The Circle

Auf Basis des gleichnamigen Bestsellers entspinnt Regisseur James Ponsoldt in THE CIRCLE eine befremdliche Zukunftsvision über ein soziales Netzwerk, das seine Macht missbraucht. Mehr über den in den USA so krachend gefloppten Film erfahrt Ihr in meiner Kritik.

Der Plot

Die 24-jährige Mae Holland (Emma Watson) ist überglücklich. Sie hat einen Job in der angesagtesten Firma der Welt ergattert: beim „Circle“, einem Internetkonzern, der alle Kunden mit einer einzigen Internetidentität ausstattet, über die alles abgewickelt werden kann. Mae stürzt sich voller Begeisterung in die schöne neue Welt mit ihren lichtdurchfluteten Büros und High-Class-Restaurants, Gratis-Konzerten und coolen Partys. Während sie innerhalb der Firma immer weiter aufsteigt, wird sie vom charismatischen Firmengründer Eamon Bailey (Tom Hanks) ermutigt, an einem für den „Circle“ bahnbrechenden Experiment teilzunehmen. Die Teilnahme an dem Experiment und ihre Entscheidungen zugunsten des „Circles“ beeinflussen zunehmend das Leben und die Zukunft ihrer Freunde und Familie. Und dann ist da auch noch ihr mysteriöser Kollege Kalden (John Boyega)…

Kritik

Wo es Leute gibt, die die digitale Vernetzung der Welt als das Non-plus-Ultra der millennialen Erfindungen feiern, gibt es auch immer solche, die sich mit aller Macht dagegen stemmen. Filme wie der beispielhafte Episodenthriller „Disconnect“ oder Jason Reitmans „#Zeitgeist“ sowie allen voran die weltweit gefeierte, hierzulande auf Netflix zu sehende TV-Serie „Black Mirror“ haben bereits vielfach vorgeführt, dass im World Wide Web auch dunkle Ecken lauern; das geht mal mehr, mal weniger subtil. Doch der in den USA krachend gefloppte „The Circle“, der auf nichts Geringerem als einem Weltbestseller basiert, setzt dem Versuch, der smartphonegestörten Gesellschaft die Augen zu öffnen, nun eine Krone aus Plakativität und Einseitigkeit auf, denn hinter dem titelgebendem Circle, einer Art Facebook, das noch viel mehr kann, als menschliche Daten zu sammeln, steckt so etwas wie ein Anschauungsobjekt für all das, was falsch laufen kann, wenn man ein paar Mal zu oft auf den falschen Online-Button klickt. Darauf mag man anspringen, wenn man sich irgendwo zwischen zwölf und zwanzig befindet und vielleicht durch die stylische Onlinegame-Orgie „Nerve“ Blut geleckt hat. Doch wo sich die knallige Popverfilmung ihrer Absurdität jederzeit bewusst war, scheinen die in „The Circle“ ebenso banal wie konstruiert abgehandelten Themen jeden für blöd zu verkaufen, der auch nur einen Hauch Sachverstand und Kenntnis der Materie besitzt. Und für eine augenzwinkernde Satire bemüht sich „The Circle“ – anders als das Buch es war – leider viel zu sehr um Ernsthaftigkeit.

Mae (Emma Watson) trifft Kalden (John Boyega) auf einer Party.

Mit Tom Hanks („Sully“) und Emma Watson („Die Schöne und das Biest“) fährt Regisseur James Ponsoldt („The Spectacular Now“) zwei Großkaliber Hollywoods auf. Vor allem Hanks mimt den ebenso charismatischen wie fanatischen Hybriden aus Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und Apple-Pionier Steve Jobs mit herausragender Passion; wenn er seinen Jüngern neueste Überwachungstechnik so vorführt, als hätte er gerade ein Mittel gegen Krebs entdeckt, dann hängt man auch als Zuschauer unweigerlich an den Lippen des rhetorisch gewandten Geschäftsmannes, aus dessen Mund die vielen fragwürdigen Entdeckungen, wie etwa ein weltweites Überwachungssystem, so klingen, als würde die Welt ohne solche Spielereien in Zukunft gar nicht mehr funktionieren. Auch Emma Watson gefällt in der Rolle der ehrgeizigen Mae, die von Anfang an ein ungeheures Engagement an den Tag legt und der man zu jedem Zeitpunkt abnimmt, unbedingt in diesem Konzern arbeiten zu wollen. Das nur rudimentäre Hintergrundwissen über ihren persönlichen Background reicht aus, um ihr Bedürfnis nach einem neuen Job zu erkennen. Dass Mae sich daher besonders anstrengt und zunächst auch einige ungewöhnliche Anforderungen ihres neuen Auftraggebers in Kauf nimmt, erscheint im Rahmen des Filmkonzepts nur plausibel. Letztlich ist das angesichts des schönen Scheins auch kein Wunder: Das große Anwesen (gedreht wurde hauptsächlich am Art Center College of Design  in Pasadena, USA) bietet für so ziemlich jedes Bedürfnis den passenden Freizeitausgleich, besticht durch weitläufiges Gelände, große helle Räume und kostenlose Verpflegung – sogar Privatkonzerte von Weltstars finden regelmäßig statt. Wer würde sich von solchen Arbeitsbedingungen nicht um den Finger wickeln lassen, zumal sie im Anbetracht von Konzernen wie Google nicht einmal allzu weit hergeholt sind!?

