Blood Red Sky

Bisher für Komödien bekannt, inszeniert „Bang Boom Bang“-Regisseur Peter Thorwarth mit BLOOD RED SKY seinen ersten Horror-Actionthriller für den Streamingdienst Netflix. Ob sein Genrewechsel gelungen ist, verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Nadja (Peri Baumeister) und ihr zehnjähriger Sohn Elias (Carl Koch) befinden sich an Bord eines Nachtflugs von Deutschland nach New York, wo Nadja medizinisch behandelt werden soll. Ausgerechnet auf diesem Flug befinden sich Terroristen, denen es gelingt, die Kontrolle über das Cockpit zu übernehmen. Die Menschen an Bord sind verunsichert, mutmaßen über die Motive – und stellen alsbald fest, dass die gewalttätigen Terroristen diabolischen Spaß daran haben, die Passagier:innen zu quälen. Doch die Angreifer haben nicht mit Nadja und ihrem Geheimnis gerechnet: Sie ist eine Vampirin entfesselt ihre ganze Macht, um die Terroristen auszuschalten …
Kritik
Es fällt nicht schwer, „Blood Red Sky“ innerlich anzufeuern, hat man sich erst einmal mit der Vorgeschichte befasst: Es ist ein deutscher Genrefilm mit einem stolzen Budget von rund zwölf Millionen Euro. So etwas ist eine Seltenheit, und alle, die der hiesigen Filmlandschaft (noch) mehr Abwechslung jenseits von Komödien, Familienfilmen und Historiendramen gönnen, kommen schwer umher „Blood Red Sky“ wenigstens ein Stück weit die Daumen zu drücken. Darüber hinaus handelt es sich hierbei um einen Film, bei dem sich der Regisseur aus seiner Komfortzone bewegt: Peter Thorwarth wurde durch Ruhrpott-Kult wie „Bang Boom Bang“ und „Was nicht passt, wird passend gemacht“ bekannt und bewegte sich auch mit seinen zwei jüngsten Filmen „Nicht mein Tag“ und „Der letzte Bulle“ nicht weit von seinen frühen Werken. Dass Thorwarth nun Neues wagt, verlangt Respekt. Und dann ist das zudem ein lang gehegtes Passionsprojekt: Wie Thorwarth im Podcast „Sträter Bender Streberg“ verriet, trug er die Grundidee über 15 Jahre mit sich und hatte eine Art inoffiziellen Wettkampf mit Dennis Gansel, der ebenfalls schon lange einen von Frauen angeführten Vampirfilm machen wollte. Zeitlich hat Gansel das Rennen klar für sich entschieden: Sein „Wir sind die Nacht“ feierte bereits 2010 Premiere. Reichweitentechnisch wird sich derweil Thorwarth die Schulter klopfen dürfen, denn „Wir sind die Nacht“ fiel damals mit 106.318 verkauften Eintrittskarten gehörig auf die Nase und ein nennenswerter, später Popularitätsschub ist ihm bisher verwehrt geblieben. Es wäre ein Schock, sollte der global auf Netflix ausgewertete „Blood Red Sky“ weniger Menschen erreichen als Gansels Film mit Karoline Herfurth und Nina Hoss.
Und qualitativ? Nun, wir hätten hier wohl kaum so ausführlich betont, dass man hofft, „Blood Red Sky“ würde so richtig überzeugen, wenn er so richtig überzeugen würde. Denn Peter Thorwarth und sein wiederholt mit ihm zusammenarbeitender Co-Autor Stefan Holtz sind zwar einzelne Versatzstücke gelungen, aber alles in allem holpert und poltert es bei „Blood Red Sky“ gehörig. Unter anderem, weil der von dem Robert-Rodriguez-Kulthit „From Dusk till Dawn“ inspirierte Genre-Clash nicht als solcher funktioniert. Stattdessen fühlt er sich wie die unrunde Zusammensetzung zweier halber Filme an: Ein übernatürliches Drama über eine Vampirmutter, die Probleme hat, ihr Menschenkind zu versorgen, und ein Flugzeug-Entführungsthriller mit Vampir-Twist. Ersterer Part schimmert zwar gelegentlich zwischen den leider sehr monoton inszenierten und daher schnell lästig und lahm werdenden Actionpassagen durch, kommt aber vornehmlich in den Rückblenden zur Geltung. Und die sind gleichzeitig störend und das Interessanteste am Film. Wenn Thorwarth wortkarg zeigt, wie sich die von Peri Baumeister gespielte Nadja um ihren Jungen kümmert und immer wieder aufgrund der übernatürlichen Diskrepanz zwischen ihnen verzweifelt, findet er eine wenig beackerte, daher erfrischende Perspektive auf das Vampir-Sujet. Und der sonst mehr von den Dialogwitzen seiner Filme lebende Regisseur beweist, dass es ihm gelingt, eine Szene allein auf Mimik und Gestus einer Darstellerin zu stützen. Da verzeiht man auch den etwas klobigen Übergebrauch von Blau-Grün-Grau-Filtern und den klischeehafte Einsatz von Weichzeichnern.
