommentar beleuchtet. Die durch „Soul Kitchen“ bekannt gewordene Anna Bederke alias Lina erhält dagegen nur wenig Möglichkeiten, ihr darstellerisches Können voll auszuspielen, verleiht ihrer Figur in den wenigen Momenten ihres Auftauchens jedoch Kontur und Charakter.
Die Bilder, die Kameramann Ueli Steiger („The Day After Tomorrow“) einfängt, profitieren überdeutlich von der französischen Kulisse, in der „Frau Ella“ zum Großteil spielt. Die sonnengetränkten Aufnahmen der kleinen Gassen sowie Bilder aus der so beliebten Vogelperspektive bilden ohne Zweifel einen netten Augenschmaus und lassen die Komödie bisweilen äußerst schwelgerisch erscheinen. Da Markus Goller dankenswerterweise auf die Verwendung von auffälligen Rock-Pop-Nummern im Til-Schweiger-Stil verzichtet, sondern stattdessen lieber auf leisere Töne setzt, wirken diese Szenen weitaus weniger gestellt und um Pathos bemüht als es ähnlich gelagerte Filmkost ab und an tut. Goller verlässt sich viel lieber auf die ruhigen Momente seiner Story, die trotz einiger banaler Durchhänger wie einem sehr vorhersehbaren Einstieg oder einem Dialog mit der als klischee-dumm charakterisierten Polizei, stark ist und für deutsche Komödienverhältnisse die eine oder andere ungeahnte Wendung nimmt.
Fazit: Überraschend anders, überraschend gut. „Frau Ella“ hat nichts mit den ärgerlichen Schweiger-Schweighöfer-Ergüssen à la „Kokowääh“ oder „Schlussmacher“ gemeinsam. Der Bestseller erhält mit dieser Verfilmung die ihm gebührenden Leinwandausmaße und besticht durch ein tolles Ensemble, das dem Film sogar in den seichteren Momenten zu durchgehendem Anstand verhilft.
„Frau Ella“ ist jetzt in den deutschen Kinos zu sehen.