Die Wunderübung

In der Kammerspiel-Komödie DIE WUNDERÜBUNG versucht sich ein zerstrittenes Ehepaar an einer Therapie und bringt dabei den Therapeuten zur Weißglut. Weshalb das aufgrund der vorhersehbaren Pointe weniger temporeich ist, als gedacht, das verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Die Liebe kann fast alles: Herzen brechen, Berge versetzen, Königreiche zerstören. Die ganz, ganz großen Sachen. Aber eines kann sie nicht: Den Graben überbrücken, der entsteht, wenn ein Paar sich, wie man so schön sagt, auseinandergelebt hat. Zwei Menschen, die einst zusammenkamen, weil sie sich blind verstanden und besser als alle anderen aufeinander ein- und verlassen konnten. Jetzt, viele Jahre und viele Erfahrungen später, sprechen sie eine völlig unterschiedliche Sprache. Joana (Aglaia Szyszkowitz) und Valentin (Devid Striesow) stehen auf den entgegengesetzten Seiten des erwähnten Grabens. Nach über einer Dekade Ehe kommunizieren sie zwar miteinander, aber nur noch gehässig und polemisch. Die gemeinsame Tochter zwingt sie zum Paartherapeuten. Dieser Therapeut (Erwin Steinhauer) hat mit den beiden seine helle Freude. „Du hörst mir nie zu!“ –„Wozu denn, du sagst ja immer das gleiche!“ „Du verstehst mich nicht!“ – „Dann sag halt mal etwas, was ein normaler Mensch kapiert!“ Joana und Valentin schenken einander nichts, aber sie bekommen es mit einem ebenbürtigen Gesprächspartner zu tun, der ihre unheile Welt mit viel Witz und Klugheit auf den Kopf stellt.
Kritik
In den vergangenen Jahren hat sich ein kleiner Trend hin zur minimalistischen Streit-Komödie entwickelt. Ganz oben auf der Originalitätsliste steht immer noch Roman Polanskis Theaterstückadaption „Der Gott des Gemetzels“. Mit ihm hat nicht bloß alles angefangen, der umstrittene Regisseur hat hier auch sämtliche Aspekte des energiegeladenen Kammerspiels perfektioniert. In gerade einmal 80 Minuten kocht er einen minimalen Konflikt zur Katastrophe hoch und rundet die lautstarke Auseinandersetzung mit einer augenzwinkernden Pointe ab. Das haben im Nachhinein auch viele andere versucht. Mal ist es gelungen („Frau Müller muss weg“), mal nicht („Nur eine Stunde Ruhe“). Auch „Die Wunderübung“ von Daniel Glattauer feierte seine Premiere auf der Theaterbühne, für die diese ganz besondere Paartherapiesitzung ursprünglich konzipiert wurde. An den Nerven zerrt sie nicht – das hat sie dem französischen „Nur eine Stunde Ruhe“ also schon mal voraus. Doch so wirklich gelungen ist zumindest die Filmfassung des Stoffes auch nicht, denn wo sich aus dem Medium Film normalerweise ein Mehrwert ergeben soll, der auf einer Bühne nun mal nicht gegeben ist, ist Michael Kreihsls „Die Wunderübung“ – die zweite Filmadaption nach einer TV-Produktion aus dem Jahr 2015 – einfach nur abgefilmtes Theater – mit all seinen Vor- sowie Nachteilen und noch dazu bemerkenswert lahm.

Valentin (Devid Striesow) und Joana (Aglaia Szyszkowitz) sollen durch verschiedene Übungen lernen, wieder aufeinander zu achten.
Es gibt nicht umsonst verschiedene Ebenen, auf denen sich ein- und derselbe Stoff erzählen lässt. Daher werden Bücher, Theaterstücke und mittlerweile sogar Computerspiele gern als Vorlage genommen, um sie für die Leinwand oder das Fernsehen neu aufzubereiten. Das führt gerade bei Liebhabern des Originals gern zu Unmut, denn wer im Rahmen eines Buches bereits mit den Charakteren in Berührung kam und sie sich in seiner Fantasie ausgemalt hat, ist oft enttäuscht, wenn die Macher der Filmfassung ganz andere Ideen für ihre Helden parat haben. Für den Film zu „Die Wunderübung“ wurde teilweise sogar auf identische Schauspieler zurückgegriffen; die Österreicherin Aglaia Szyszkowitz („Sams im Glück“) spielte die Rolle der Ehefrau Joana bereits am Theater und legt ihren Theaterduktus auch für den Film nicht ab. Dem scheinen sich Devid Striesow („Simpel“) als Ehegatte und Erwin Steinhauer in der Rolle des Therapeuten („Das finstere Tal“) anzupassen. Mit großen Gesten und alles andere als subtiler Mimik, gepaart mit einer überdeutlichen Aussprache, die dafür sorgt, dass die Dialoge auch in der letzten Reihe eines Theaters noch klar und deutlich zu hören wären, lassen sich allen Beteiligten ihr Engagement und ihre Passion zwar nicht absprechen, doch eingefangen mit einer Kamera wirkt ihr Spiel einfach viel zu kalkuliert und bisweilen bemüht, um als authentisch durchzugehen.