„‚Blood Red Sky‘ fühlt sich wie die unrunde Zusammensetzung zweier halber Filme an: Ein übernatürliches Drama über eine Vampirmutter, die Probleme hat, ihr Menschenkind zu versorgen, und ein Flugzeug-Entführungsthriller mit Vampir-Twist.“
Aber: Diese Rückblenden werden mit der Brechstange in die Action-Thriller-Handlung gehebelt und bremsen deren Erzähldynamik mit ihrer nicht gerade kurzen Laufzeit wiederholt aus. Vielleicht wäre eine chronologische Erzählweise reizvoller gewesen (selbst wenn der Film dann sein marketingtaugliches Gimmick „Vampire im Flugzeug!“ in die zweite Hälfte hätte verbannen müssen). So wäre das Publikum auch emotional mehr in die Mutter-Sohn-Beziehung involviert. Die gerät im Flugzeug arg ins Wanken, weil der Junge (non-verbal klasse, bei längeren Dialogpassagen etwas unbeholfen: Carl Anton Koch) von der Monsterform seiner Mutter verstört ist – selbst wenn sich ein gewisser Stolz auf ihren tatkräftigen Kampf gegen die Terroristen nicht verbergen lässt. Dies erst als großen Pay-off nach den intimeren Herausforderungen zu zeigen, die in „Blood Red Sky“ stattdessen häppchenweise in den Rückblenden vermittelt werden, würde zwar nicht von der schon erwähnten Monotonie der Actionszenen ablenken. Jedoch läge der Fokus stärker bei einer packend-ungewöhnlichen Figurendynamik, statt beim „’Air Force One‘, nur kämpft kein Präsident gegen die Terroristen, sondern eine Vampirin“-Gimmick, das Thorwarth derart verbissen anpackt, dass dessen Spaßfaktor und Reiz viel zu schnell verloren geht.
Immerhin: Hauptdarstellerin Peri Baumeister („Unsere Zeit ist jetzt“) vereint die sanft-fürsorgliche und die dämonisch-verbissene (und bissige) Seite ihrer Rolle überzeugend, selbst dann, wenn Thorwarth sie minutenlang nur keifen, schreien und Zähne fletschen lässt. Dass das „Nosferatu“-eske Make-up bei ihr gelungen ist, hilft bei dieser Transformation ebenfalls ungemein. Jedoch wird dadurch auch überdeutlich, wie viel schwächer die Schminkeffekte bei den Nebenfiguren sind – und die zählt noch zu den besseren Aspekten von „Blood Red Sky“, wenn man auf die Nebenfiguren blickt. Denn bei denen obsiegt sperriges Overacting, das jedoch frei von der spritzigen Popcornspektakel-Energie eines „Con Air“ oder „Air Force One“ ist, und daher nicht wirklich Spielfreude vermittelt, sondern eher nach „Ich versuche, die ganze Szene allein zu schultern, und überhebe mich dabei“ klingt. Allein Kais Setti sticht als medizinisch versierter Passagier Farid al Adwa, der Opfer von Vorurteilen wird und sich redlich um Elias‘ Sicherheit bemüht, sticht positiv hervor. Das sind zu wenig Pluspunkte, um die schleppenden, lähmenden Schattenseiten des Films aufzuwiegen. Leider. Und dennoch hoffen wir, dass Thorwarth sich noch einmal im Genrekino versucht. Was nicht beim ersten Mal passt, wird so lange versucht, bis Bang! Boom! Es an einem guten Tag passt.
„Hauptdarstellerin Peri Baumeister vereint die sanft-fürsorgliche und die dämonisch-verbissene (und bissige) Seite ihrer Rolle überzeugend, selbst dann, wenn Thorwarth sie minutenlang nur keifen, schreien und Zähne fletschen lässt.“
Fazit: „Blood Red Sky“ ist ein Horror-Actionthriller, in dem die Actionpassagen träge und monoton sind, und die ruhig-dramatischen Horror-Szenen ungelenk in die Thrillerstory geschoben werden. Das kann auch die wieder einmal sehenswerte Baumeister kaum aufwerten. Schade.
„Blood Red Sky“ ist ab sofort bei Netflix streambar.
Man kann sich ihn ansehen, muss man aber nicht. Nichts, was einem wirklich mitreisst.
Kleines Detail am Rande: Ich such noch das Flugzeug, wo dieser Laderaum zu sehen ist. Der zu sehende Flieger ist es zumindest nicht. 🙂