Wie schnell die bei aller Faszination doch so tough und smart gezeichnete Mae schließlich in den Bann der sektenähnlichen Gemeinschaft rutscht, entspricht dann aber doch schon eher der Art von Argumentation, mit der Gegner Ballerspiel-Gamern einreden wollen, das Abknallen von Pixeln in Menschengestalt mache sie unweigerlich zu Amokläufern: Wer pausenlos vor dem Bildschirm sitzt, verliert irgendwann den Bezug zur Realität und ist sogar bereit, sich selbst und sein vertrautes Umfeld zu verraten. „The Circle“ fühlt sich mit der Zeit immer mehr so an, als wohne man als Zuschauer hier einem Gehirnwäsche-Versuch bei, hinter dem das Ziel steckt, nach der Vorstellung unbedingt sein Surf- und Postingverhalten zu überdenken. Funktionieren kann das so allerdings nicht: Wenngleich sich Emma Watson sichtbar Mühe gibt, ihrer Mae so viel glaubhaftes Profil wie möglich zu verleihen, gerät die 180-Grad-Wendung von der klugen, mitdenkenden Frau hin zum duckmäuserischen und sich voll und ganz der Gemeinschaft unterwerfenden Circle-Mitglied alles andere als glaubhaft. Symptomatisch für die bisweilen hanebüchenen Entscheidungen der Mittzwanzigerin ist ein Besuch in der Circle-eigenen Arztpraxis, in welcher Mae dazu angehalten wird, ein Getränk zu sich zu nehmen, welches sich später als Ortungssender entpuppen wird; obwohl Mae gerade erst dem Circle beigetreten ist und zuvor noch einige unangenehme Fragen über die Abläufe innerhalb ihres Arbeitgebers gestellt hat, hinterfragt sie die Methodik der Doktorin zu keinem Zeitpunkt und nimmt ohne zu fragen das Getränk zu sich. Man kommt nicht umher, Mae schon früh ein „Selbst Schuld!“ zuzurufen. Eine Feststellung, die es im Buch übrigens zu keinem Zeitpunkt gab.

Zwischen Steve Jobs und Mark Zuckerberg: Tom Hanks alias Bailey

Abgesehen von dem nicht bloß offenen sondern vielmehr unentschlossenen Ende, das sich in Ablauf und Aussage erschreckend von dem Finale des Romans abgrenzt, gestaltet sich „The Circle“ trotz der sehr plakativen Handlungsverläufe kurzweilig und sogar amüsant. Dabei changiert Regisseur Ponsoldt zwar permanent unbeholfen zwischen ernst gemeintem Drama, lässt sogar später einige (versucht hintersinnige) Thriller-Elemente anklingen und versucht immer wieder, die Szenerie auf eine satirische Spitze zu treiben, doch auch wenn einzelne Szenen für sich funktionieren, ergibt sich letztlich vielmehr ein Brei aus allen möglichen Zutaten, der den Film an einigen Stellen zusätzlich ausfransen lässt. Der Subplot um Maes liebenswürdigen Ex-Freund und Nachbarn Mercer („Boyhood“-Star Ellar Coltrane) dient einzig und allein dazu, einige besonders reißerische Momente im Film zu platzieren, während aus John Boyegas („Star Wars: Das Erwachen der Macht“) Figur bis zuletzt ein Geheimnis gemacht wird, hinter das man aber sofort kommt, wenn man ein wenig mehr mitdenkt, als es Mae tut. Doch so wenig „The Circle“ als seriöses Statement auf die digitale Vernetzung sowie die Gefahren dahinter funktioniert, lässt sich dem bis zuletzt skizzenhaft erscheinenden Film nicht absprechen, gerade aufgrund seiner Plakativität gewisse Reize zu besitzen. Geht man als Zuschauer auf eine Distanz, aus der James Ponsoldts Vorschlaghammer einen nicht mehr erreicht, lässt sich mit den Figuren ordentlich mitfiebern; nicht zuletzt, weil Tom Hanks‘ Bailey einfach so schön schmierig ist.

Fazit: Man kann an „The Circle“ jede Menge Spaß haben, nur muss man dazu leider völlig ausblenden, wie ernst James Ponsoldt und sein Ensemble die haarsträubenden Ereignisse nehmen. Die Online-Dystopie ist zu brav für eine Satire, zu hanebüchen für ein glaubhaftes Drama und setzt lieber auf plakative Haudrauf-Symbolik, als sich ernsthaft mit dem Thema weltweite Vernetzung auseinanderzusetzen. Tom Hanks‘ Jobs-Zuckerberg-Hybrid ist dennoch faszinierend.

„The Circle“ ist ab dem 7. September bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

2 Kommentare

  • Ich bin echt schon gespannt auf den Film. Egal, wie die Kritiken ausfallen werden, ich werde den Film auf jeden Fall anschauen. Das Thema interessiert mich und Emma Watson und Tom Hanks sind immer ein guter Grund ins Kino zu gehen.

  • Die Kritikpunkte am Film entsprechen im Großen und Ganzen denen, die ich am Buch hatte. Die positive Meinung zum Roman kann ich leider nicht teilen, von daher überrascht mich nicht, dass die filmische Umsetzung ebenfalls nicht überzeugen kann.

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