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Das startet am 20. August 2020

Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von WESSELS‘ WEEKLY, unserer wöchentlichen Vorschau auf die anstehenden Filmstarts. Heute geht es um die Startwoche vom 20. August, in dem man das erste Mal seit Langem von einem ausgewogenen Programm sprechen kann. Allerdings sind die Filme auf eine gute Mundpropaganda angewiesen, denn Filme wie „Tesla“, „Die obskuren Geschichten eines Zeitreisenden“ und die „Schlingensief“-Doku dürften sonst kaum von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Dabei hat es sich lange nicht mehr so gelohnt, ins Kino zu gehen!

Wenn Ihr mehr zu den einzelnen Filmen wissen wollt, klickt einfach auf’s Plakat und entdeckt dort entweder die Kritik oder den dazugehörigen Trailer. Bei Produktionen, die ich vorab nicht sichten konnte, liefere ich Euch auch diesmal wieder eine Zusammenfassung der Handlung. Und wer lieber daheim bleibt, für den habe ich natürlich auch einen hübschen Heimkinotipp parat. Ich wünsche Euch viel Freude mit dieser neuen Ausgabe und natürlich viel Spaß im Kino!

DIE OBSKUREN GESCHICHTEN EINES ZUGREISENDEN | Regie: Aritz Moreno | ESP/FR 2019

Verlegerin Helga Pato (Pilar Castro) wird während einer Zugfahrt von ihrem Sitznachbarn angesprochen, dem Psychiater Ángel Sanagustin (Luis Tosar). Er will ihr die Zugfahrt angenehmer gestalten und beginnt daher, ihr seine Lebensgeschichte zu erzählen. Wobei: Er schweift bald ab und erzählt stattdessen von seinem ungewöhnlichsten Fall. So entfaltet sich die Geschichte eines Patienten, der Soldat war: Im Krieg begegnete er einer Ärztin, die ein Kinderkrankenhaus unter den widrigsten Umständen erhalten möchte und dabei auf eine zwielichtige Gestalt stößt, die Verstörendes erblickt. Doch diese Geschichte nimmt ebenfalls unerwartete Umwege. Stück für Stück zieht der Psychiater die Verlegerin in immer tiefere Schichten seiner Erzählung hinein. Mit großen Folgen für beide, denn nach den Geschichten wird nichts mehr so sein, wie es war…

„Die obskuren Geschichten eines Zugreisenden“ ist makaber-amüsantes, smart-verschachteltes Genrekino aus Spanien, das erlebt werden will. Am Ende muss man sich erst einmal erholen. Und sich eingestehen, dass es so einen Film wie diesen hier kein zweites Mal gibt.

TESLA | Regie: Michael Almereyda  | USA 2020

Nikola Tesla als Balancier zwischen Visionär und Träumer – Michael Almereyda kreiert mit „Tesla“ einen Film über den Wissenschaftler, an dem man sich aufgrund seiner auffälligen Stilistik reiben kann, der aber definitiv Lust darauf macht, sich mit der Persona Tesla auseinanderzusetzen.


KOPFPLATZEN | Regie: Savaş Ceviz | DE 2019

Markus (Max Riemelt) ist 29, Single und als Architekt beruflich angekommen. Doch er hat ein wohlgehütetes Geheimnis: Niemand in seiner Familie und seinem Arbeitsumfeld weiß, dass er pädosexuell ist. Körper von kleinen Jungs erregen ihn. Er hasst sich dafür und kämpft jeden Tag gegen sein Verlangen an. Als die alleinerziehende Mutter Jessica (Isabell Gerschke) mit ihrem achtjährigen Sohn Arthur (Oskar Netzel) in die Nachbarswohnung einzieht, verliebt sie sich in den hilfsbereiten Markus. Der kleine Arthur mag es, wenn Markus auf ihn aufpasst, und sieht in ihm eine Vaterfigur. Doch Markus ahnt, dass er sein Verlangen auf Dauer nicht unter Kontrolle haben wird. Er kämpft darum, den lauter werdenden Rufen in seinem Kopf zu widerstehen.

