Noah

Darren Aronofsky gehört zu den Visionären Hollywoods. Nun hat sich der Macher von Meisterwerken wie „Requiem for a Dream“ und „Black Swan“ an seinen ersten Blockbuster gewagt. In NOAH verarbeitet er die biblische Geschichte um die berühmte Arche Noah und vergisst im Rausch des Bombasts seine Wurzeln. Weshalb der Streifen nicht das erhoffte Großereignis ist, verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Die Erde ist dem Untergang geweiht – verurteilt zur Zerstörung durch eine gigantische Sintflut. Nur einer ist von Gott auserwählt, das Unmögliche zu schaffen und alles irdische Leben vor der Apokalypse zu retten. Er ist dabei erhaben über Naturgewalt, menschliche Verschwörungen und Hoffnungslosigkeit. Sein Name: Noah! Doch das Ende der Welt ist für Noah (Russell Crowe), seine Frau Naameh (Jennifer Connelly), seine Söhne Ham (Logan Lerman) und Shem (Douglas Booth) sowie ihre Freundin Ila (Emma Watson) erst der Anfang eines epischen Abenteuers auf der Suche nach einem Zeichen am Horizont, das neues Leben verspricht.

Kritik

Als 1998 die in kontrastreichem Schwarz-weiß gehaltene David-Lynch-Hommage „Pi“ erschien, schlug der bis dato unbekannte Kunstfilmer Darren Aronofsky in Hollywood ein wie eine Bombe. Zwei Jahre später schuf der Visionär mit „Requiem for a Dream“ einen nach wie vor unerreichten Beitrag zum modernen Drogenfilm, eh er nach sechsjähriger Schaffenspause Urheber des philosophischen Meisterwerks „The Fountain“ wurde. Mit dem 2008 erschienen und mit insgesamt 29 internationalen Filmpreisen ausgezeichneten „The Wrestler“ mauserte sich Aronofsky vom Geheimtipp zum Schwergewicht in der Filmbranche, eh ihm sein bis dato letztes Werk, das melancholische Psychodrama „Black Swan“ vor allem dank einer beeindruckenden Leistung von Hauptdarstellerin Natalie Portman die Tore der internationalen Multiplex-Kinos öffnete. Mit Hang zum Perfektionismus und voller Liebe zu seinen Figuren kreiert Aronofsky stets abgründige Welten abseits oberflächlicher Hollywood-Heiterkeit. Trotz eher übersichtlicher Produktionsbudgets sind die Besetzungslisten seiner Filme durchweg ein Schaulaufen der obersten Schauspiel-Liga. So schien es also nur eine Frage der Zeit, bis sich der 1969 in Brooklyn geborene Filmemacher erstmals an größere Projekte wagt. Nach einer Absage an Marvel, dessen Superhelden Wolverine Aronofsky vergangenes Jahr erneut zum Leben erwecken wollte, legte Paramount Pictures das 160 Millionen US Dollar teure Projekt „Noah“ in die Hände des Regisseurs – und  wies einem der letzten großen Film-Visionäre heutiger Zeit den Weg in die Mittelmäßigkeit.

Noah wird von Visionen geplagt, die seine Familie beunruhigen.

Halbwegs bibelfesten Zuschauern wird das Grundgerüst von „Noah“ bereits vorab bekannt sein. Umso schwieriger gestaltet sich für sämtliche Verantwortliche das Unterfangen, eine ebenso spannende wie moderne Umsetzung des Stoffes zu inszenieren. Immerhin sollte das Publikum trotz des Wissensvorsprungs gegenüber der auf der Leinwand agierenden Personen durchgehend unterhalten werden. Gerade die Geschichte um Noah, dessen Familie und den Bau der Arche bietet hierfür eigentlich ein gutes Grundgerüst; haben doch vor allem der Einzug der Tiere sowie die gigantische Flut das Potenzial für Leinwandbilder von epischen Ausmaßen. Tatsächlich sind es nahezu ausschließlich diese beiden Szenarien, in denen Kameramann Matthew Libatique („Black Swan“) die Art visuell betörender Bilder einfängt, die man von den Werken Aronofskys gewohnt ist. Auch die psychedelisch angehauchten Visionen Noahs sowie das optische Spiel mit den Naturgewalten sind großartig und entfalten bisweilen gar eine spirituelle Kraft. Die raue Kulisse Islands, in welcher Setdesigner Mark Friedberg einen originalgetreuen Nachbau der Arche errichtete, entpuppt sich rasch als der eigentliche Star des Films, der nicht selten dem ungewohnt lustlos anmutenden Cast die Show stiehlt.

