Tanz ins Leben

In der britischen Wohlfühlkomödie TANZ INS LEBEN finden zwei entfremdete Schwestern über Umwege wieder zueinander. Das ist wenig kreativ aber immerhin sympathisch – auch dank eines großartigen Ensembles. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Lady Sandra Abbott (Imelda Staunton) ist nach 35 Ehejahren rundum zufrieden mit ihrem Leben. Ihr Mann Mike (John Sessions), der es als Polizeibeamter zu höchsten Ehren, zu einem Adelstitel gebracht hat, feiert seinen Ruhestand. Doch die Party auf dem Abbott-Landsitz endet mit einem Eklat. Sandra entdeckt, dass Mike, für den sie alles, auch ihre eigenen Träume, opferte, sie seit Jahren betrügt – mit ihrer besten Freundin. Geschockt verlässt sie ihn und zieht Hals über Kopf bei ihrer Schwester Bif (Celia Imrie) in London ein, mit der sie seit Jahren nur noch sporadisch Kontakt hatte. Doch die unkonventionelle, rebellische Bif zögert nicht lange und versucht, ihre steife, versnobte Schwester aufzumuntern. Und dazu gehört auch eine Tanzgruppe rüstiger Senioren, unter ihnen der sympathische Charlie (Timothy Spall), die zusammen ihre Freundschaft und das Leben feiern. Widerwillig lässt sich Sandra auf dieses große Abenteuer ein. Sie ahnt nicht, dass sie beim Tanzen nicht nur zu sich selbst, sondern auch neue romantische Hoffnung finden wird…
Kritik
Nach seiner spektakulären Adaption des William-Shakespeare-Stoffes „Richard III“ aus dem Jahr 1995 ist es um Regisseur Richard Loncraine ruhiger geworden. Für die von ihm konzipierte Episode „Day of Days“ in der HBO-Miniserie „Band of Brothers“ wurde er für mehrere TV-Preise, unter anderem den Primetime-Emmy, nominiert und ausgezeichnet. Anschließend folgte eine ganze Reihe an Produktionen aus der zweiten Reihe, die hierzulande teilweise nicht einmal ins Kino kamen. Mit „Wimbledon – Spiel, Satz und… Liebe“, „My One and Only – Auf der Suche nach Mr. Right“ und „Ruth & Alex – Verliebt in New York“ finden sich darunter vor allem seichte Romantic Comedies, deren seichte Filmtitel schon mal verschleiern, dass dahinter – wie etwa im Fall von „My One and Only“ – durchaus smarte Dialoge und eine geistreiche Inszenierung stecken. Nach drei Jahren Pause liefert Loncraine mit seiner hierzulande ein wenig unpassend „Tanz ins Leben“ betitelten Tragikomödie sein neuestes Projekt ab, in dem er eine ganze Reihe alteingesessener britischer Schauspiellegenden für ein modernes Großstadtmärchen der Generation 60 plus vereint. Das ist aufgrund des stimmigen Zusammenspiels meistens charmant. Darüber hinaus kann das Drehbuch nicht nur einige überragende Gags vorweisen, sondern ist in seinen besten Momenten auch wirklich rührend. Doch für mehr als „solide“ reicht es ist. Dafür ist „Tanz ins Leben“ einfach zu sehr, wie andere Filme dieser Couleur auch.
Wie es der Name schon ankündigt, geht es in „Tanz ins Leben“ tatsächlich auch ums Tanzen. Schließlich tanzen Bif und ihre Freunde regelmäßig in einer einem realen Vorbild nachempfundenen Seniorengruppe, die gemeinsam auf einen großen Auftritt bei einer Show im italienischen Rom hinarbeitet. Trotzdem trifft es der Originaltitel „Finding Your Feet“ ein wenig genauer, denn vor allem geht es in der Tragikomödie darum, wie die eine der anderen Schwestern wieder auf die Beine hilft und später, wie sich beide im Anbetracht eines schweren Schicksalsschlages gegenseitig stützen. Die gemeinsame Zeit in der Tanzgruppe spielt da eine untergeordnete Rolle, auch wenn Richard Loncraine den finalen Auftritt in einem gewaltigen römischen Theater bemüht als emotionalen Höhepunkt inszeniert. Doch so richtig zieht der nicht. Dafür widmen sich die Drehbuchautoren Meg Leonard und Nick Moorcroft („Urban Hymn“) den der Show vorausgehenden Trainingseinheiten einfach viel zu stiefmütterlich. Das Tanzen ließe sich durch jede x-beliebige Tätigkeit ersetzen oder sogar direkt ganz herausstreichen – wesentlich an dem Film etwas ändern, würde sich dadurch nichts; nicht zuletzt, da die Schauspieler ausgerechnet in den Tanzszenen zu wenig Elan zeigen, damit wenigstens die Begeisterung der Senioren für den Sport überspringen könnte. Andere Faktoren an „Tanz ins Leben“ funktionieren da eindeutig besser.
