Beckenrand Sheriff

Ein Sommerfilm über den Subkosmos Freibad – Marcus H. Rosenmüller, Regisseur von „Wer früher stirbt, ist länger tot“, nimmt sich dieser vielversprechenden Kulisse an und kreiert mit BECKENRAND SHERIFF einen beschwingt-kauzigen Film, der definitiv Sommergefühle weckt. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Zu alt, zu teuer und nicht mehr tragbar! Das Freibad in Grubberg muss geschlossen werden, findet die Bürgermeisterin (Gisela Schneeberger). Die Chance für Bauherr Albert Dengler (Sebastian Bezzel): Die freie Fläche bietet jede Menge Platz für neue Wohnungen. Dafür würde er das alte Bad sogar kostenlos abreißen. Doch die beiden haben die Rechnung ohne Karl (Milan Peschel) gemacht. Denn er ist hier nicht nur der Bademeister, er ist der Schwimmmeister, der Beckenrandsheriff! Seit über 30 Jahren und daran soll sich gefälligst auch nichts ändern! Um das Freibad zu retten, müsste ein Bürgerbegehren her. Doch woher soll Karl die benötigten 600 Unterschriften kriegen? Nicht mal die wenigen verbliebenen Badegäste sind gut auf ihn zu sprechen. Vor allem mit Dr. Rieger (Rick Kavanian) legt er sich ständig an. Der schafft es aber auch einfach nicht, vom 5-Meter-Turm zu springen – und der Sprungturm ist ja schließlich kein Stehturm! Selbst Sali (Dimitri Abold), der nigerianische Bademeister-Azubi, ist besser integriert als Karl, obwohl er eigentlich nur so schnell wie möglich aus Deutschland raus und nach Kanada möchte. Erst als Sali Lisa (Sarah Mahita) kennenlernt, eine Ex-Profi-Schwimmerin, die heimlich nachts ihre Runden im Freibad zieht, wird’s kompliziert. Soll er doch lieber in Deutschland bleiben und Karl helfen? Und mit dem Freibad auch Lisas Zufluchtsort retten?
Kritik
Für den Begriff „kauzig“ nennt der deutsche Duden Synonyme wie „wunderlich“ oder „eigenartig“. Alle drei sind Termini, die auf die Regiearbeiten von Marcus H. Rosenmüller hervorragend zutreffen. Man denke da nur an sein liebenswert-unkonventionelles Kinderabenteuer „Unheimlich perfekte Freunde“ oder auch die voller Leidenschaft für Lokalkolorit vorgetragene Komödie „Wer’s glaubt, wird selig“, in denen vorzugsweise die Spleens den Süddeutschen im Mittelpunkt standen. Schon sein Debüt „Wer früher stirbt, ist länger tot“ strotzte nur so vor, nun ja, eben kauzigen Figuren. Daher wirkt die Wahl von Rosenmüller als Verfilmer von Marcus Pfeiffers Debütdrehbuch „Beckenrand Sheriff“ nur konsequent. Denn der gebürtige Bayer hat zwar die lokalpatriotischen Eigenheiten – egal aus welchem Gebiet Deutschlands er erzählt – verinnerlicht, stellt sie aber nie abwertend als Sonderlichkeit heraus, was dazu führt, dass man sich letztlich gern in den Charakteren wiedererkennt, wenn man es denn tut. „Beckenrand Sheriff“ bildet da keine Ausnahme. Denn auch wenn das Drehbuch gerade gen Ende hin einige aus der inhaltlichen Konstruiertheit heraus entstehende Schwächen aufweist, lebt die Komödie über einen militant-rechthaberischen Bademeister vor allem über die Beobachtungsgabe menschlicher Skurrilitäten, die auch hier wieder fest in ihrem geographischen Dunstkreis verwurzelt sind.

Silke Wilhelm (Johanna Wokalek) und Schwimmmeister Karl (Milan Peschel) einigen sich zu den Trainingsbedingungen des Wasserballteams.