Das Drehbuch von David Glattauer („Gut gegen Nordwind“) geizt nicht mit gepfefferten Dialogen. Die Ausgangslage für „Die Wunderübung“ könnte daher wesentlich schlechter sein. Und tatsächlich ist die Streit-Komödie immer dann richtig gut, wenn der Regisseur die Bissigkeit der Textvorlage besonders herausarbeitet. Wenn sich Valentin und Joana ankeifen und sich nach und nach all die Fehlschläge offenbaren, die sich die beiden ihrem Partner gegenüber in vielen Jahren Beziehung geliefert haben, wünscht man sich schon irgendwann, das Paar würde einfach getrennte Wege gehen – ein Gedanke, den auch der das Geschehen zumeist beobachtende Therapeut irgendwann ausspricht. Was man vermisst, ist allerdings das Alleinstellungsmerkmal: Dass sich zwei Ehegatten heftig streiten, ist im Kino nichts Besonderes. Da müssen schon die Gründe umso spektakulärer und die Inszenierung beeindruckender sein, um den Zuschauer von den Socken zu hauen. Leider ist der Grund für Valentins und Joanas Zank weitgehend beliebig. Sie ist verletzt von seinem Seitensprung, er ist genervt davon, dass sie zu viel redet und außer die Kinder scheint das Paar sowieso nichts gemeinsam zu haben. Originell ist das nicht, was sich von den Therapieansätzen des Therapeuten immerhin nicht sagen lässt. Wenn dieser, sukzessive immer mehr genervt von der Sturheit seiner Patienten, irgendwann immer hanebüchener anmutende Übungen auspackt, um die Streithähne wieder zusammenzubringen, ist das zeitweise wirklich saukomisch.
Ebenfalls durchaus charmant ist, dass der Therapeut nach rund der Hälfte der Laufzeit energisch „Pause!“ brüllt, um die beiden Streithähne zu beruhigen und eine kurze Unterbrechung einzufordern – schließlich muss Niemand die Theater-Wurzeln leugnen, die „Die Wunderübung“ nun mal besitzt. Schade ist allerdings, dass sich die Geschichte erzählerisch so erst recht in zwei Teile splitten lässt. Bis zum Break steigert sich das Ehepaar in eine dynamische Hysterie, die den Zuschauer zeitweise allein aufgrund der haarsträubenden Anschuldigungen beider Beteiligter zum Lachen bringt. Danach steht vor allem im Vordergrund, dass der Therapeut in der Pause mit einer Nachricht konfrontiert wurde, die sich nachhaltig auf die Therapiesitzung auswirkt. Das nimmt die Aufmerksamkeit von den Eheleuten und lenkt sie auf den Therapeuten, was per se erst einmal nicht schlimm wäre; leider ist die Pointe des Ganzen so eindeutig schon weit vor ihrer Auflösung zu erahnen, dass dem Film fortan jedwede Spannung abgeht. Schlussendlich wartet man nur auf die Bestätigung dessen, was man sich ohnehin die ganze Zeit denken kann. Und so richtig kreativ ist das alles auch nicht. So bleibt „Die Wunderübung“ in vielen guten Ansätzen stecken, die der Regisseur allerdings nie zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen kann. Manche Stoffe braucht man eben nicht zwingend auf mehreren Ebenen zu erzählen.
Fazit: Starke Dialoge bilden eine solide Grundlage für „Die Wunderübung“. Doch die Kammerspielkomödie schaut sich nicht nur wie abgefilmtes Theater, sie greift vor allem auf einen Twist zurück, dessen Pointe sich bereits nach der Hälfte der Laufzeit erahnen lässt und dem Film dadurch jedwede Spannung nimmt.
„Die Wunderübung“ ist ab dem 28. Juni in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.