Immer dann, wenn „Finding Your Feet“ die Tragik der Umstände mit altbewährt-britischem Humor kombiniert, kann Richard Loncraine sein Publikum emotional vielfältig abholen. Wie selbstverständlich Bif noch in hohem Alter Männer datet und mit welcher Renitenz sich Sandra lange Zeit dagegen währt, ihre versnobte Einstellung aufzugeben und sich endlich für sich selbst und nicht länger für Prestige und ihr öffentliches Ansehen zu interessieren, veranschaulicht Loncraine mit herausragendem komödiantischem Timing. Da gibt Bifs abgeschleppter Lover kurz vor dem One-Night-Stand auch schon mal den Löffel ab – ziemlich makaber, aber so unerwartet, dass es zum Brüllen komisch ist. Auf der anderen Seite kippen die komischen Momente auch schon mal ins Alberne – etwa wenn der eigentlich vom Abschied von seiner demenzkranken Ehefrau noch ziemlich gebeutelte Charlie seinen geliebten Transporter in bester Slapstick-Manier von einem Abschleppwagen stibitzt. Derart grobschlächtiger Humor beißt sich mit den zum Teil durchaus emotionalen Szenen, denen die Macher nicht immer genügend Raum zur Entfaltung einräumen.

Ted (David Hayman), Bif, Jackie (Joanna Lumley), Sandra und Charlie bei einer Tanzaufführung in Rom.
An gleich mehreren Stellen, in denen gerade tragische Erlebnisse geschildert oder Krankheitsdiagnosen offenbart werden – die also potenziell ergreifend sein könnten – brechen Szenen plötzlich ab. Ganz so, als würde man dem Zuschauer die volle Dosis Gefühle dann lieber doch nicht zumuten wollen, schließlich soll ja letztlich alles auf ein entspanntes Happy End hinauslaufen. Mit Letzterem übertreiben es Richard Loncraine und sein Team dafür im Finale. Wenn sich Sandra endlich selbst gefunden hat, darf diese schließlich auch noch ihrer großen Liebe buchstäblich hinterherlaufen, ihr Angebeteter fährt mit einem Schiff durch einen endlosen, schwarzen Tunnel, an dessen Ende buchstäblich das helle Licht auf ihn wartet und zu allem Überfluss tönt durch die Lautsprecher Elkie Brooks vielsagender Evergreen „Running to the Future“. Der Regisseur hat Glück, sich in „Tanz ins Leben“ auf ein so starkes Ensemble verlassen zu können. Derart plakative Momente, von denen es in seinem Film gleich eine ganze Reihe gibt, können nur wirklich starke und routinierte Darsteller noch irgendwie retten. Celia Imrie („A Cure for Wellness“), Imelda Staunton („Maleficent – Die dunkle Fee“) und Timothy Spall („The Party“), dessen Handlungsstrang rund um ihn und seine demenzkranke Frau leider ziemlich vernachlässigt wird, gehören dazu.
Fazit: „Tanz ins Leben“ ist eine solide Tragikomödie für die Generation 60 plus, was vor allem den starken Darstellern zu verdanken ist. Durch sie sind viele komische Momente wirklich lustig und ein Teil der eher grobschlächtig-kitschig inszenierten Szenen rührt trotzdem.
„Tanz ins Leben“ ist ab dem 31. Mai in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.