„Kopfplatzen“ ist ein zermürbendes Drama über Pädophile, ihre Zwänge, ihre Versuche, sich in die Gesellschaft zu integrieren und den damit einhergehenden Teufelskreis aus Verantwortungsbewusstsein, Scheitern und Resignation. Vor allem Max Riemelt gibt den potenziellen Tätern, die alles unternehmen, um keine zu werden, ein Gesicht. Doch Regisseur Savaş Ceviz blickt mit dem Film der Wahrheit entgegen, sodass sein Film keine Antworten, sondern höchstens Anreize liefert. Das muss man erstmal verdauen.


SCHLINGENSIEF – IN DAS SCHWEIGEN HINEINSCHREIEN | Regie: Bettina Böhler  | DE 2020

Über zwei Jahrzehnte hat Regisseur Christoph Schlingensief den kulturellen und politischen Diskurs in Deutschland mitgeprägt. Die renommierte Filmeditorin Bettina Böhler („Die innere Sicherheit“, „Hannah Arendt“) unternimmt erstmals den Versuch, den Ausnahmekünstler Schlingensief, der 2010 im Alter von nur 49 Jahren starb, in seiner gesamten Bandbreite zu dokumentieren. Das intensive Porträt durchlebt die ganze Entwicklung Schlingensiefs vom quasi pubertierenden Filmemacher im Kunst-Blutrausch über den Bühnenrevoluzzer von Berlin und Bayreuth bis hin zum Bestsellerautor, der kurz vor seinem Tod die Einladung erhält, den Deutschen Pavillon in Venedig zu gestalten. All das deckt Böhler in ihrem Film ab, der seine umjubelte Premiere Anfang des Jahres auf der Berlinale feierte und nun regulär ins Kino kommt.

Auch wenn der Teil rund um Schlingensiefs Bühnenpersona deutlich mehr Raum einnimmt als sein etwas interessanter Lebensabschnitt als Filmstar und Konzeptkünstler, bringt einem Bettina Böhler die Persona Schlingensief auf zwei Ebenen nah: als Mensch und als Provokateur.


FOLLOW ME | Regie: Will Wernick  | USA 2020

Der arg von sich selbst überzeugte Social-Media-Star Cole (Keegan Allen) filmt für seinen erfolgreichen Vlog alles, was er erlebt. Seit zehn Jahren liefert er seinen Followern ständig neuen, spannenden Content und schreckt dabei vor keiner noch so extremen Challenge zurück. Irgendwie muss man die Fans ja zufriedenstellen. Zum Jubiläum seines Kanals reist er mit seiner Freundin Erin (Holland Roden) und ein paar Freunden nach Moskau, um dort an einem mysteriösen Spiel teilzunehmen: Ein berüchtigter, hyperrealistischer Escape-Room soll die Gruppe an ihre psychischen und physischen Grenzen bringen. Doch was als morbides Spiel beginnt, wird bald zum Kampf ums nackte Überleben – den Millionen Fans im Livestream mitverfolgen…

Will Wernick hat mit seiner Mischung aus Teenhorror und Folterporno etwas gewagt und nicht alles verloren – im Anbetracht seines wüsten Mixes verschiedener Horrorfilmströmungen ist das vermutlich mehr, als man erwarten durfte.


THE CLIMB | Regie: Michael Angelo Covino  | USA 2019

Zwei Männer mühen sich auf einer französischen Landstraße auf ihren Fahrrädern den Berg hinauf. Der athletische Mike gibt das Tempo vor, sein Freund Kyle keucht hinterher. Sie unterhalten sich, genießen die Landschaft. Kyle ist seinem Kumpel dankbar, dass er ihn zu diesem Trip überredet hat. Nicht zuletzt, weil er sich – so meint er zumindest – noch für seine bevorstehende Hochzeit mit Ava in Form bringen kann. Dann, kurz vor dem Gipfel, platzt es aus Mike heraus: „Ich habe mit Ava geschlafen!“ Kyle ist geschockt. Am Boden zerstört. Wie konnte Mike ihm das nur antun? Die Auseinandersetzung eskaliert. Bis die Streithähne von einem Autofahrer überholt und geschnitten werden. Mike rastet aus. Es kommt zu einem handfesten Streit– Endstation Krankenhaus. Mike wird untersucht und verbunden. Er hat keine ernsthaften Verletzungen davongetragen. Doch ob hier ist ihre Freundschaft eine andere…