Jennifer Connelly ist schon länger ein Teil des Aronofsky-Kosmos. In „Requiem for a Dream“ triumphierte sie aufgrund ihrer beklemmend realistischen Verkörperung einer Drogenabhängigen. Zuletzt sah man sie in der nur mäßig erfolgreichen Romanadaption von „Winter’s Tale“. In „Noah“ wirkt Connelly seltsam fehl am Platz. Ihre allzu eindimensional gezeichnete Figur von Nameeh, Noahs Frau, agiert hölzern und Ihr Zusammenspiel mit Russell Crowe („Les Misérables“) wirkt starr und leblos. Crowe als titelgebender Protagonist mutiert zum dauergefrusteten Bibel-Superhelden, den Gewissensbisse plagen. Leider reißt Aronofsky die interessantesten Facetten seiner Hauptfigur nur oberflächlich an. Die Zweifel an der Prophezeiung und die Austragung innerfamiliärer Konflikte bleiben entweder unerwähnt oder sind lediglich kurze Versuche, in den dahinplätschernden, bedeutungsschwangeren Dialogen einige wenige Momente der Anspannung zu generieren. Oscar-Gewinner Anthony Hopkins („Das Schweigen der Lämmer“) gibt sich nur die Ehre einer Nebenrolle, versprüht in den kurzen Momenten seines Auftauchens jedoch mehr Würde als Russell Crowes Noah über die gesamte Laufzeit. Als eigentlicher Star erweist sich schließlich die durch „Harry Potter“ bekannt gewordene Emma Watson. Auch wenn es die Charakterisierung ihrer Figur nicht zulässt, dass Watson all ihre schauspielerischen Trümpfe ausspielt, ist sie vor allem in den tragischen Momenten stark. Eine Geburtsszene, in welcher Watson Zwillinge gebärt, wird zum emotionalen Höhepunkt von „Noah“ und lässt das Publikum auf sehr intensive Weise an dem kaputten Gefühlsleben aller auf dem Boot befindlicher Personen teilhaben. Nicht umsonst beschreibt Emma Watson das Skript in einem Interview als „shakespearean“ – in einigen, wenigen Momenten hat „Noah“ tatsächlich derartige Drama-Qualitäten.

Doch ausgerechnet ebenjenes Drehbuch ist es, das „Noah“ zu Darren Aronofskys bislang schwächstem, vor allem aber belanglosestem Werk macht. Auch wenn manch fanatische Christen, die den Streifen nach ersten Testvorführungen teilweise als „lachhaft“ oder gar „abstoßend“ bezeichneten, sicher anders über Aronofskys Schaffen denken mögen, ist „Noah“ nicht von der Kraft, erst recht aber nicht von dem Wiedererkennungswert, den sich Kritiker und Cineasten vorab erhofften. Nach einem nicht nur visuell, sondern auch inszenatorisch raffinierten Prolog, der die wichtigsten Stationen menschlicher Sünde zeigt, wird das Publikum Zeuge des Noah’schen Familienlebens. Nach einigen optisch ansprechend gestalteten Visionen befindet sich der Zuschauer bereits mitten in der Bauphase der Arche. Dieser Zeitsprung steht stellvertretend für das unausgeglichene Tempo und den fehlenden Rhythmus. Denn bereits einen dramatischen Dialog und eine im Stile moderner „Herr der Ringe“- und „Game of Thrones“-Schlachten gehaltenen Action-Sequenzen später bricht bereits die große Flut über das Schiff herein. Die in diesen Szenen entstehende Dynamik wird jedoch jäh von der zweiten Filmhälfte ausgebremst, wenn von nun an das Zusammenleben auf dem Schiff und zwischenmenschliche Konflikte im Mittelpunkt stehen, die sich aufgrund der einem fern bleibenden Figuren jedoch unangenehm zäh ziehen. So wird nicht die Tatsache zum Problem, dass sich Aronofsky nie recht entscheiden mag, ob er sich nun stur an der Bibel orientiert, oder mancherorts ein mutiges Statement setzt, sondern eine ganz andere Frage: Wo hat der sonst nie um einen inszenatorischen Kniff verlegene Darren Aronofsky bloß seine Kreativität gelassen? Abseits der zwei großen Plansequenzen, die jeweils zu den aufwändigsten CGI-Szenen der Filmgeschichte gehören, gibt „Noah“ außer in drögem Grau-in-grau gehaltene Schlachten und semi-dramatische Dialoge mit pseudo-philosophischem Ansatz nicht viel mehr her.

Produktionsdesigner Mark Friedberg baute ein lebensechtes Modell der Arche in die Wildnis Islands.

Was bleibt also von „Noah“, dem ersten Blockbuster eines einstigen Charakterfilmers? Abgesehen von einigen visuellen Spielereien, in welchen sich Darren Aronofsky überdeutlich an seine „The Fountain“-Wurzeln erinnert, ist „Noah“ ein beliebiges Actionspektakel, basierend auf biblischem Stoff. Während die Effektemacher ganze Arbeit leisten und Emma Watson eine beeindruckend-intensive Leistung abliefert, bleiben einem die familiären Entwicklungen seltsam fern. Ohne einen fortwährenden Rhythmus zu wahren, zeigt „Noah“ was passiert, wenn ein überambitionierter aber unbeholfener Regisseur auf ein großes Budget trifft. Sogar Aronofskys Stamm-Komponist Clint Mansell („Only God Forgives“) scheint von so viel Bombast überfordert: Aus vibrierend-hypnotischen Klängen à la „Requiem for a Dream“ wird ein Orchester-Einheitsbrei.

„Noah“ ist ab dem 3. April bundesweit in den Kinos zu sehen – auch in 3D!

Erschienen bei Deadline-Magazin.de

Erschienen bei IOFP.de

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