Bei den oben genannten Wortverwandtschaften zum Adjektiv „kauzig“ ist die Assoziation zu Schauspieler Milan Peschel nicht weit. Der kann zweifelsohne auch ernst; Allein seine Performances in Robert Schwentkes Antikriegsfilm „Der Hauptmann“ oder, noch extremer, in Andreas Dresens Sterbedrama „Halt auf freier Strecke“, wofür er 2012 sogar den Deutschen Filmpreis als Bester Hauptdarsteller erhielt, gingen durch Mark und Bein. Doch mindestens genauso gut geht er in der Verkörperung exaltierter, sich häufig auf wenige komische (!) Charaktermerkmale konzentrierender Charaktere auf, wie zuletzt etwa in „Jim Knopf und die Wilde 13“ oder „Catweazle“ zu sehen. Bademeister Karl ist Peschel wie auf den Leib geschrieben. Mit typisch deutscher Pingeligkeit und Erbsenzählerei seinen Schwimmbadaufseherjob ausführend, droht er schon die aller kleinsten Vergehen – das zu lange auf einem Sprungturm verweilen, oder das Kraulen auf einer Bahn, auf der Kraulen nicht erlaubt ist (WTF?) – mit fiesen Strafen zu ahnden. Und dass er früh morgens die exakte Sekunde abwartet, ab der er das Schwimmbadtor öffnet, obwohl davor bereits der erste Gast wartet, betont sein häufig mit großen Gesten und aussagekräftiger Mimik unterstrichenes Wesen. Oder wie es die von Rick Kavanien („Bullyparade – Der Film“) verkörperte Nebenfigur eines höhenängstlichen Ornithologen einmal so passend formuliert: So jemanden möchte man nicht zum Freund haben. Und zum Feind erst recht nicht…
„Bademeister Karl ist Peschel wie auf den Leib geschrieben. Mit typisch deutscher Pingeligkeit und Erbsenzählerei seinen Schwimmbadaufseherjob ausführend, droht er schon die aller kleinsten Vergehen mit fiesen Strafen zu ahnden.“
Mit der von Johanna Wokalek („Deutschstunde“) gespielten Wasserballtrainerin Silke hat Marcus Pfeiffer seinem Karl ein Love Interest geschrieben, das nicht minder spleenig ist und weshalb das sich sukzessive Annähern dieser beiden Außenseiter auch so eine Freude bereitet. Gleichzeitig stützt sich ihre Wunderlichkeit auf deutlich weniger Merkmale: Sie ist im zwischenmenschlichen Umgang arg unbeholfen, eine Eigenbrötlerin und puzzelt gern, was dafür sorgt, dass Silke deutlich klischeehafter wirkt als Karl, dessen zahlreiche Charakterschichten sich im Laufe der flott erzählten 113 Minuten nach und nach offenbaren. Im Falle von Silke fehlt die Tiefgründigkeit, was sich auch einigen anderen Nebenfiguren wie etwa dem kaltherzigen, profitorientierten Bauherren Albert Dengler (gespielt von Sebastian „Franz Eberhofer“ Bezzel) attestieren lässt. Doch die in „Beckenrand Sheriff“ zweitwichtigste Figur, der nigerianische Flüchtling Sali, ist ohnehin wichtiger. Denn auch wenn Trailer und Marketing den Fokus deutlich stärker auf den Komödienpart legen, so ist Marcus H. Rosenmüller gleichzeitig eine zwar ebenfalls komische, aber eben doch auch weitestgehend sensible Studie über einen jungen Mann gelungen, der – traumatisiert von der Flucht übers Meer – Anschluss und Halt in der Fremde zu finden versucht. Ein Motiv, dessen sich die französischen Filmemacher:innen im Zuge des Überraschungserfolgs „Ziemlich beste Freunde“ 2012 verstärkt angenommen haben, während es hierzulande, mit Ausnahme von Simon Verhoevens Komödienhit „Willkommen bei den Hartmanns“, auf dem Terrain noch viel zu beackern gibt. „Beckenrand Sheriff“ ist nun kein typischer „Problemfilm“, sondern beschwingt genug, um Salis positive Grundeinstellung perfekt widerzuspiegeln, ohne die Strapazen der Flucht dabei zu verklären. Einige fies-dunkelhumoristische Spitzen, etwa über den unterschwelligen Rassismus durch Autoritätspersonen, hat „Beckenrand Sheriff“ obendrein in petto.