Heimkinotipp: ENKEL FÜR ANFÄNGER | Regie: Wolfgang Groos  | DE 2020

Karin (Maren Kroymann), Gerhard (Heiner Lauterbach) und Philippa (Barbara Sukowa) haben nicht nur ihr Rentenalter gemein, sondern auch die die Angst vor der Langeweile im Alltag. Die quirlige Philippa hat dagegen vorgesorgt und kümmert sich als Paten-Oma regelmäßig um betreuungsbedürftige Kinder aus der Nachbarschaft. Etwas, was für Karen und insbesondere Gerhard eigentlich gar nicht infrage kommt. Doch manchmal kommt es eben ganz anders und so findet sich Karin schon bald als Betreuerin zweier aufgeweckter Patchwork-Geschwister wieder, die mit dem unsteten Umfeld ihrer Familie heillos überfordert sind. Und auch der verhärmte Witwer Gerhard erkennt in einem kleinen russischen Jungen zunächst sich selbst wieder und entdeckt später die Freude daran, wie es ist, auch im hohen Alter noch mal Verantwortung zu übernehmen und neue Freundschaften zu schließen. Doch damit fangen die Probleme erst an…

Auch wenn es natürlich ein Risiko ist, sich bereits Ende 2019 auf so ein Urteil festzulegen, so darf doch sehr stark daran gezweifelt werden, dass es 2020 eine bessere deutsche Komödie ins Kino schaffen wird als Wolfgang Groos‘ „Enkel für Anfänger“. Dieser Film gehört mit der ganzen Familie genossen!

Sag nicht, wer du bist!

Kanadisches Kino hat hierzulande eine relativ kleine Lobby. Filme aus Übersee, Frankreich oder die aus eigenen Landen machen den Großteil der jährlich in die Kinos kommenden Filme aus. Xavier Dolans betörende Charakterstudie SAG NICHT, WER DU BIST!, die international auch unter dem Titel „Tom at the Farm“ bekannt ist, startet hierzulande zwar nur in ausgewählten Kinos, ist jedoch gerade für Cineasten einen Gang ins Filmtheater wert.   Weiterlesen

Die Haut, in der ich wohne

Üblicherweise gelten die Filme des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar als melodramatische Meisterwerke, die mit kuriosen, unerwarteten Wendungen auftrumpfen und gleichzeitig ein Gefühl der beunruhigenden Unbekümmertheit ausstrahlen. Oftmals fällt die Wahl der Protagonisten auf Randfiguren der Gesellschaft, mit denen sich zu beschäftigen sonst kaum ein Filmemacher für angebracht hält. Vielleicht sogar deshalb, weil sich kaum einer traut. Somit sind Almodóvars Filme, zu denen unter anderem auf Zelluloid gebannte Absurditäten-Kabinette wie „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ (1988) und „Zerrissene Umarmungen“ (2009) gehören, mehr Liebhaberstücke denn massentaugliche Publikumsmagneten. Sie zielen weniger auf das Gefallen der Allgemeinheit ab, sondern versuchen vielmehr, Nischenbedürfnisse zufriedenzustellen. So ist auch sein neuster Film eine Ansammlung an obskuren Thematiken, die – alle in einem Film verpackt – ein hohes Maß an Konzentration erfordern und voraussetzen, dass der Zuschauer sich allem öffnet, was ihn erwarten mag.

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Black Swan

Ballettfilme sind nichts Neues. Grazile Damen, die sich elegant zu klassischer Musik von Tschaikowski bewegen, perfekt geschminkt und einen Hauch von nichts tragend. Nahezu nichts erinnert an die bösen Seiten im Menschen; ein Ballett, ja, es soll den Zuschauer für ein paar Stunden alles vergessen lassen, ihn in eine andere Welt entführen. Darren Aronofsky („Requiem for a Dream“, „The Wrestler“) wirft in seiner sechsten Regiearbeit BLACK SWAN sämtliche Ballett-Assoziationen über Bord und entführt das Publikum  hinter die Kulissen dieses edlen Bühnentanzes in eine Welt, voller Neid, Missgunst und Aufopferung. Wie er das tut, lest Ihr in der ersten Kritik meiner Kategorie „Prädikat: besonders wertvoll“.

