Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers

Der Pferdefilm hat Hochsaison. Doch noch lange vor seiner durch „Ostwind“ und Co. eingeläuteten Renaissance begeisterten die Abenteuer von Dick, Dalli und ihren Ponys Millionen. Entstaubt und auf Leinwandformat präsentiert Regisseurin Sharon von Wietersheim nun neue Abenteuer auf dem IMMENHOF. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Endlich Sommer! Die Mädchen vom Immenhof freuen sich auf eine unbeschwerte Zeit. Es gibt nur einen Haken – der Immenhof ist pleite und die Mädchen stehen unter der Beobachtung des Jugendamtes, welches in regelmäßigen Abständen kontrolliert, ob sich die 23-jährige Charly (Laura Berlin) nach dem Tod des Vaters auch verantwortungsvoll um ihre minderjährigen Schwestern Lou (Leia Holtwick) und Emmie (Ella Päffgen) kümmert. Noch dazu haben die Mädchen immer wieder Ärger mit dem unfreundlichen Besitzer des Nachbargestüts, Jochen Mallinckroth (Heiner Lauterbach), und seiner arroganten Pferdetrainerin Runa (Valerie Huber). Die bekommt nämlich Cagliostro, den neuen Star unter den Rennpferden, nicht in den Griff und gibt Lou die Schuld daran. Lou sieht nur einen Ausweg: Sie lässt sich auf einen riskanten Deal mit Mallinckroth ein, bei dem sie nicht nur ihre geliebte Stute Holly, sondern auch den Immenhof aufs Spiel setzt. Werden die Schwestern ihr geliebtes Zuhause retten können? Und wem wird Lou ihr Herz schenken – dem coolen YouTuber Leon (Moritz Bäckerling), der auf ihrem Hof seine Sozialstunden ableisten muss, oder dem sensiblen Matz (Rafael Gareisen), den sie seit ihrer Kindheit kennt? Den Schwestern steht ein turbulenter Sommer mit schwerwiegenden Entscheidungen bevor…
Kritik
Das Familienfilm-Subgenre „Pferdeabenteuer“ wurde durch den großen Erfolg des ersten „Ostwind“-Films von Katja von Garnier 2013 quasi über Nacht aus der Direct-to-DVD-Ecke und dem Nachmittagsprogramm der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten zurück auf die große Leinwand katapultiert. Es folgten Realverfilmungen der „Bibi & Tina“-Reihe (die sich zugegebenermaßen in ihrem ganz eigenen Kosmos abspielen), der „Wendy“-Comics und die unkonventionell-ehrliche Rennsport-Romanze „Rock My Heart“, während „Ostwind“ nebenbei schon in wenigen Monaten in die vierte Runde gehen wird, nachdem auch der zweite und dritte Teil entsprechende Erfolge erzielten. „Auf der Suche nach dem G.“-Regisseurin Sharon von Wietersheim hätte sich also keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, um den Mitte der Fünfzigerjahre ins Leben gerufenen „Immenhof“-Filmen einen neuen, zeitgemäßen Anstrich zu verpassen. Ihr „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ ist Pferderomantik auf Augenhöhe mit ihrer Zielgruppe und einem modernen Flair, das zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt wirkt. Doch nicht immer geht diese Verjüngungskur gut. Vor allem die überdominante Verwendung schmissiger Radiobeats nimmt aus einigen Szenen das ansonsten so angenehm zeitlose Flair. Darüber hinaus sollten Pferdekenner bei einigen Details definitiv weghören, damit sich die Ereignisse weiterhin in einem glaubhaften Rahmen abspielen.
Hauptdarstellerin Leia Holtwick kommt ursprünglich aus der Modelwelt. Das merkt man: Die Newcomerin weiß, wie sie mit ihrem Körper umzugehen hat, um verschiedene Emotionen zum Ausdruck zu bringen, was ihr im Dialog (noch) nicht immer hundertprozentig gelingt. Das macht aber nichts, denn was in „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ vor allem funktioniert, ist die Interaktion zwischen Mensch und Pferd. Kleine und schon etwas größere LiebhaberInnen der edlen Vierbeiner kommen hier also voll auf ihre Kosten, denn hier stehen tatsächlich die Pferde im Mittelpunkt, die in so gut wie jeder Szene eine tragende Rolle spielen. Auch der Konflikt als solches bezieht sich selbstverständlich auf die noblen Rösser, während typische Teenieprobleme wie ein spannungsgeladenes Liebesdreieck oder die Angst vor dem Jugendamt klar untergeordnete Rollen spielen. Doch damit eine glaubhafte Atmosphäre entsteht, ist gerade bei einem Film wie „Immenhof“ ganz entscheidend, wie ansteckend das Reiterhoffeeling ist. Und hier stimmt einfach alles: Sharon von Wietersheim liefert die Blaupause des Pferde-Mädchen-Films. Damit mag sie Kenner des Genres zwar ein wenig langweilen, doch gerade bei Produktionen, die sich bevorzugt an eine jüngere Zielgruppe richten, muss auch immer bedacht werden, dass „Immenhof“ möglicherweise der aller erste Film dieser Couleur ist, den das junge Publikum zu sehen bekommt. Und zum Einstieg in die Welt des behuften Leinwandabenteuers gab es in der Vergangenheit schon deutlich leidenschaftslosere Produktionen als der zu jeder Sekunde sehr professionell inszenierte „Immenhof“.