Dass sich zwischen Karl und Sali (notgedrungen) so etwas wie eine Freundschaft entwickelt, handelt das Skript zwar stark übereilt ab, was in der konstruierten Konfliktlösung am Ende des Films seinen zweifelhaften Höhepunkt findet. Doch die zunächst schroffe, mit der Zeit allerdings immer liebenswertere (und dabei stets aufrichtige) Interaktion zwischen Karl und seinem Schützling rührt vor allem durch das glaubhafte Spiel sämtlicher Beteiligter. Dass der Konfliktherd rund um die bevorstehende Schließung des Schwimmbades, der Karl mit einer Unterschriftenaktion entgegenzuwirken versucht, da bisweilen vollends in den Hintergrund rückt sowie in erster Linie sowieso vor allem für die Gags zuatändig ist, fällt im Anbetracht der Stärken von „Beckenrand Sheriff“ nur marginal ins Gewicht. Trotzdem irritiert der Schlussakt, der den Eindruck erweckt, die Verantwortlichen hätten einfach nicht gewusst, wie sie die Geschichte glaubhaft zu Ende bringen sollen und rutschen schließlich in allzu unglaubwürdige Gefilde ab. Zusammen mit der hingebogenen Läuterung einiger noch so unbelehrbarer Personen erfüllt „Beckenrand Sheriff“ zwar seinen „Zweck“ als Gute-Laune-Film, in dem am Ende die Guten gewinnen, koste es was es wolle. Aber selbst in der leicht überzeichneten Realität, in der die Geschichte spielt, ist all das doch eine Spur zu viel. Doch solange die Gagdichte sitzt – und die Mischung aus Situationskomik, Wortwitz und Slapstick funktioniert hier eben zum Großteil – fallen die inhaltlichen Schwächen ohnehin nicht allzu sehr auf.
„Dass der Konfliktherd rund um die bevorstehende Schließung des Schwimmbades bisweilen vollends in den Hintergrund rückt sowie in erster Linie sowieso vor allem für die Gags verantwortlich zeichnet, fällt im Anbetracht der Stärken von ‚Beckenrand Sheriff‘ nur marginal ins Gewicht.“
Inszenatorisch gehört „Beckenrand Sheriff“ zwar nicht unbedingt ins Kino. Die Bildsprache (Kamera: Torsten Breuer) ist in erster Linie einfach nur zweckdienlich und verzichtet auf jedwede visuelle Sperenzchen, während Komponist Andrej Melita („Es ist zu deinem Besten“) nicht gerade die subversivsten Töne anschlägt. Kurzum: „Beckenrand Sheriff“ könnte mindestens genauso gut im Öffentlich Rechtlichen Fernsehen laufen. Doch seien wir einmal ehrlich: Eigentlich ist es in diesem Jahr völlig egal, welcher Film sein Publikum in die Kinos lockt, solange er es überhaupt tut. Und nach dem verregnete Sommer 2021 sorgen Marcus H. Rosenmüller und seine Crew eben auf diesem Wege für eine kleine Prise Sommervergnügen.
Fazit: Marcus H. Rosenmüller ist mit „Beckenrand Sheriff“ eine sympathisch-beschwingte Komödie über den Subkosmos Freibad gelungen, die mit charismatischen Figuren, Humor und Sensibilität im Umgang mit der Flüchtlingsthematik punktet, mit einigen arg überhasteten Storywendungen allerdings auch irritiert.
„Beckenrand Sheriff“ ist ab dem 9. September 2021 in den deutschen Kinos zu sehen.