Der Plot

Die Ballerina Nina Sayers (Natalie Portman) ist eine der Nachwuchshoffnungen des New Yorker Ballettensembles, das in der kommenden Saison den Klassiker „Schwanensee“ aufführen möchte. Geplant ist eine Doppelrolle, in welcher die Hauptfigur einerseits den zierlichen, reinen, weißen Schwan, andererseits den leidenschaftlichen schwarzen Schwan tanzen muss. Letzteres stellt für Nina ein großes Problem dar. Zwar beherrscht sie die Rolle des weißen Schwans perfekt, für den schwarzen Schwan mangelt es der unter strenger Hand erzogenen Tänzerin allerdings an dem notwendigen Ausdrucksvermögen. Als sie eines Tages ihren Choreographen um die Hauptrolle bittet und ihn bei einem Kuss in die Lippe beißt, sieht dieser etwas Dunkles in Nina aufschimmern, sodass sie die Rolle tatsächlich bekommt. Von nun an trainiert sie wie eine Verbissene und nach und nach kommt ihre dunkle Seite zum Vorschein. Was optimal für ihre Rolle ist, nimmt allerdings auch nach und nach Einzug in Ninas Alltag. Sie beginnt, zu halluzinieren und als die schöne Tänzerin Lily (Mila Kunis) zum Ensemble hinzustößt, findet Nina in ihr eine direkte Konkurrentin. Lily scheint wie das dunkle Gegenstück zu Nina: sie ist leidenschaftlich, losgelöst und frei. Genauso, wie Nina für die Rolle des schwarzen Schwans sein muss. Langsam entwickelt sie Paranoia – will Lily ihr die Rolle ihres Lebens wegnehmen? Ein diffuser Albtraum beginnt.

Kritik

Zunächst einmal gehört „Black Swan“ zu einer bedrohten Art unter den aktuellen Filmtrends. Es handelt sich bei dem dunklen Psychothriller weder um ein Remake, noch um ein Pre- oder Sequel. Die Story ist neu und ohne wirklich jeden erdenklichen Film der Filmgeschichte gesehen zu haben, wage ich zu behaupten: bahnbrechend neu. Allein dieser Umstand ist so erwähnenswert, dass die ersten Zeilen meiner Kritik damit beginnen. Aronowsky hat tatsächlich etwas völlig Neues geschaffen. Bravo!

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Nina (Natalie Portman) weiß nicht, wie ihr geschieht.

Kommen wir zunächst einmal zur Besetzung von „Black Swan“. Allen voran steht selbstverständlich Natalie Portman, die hier – so hieß es bei vielen Kritikern – vermutlich die Rolle ihres Lebens spielt. Dementsprechend dominant fällt ihr Erscheinen auf dem offiziellen Kinoplakat aus. Ihr edles Antlitz unter einer zentimeterdicken Puderschicht, ihr ernster strenger Blick den Betrachter musternd. Doch ihre Maskerade bröckelt. Genauso, wie es ihre Psyche im Film tut. Verkörpert sie zunächst die Prima-Ballerina in rosa, die tanzt, wohlbehütet bei ihrer Mutter aufwächst und außer des Balletttanzes keiner anderen Freizeitbeschäftigung nachgeht, sowie das Verlangen nach körperlicher Liebe unterdrückt, so beginnt der Charakterwandel ab dem Moment, wo sich bereits paranoische Züge abzeichnen. Das kleine Mädchen in der großen Stadt, für das jeder Schatten eine potentielle Bedrohung ist: es ist so zerbrechlich, dass es gar nicht anders kann, als sich zu fürchten. Je länger diese Furcht anhält, umso ausgemergelter wirkt ihr Erscheinungsbild. Hierzu passt das sich unterbewusste Kratzen an der Schulter. Je größer die anscheinende Bedrohung, desto größer wird die Wunde, welche sich schließlich als erste ansatzweise Verwandlung in den dunklen Schwan entpuppt. Natalie Portman verschmilzt im wahrsten Sinne des Wortes mit ihrer Rolle. Ihren krönenden Abschluss findet diese Schmelze in der furiosen finalen Tanzaufführung, die das optische Highlight des gesamten Filmes bietet, zu welcher ich aber später noch ausführlicher kommen werde.