Die sehr (!) hochwertige Kameraarbeit von Friede Clausz („Zwei im falschen Film“) und das professionelle Sounddesign verhelfen „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ zu Leinwandausmaße, während das Skript, von Sharon von Wietersheim selbst verfasst, eben vorwiegend Stationen abhandelt, die man aus dem Genre ohnehin gewohnt ist. Zwischen zwei benachbarten Reiterhöfen – der Immenhof urig, das Reitsportzentrum Malinckroth top-modern – gibt es Streit, ein traumatisiertes Pferd muss wieder Vertrauen zum Menschen fassen und das Jugendamt muss sich vergewissern, dass die Geschwister nach dem Tod ihres Vaters allein zurechtkommen. Das ist alles durchaus vorhersehbar, aber die Regisseurin inszeniert es mit einer Aufrichtigkeit, sodass es nicht verwundert, dass sie für Nebenrollen darstellerische Hochkaräter wie Heiner Lauterbach („Kalte Füße“) und Wotan Wilke Möhring („25 km/h“) für sich gewinnen konnte, die „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ mit gewohnter Souveränität veredeln. Doch nicht nur das: Auch der insgesamt sehr junge Cast an Hauptdarstellerinnen und Hauptdarstellern überzeugt im Spiel, oder fungiert, wie etwa Leia Holtwick, einfach ganz hervorragend als Identifikationsfigur mit einem heranwachsenden Publikum. Als heimlicher Star erweist sich übrigens der gerade einmal 19 Jahre alte „Unter uns“-Star Moritz Bäckerling, der die eigentliche Klischeefigur des aus der Stadt kommenden YouTubers mit viel Elan und Herz verkörpert und bei dem es nicht wundern würde, wenn ihn Boulevardmedien demnächst als „deutschen Taron Egerton“ bezeichnen.
Leider krankt „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ an Kleinigkeiten, die den Film davor bewahren, zu den ganz großen seines ganz speziellen Genres aufzusteigen. Gerade an die „Bibi & Tina“-Filme und den schon vielfach gepriesenen „Rock my Heart“ kommt er nicht heran, was nicht nur an den aufdringlich (und scheinbar völlig willkürlich) platzierten Popsongs liegt, sondern an Dingen, die sich gerade im deutschen Kino häufiger ausmachen lassen, die jedoch auch bei mehrmaliger Wiederholung nie an Kuriosität verlieren werden. Weshalb YouTuber Leon explizit mit dieser Videoplattform in Verbindung gebracht wird und auch der Kurznachrichtendienst Twitter Erwähnung findet, auf dem Computerbildschirm dann allerdings lediglich Duplikate gezeigt wird (genauso wie die Suchmaschine „gogo“ anstatt „Google“ heißt), ändern am Verlauf der Geschichte natürlich nichts. Aber derartige Regieentscheidungen – und mögen sie einen noch so plausiblen Hintergrund haben – reißen einen wiederholt aus dem Geschehen. Dieselben Auswirkungen haben einige unübersehbare Anschlussfehler. Geht man noch tiefer in die Materie des Pferdesports, kommt man darüber hinaus zu dem Schluss, dass hier keine Fachleute am Werk gewesen sein können. Während die Hauptdarstellerinnen und Hauptdarsteller nämlich sehr routiniert mit den Pferden umgehen, hantiert die Autorin wild mit verschiedenen Ansätzen des Pferdesports und verkauft einem das kleine Einmaleins der Pferdeerziehung als nahezu außerweltliche Gabe. Aber zumindest an dieser Stelle können wir so weit damit konform gehen, dass das nun mal zu einer guten Portion Reiterhofromantik eben dazu gehört.
Fazit: „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ ist ein hochwertig produzierter Beitrag zum immer beliebter werdenden Genre des Pferde-Mädchen-Films, der mit seiner feinen Optik und vielen Pferden besticht und eine charmante, wenn auch wenig neue Geschichte zu erzählen hat.
„Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ ist ab dem 17. Januar bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.