Neben Natalie Portman spielt Mila Kunis („Ted“) alias Lily die zentrale Rolle neben Portman. Sie ist fulminant besetzt, stellt sie doch in jeder Hinsicht das exakte Gegenteil zu Nina dar. Sie ist kräftiger und stärker, wirkt losgelöster in sämtlicher Hinsicht (und sei es nur die, dass Nina einen streng nach hinten gekämmten Zopf, Lily hingegen die Haare offen trägt) und während Nina wie ein scheues Reh allen Menschen gegenüber steht, empfängt Lily jeden mit offenen Armen.  Ihre Gestiken und Mimiken wirken weniger kontrolliert und allein ihr Lächeln wirkt weniger verkrampft, als das von Nina. Trotz dieser Gegensätze ist die Spannung, allen voran die körperliche zwischen Lily und Nina von der ersten Sekunde an allgegenwärtig. Die Schüchternheit von Nina  wird aufgefangen von Lilys Offenheit. Zusammen ergibt dies eine Beziehung der beiden Frauen zueinander, bei welcher der Zuschauer ein unangenehmes Gefühl verspürt, da eine Einordnung schwerfällt. Natalie Portman und Mila Kunis funktionieren als sich abstoßende Gegenpole hervorragend, dementsprechend löst die Anziehung der beiden Unwohlsein aus. Eine interessante Mischung sowie eine interessante Drehbuchidee.

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Thomas (Vincent Cassel) ermutigt Nina zu Höchstleistungen.

Eine ebenso wichtige, wie im Handlungsverlauf zentrale Rolle spielt Barbara Hershey, alias Erica Sayers, selbst zu Jugendzeiten Ballerina und strenge Mutter der Protagonistin. Ihr Auftreten ist düster, ihre Miene finster. Ihre Art der Interaktion mit Nina macht sofort deutlich: die Positionen sind klar verteilt. Obwohl längst erwachsen hat Erica weiterhin stets die Hand über sämtliche Aktivitäten ihrer Tochter, welche sich ihrer Rolle bewusst ist, allerdings in ihrer anfänglichen Schwäche nicht in der Lage zu sein scheint, an ihrer Position etwas zu ändern. Die Rolle der Nina wirkt dadurch nur noch zerbrechlicher. Selbige Auswirkungen hat die Rolle des Choreographen Thomas Leroy, gespielt von Vincent Cassel. Durch sein markantes Erscheinungsbild und einem Aussehen, eher weniger dem Schönheitsideal entsprechend, lässt er sich durch sein trotzdem starkes, äußerst selbstbewusstes Auftreten schwer einordnen. Er ist ein Mann, dem die Herzen der Tänzerinnen zufliegen – der Grund dafür ist schwer zu erschließen. Als schließlich auch Nina ihm verfällt, setzt sie dieser Tatsache unweigerlich die Krone auf. Alles in allem ist allein das Konstrukt der Darsteller und das jeweilige Verhältnis ihrer Rolle zueinander eine äußerst interessante Ansammlung ebenso interessanter Charaktere, die sich hervorragend in ihrer Rolle entfalten können und von der Charakterfarbe in die Filmstimmung passen

Kommen wir nun zur Story und damit der Basis von „Black Swan“. Von der ersten Minute an ist dem Zuschauer bewusst: der typisch märchenhafte Balletttraum in rosa wird einem mit diesem Psychothriller nicht geboten. Von Anfang an dominiert die Szenerie eine dunkle Farbgebung. Lediglich die Kostüme der Tänzerinnen sowie deren blasse Häute sorgen halbwegs für Farbtupfer, die, obwohl das Bild auflockernd, nahezu fehl am Platz wirken. Die geschmeidigen Bewegungen der Ballerinen stehen im krassen Kontext zur düsteren Atmosphäre des Settings, wodurch auch hier der Effekt der zerbrechlichen Mädchen in einem noch nie in der Form gezeigten knallharten Gewerbes entsteht.  Die Geschichte beginnt langsam in einem relativ gezügelten Erzähltempo. Der Zuschauer beobachtet sämtliche Verhaltensmuster von Nina und schafft es so nach kurzer Zeit, ohne viel von Nina gehört oder kennengelernt zu haben, sich von ihr ein Bild zu machen – eben das von der zerbrechlichen Ballerina. Neben den Szenen im Spiegelsaal, gehören auch die Bereiche ihrer Wohnung und damit das Zusammenspiel mit Ninas Mutter dazu, sowie einige wenige Szenen von Hin- und Rückfahrt zur

Trainingsstunde bzw. nachhause. Durch wenige Ansichten aus der direkten Frontperspektive sondern die Konzentration der Filmemacher auf Sichtweisen aus weiterer Entfernung, über die Schulter und aus Positionen, wie sie auch anwesenden Personen vergönnt sein könnte (Bsp. Balustrade im Spiegelsaal, Sitzplatz hinter Nina im Zug etc.) wird der Zuschauer zum Beobachter und findet sich somit direkt im Film wieder. Zwar ist es ihm nicht vergönnt, ins Handlungsgeschehen einzugreifen, dennoch wird eine Nähe zur Handlung aufgebaut, die man so in der Form nicht unbedingt in anderen Filmen findet. Doch gerade durch diese Position als Beobachter schafft der Zuschauer, eine besondere Position gegenüber Nina zu beziehen. Sei es nun, dass man sich wünscht, Nina helfen zu können oder dass man ihr mehr  Selbstbewusstsein vermitteln möchte. Emotional ungerührt vorbei wird die Rolle der Nina an einemnicht gehen.

Nina ist der schwarze Schwan.

Nach einem eher langsamen Einstieg nimmt die Handlung noch im ersten Drittel von „Black Swan“ merklich an Fahrt auf. Die Schnitte werden schneller, das Tempo der Kamerafahrten zieht an. Auch die von Clint Mansell („Requiem for a Dream“, „Moon“) geschaffene, filmgerecht neu arrangierte Interpretation von Tschaikowskys „Schwanensee“ wirkt je nach aktueller Szenerie zunächst noch elegant untermalend, schließlich aber immer öfter bedrohlich und Böses ankündigend. Die gewaltigen Orchesterklänge wirken teilweise durchaus angsteinflößend, überladen die Bilder jedoch nie und stellen die durchgehend beachtenswerte Bildsprache nie in den Hintergrund und findet ihre Höhepunkte in den perfekt ausgearbeiteten Choreographien des „Schwanensee“-Balletts. Ob nun ein Double von Natalie Portman für die Ausführung selbiger zuständig war, vermag ich nicht zu beurteilen. Letztlich ist es auch Unsinn, dies zu tun. Wer auch immer den Abschluss-Tanz in „Black Swan“ getanzt hat, hat es hervorragend gemacht!

 Abschließend sei zu sagen, dass „Black Swan“ in sämtlicher Hinsicht ein phänomenales Meisterwerk ist, das viel Raum für Interpretationen offen lässt, welchen ich mich jetzt nicht weiter gewidmet habe. Die Machart des Films ist brillant, die Aussage hinter der Story sollte jeder für sich selbst finden.  Auf alle Fälle ist dieser Film ein absolutes Muss für alle Cineasten. Mehrmaliges Anschauen nicht ausgeschlossen!

Dread

Selten nahm ich mir nach der Sichtung eines Filmes fest vor, diesen nie wieder anzurühren. Na gut, bei einigen wirklich schlechten Streifen fällt es einem nicht schwer, das zu tun, allerdings muss man sich dies dann kaum vornehmen. Doch sich aus Respekt vor einer Story und deren filmischen Umsetzung konsequent einen Film nicht mehr anzusehen: das schaffte bislang nur ein Film – der äußerst Angst einflößende, allerdings brillante Horrorfilm DREAD. Lest im Folgenden, warum ich ihn nur mit Einschränkung empfehle, gleichzeitig aber denke, dass sich dieses Stückchen Filmgeschichte jeder, der auch nur ansatzweise etwas mit Horrorfilmen anfangen kann, ansehen sollte, da er sonst eine ganze Menge verpasst. Weiterlesen