Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess

Die niederländische Kinder-Dramödie MEINE WUNDERBAR SELTSAME WOCHE MIT TESS erzählt von Sommer, Sonne, Freundschaft und Familie. Weshalb dabei ein wirklich guter Film herausgekommen ist, das verraten wir in unserer Kritik.

OT: My Extraordinary Summer with Tess (NED/DE 2019)

Der Plot

Sam (Sonny Coops Van Utteren) verbringt mit seiner Familie den Urlaub auf der niederländischen Insel Terschelling und direkt bricht sich sein älterer Bruder das Bein. Das ist zwar doof für ihn, aber gut für Sam. Denn das brüderliche Missgeschick führt dazu, dass Sam der eigensinnigen Tess (Josephine Arendsen) begegnet, einem wilden Jungspund. Ihre unbändige Energie zieht Sam direkt in den Bann, und ihre unverblümte Art, Sam direkt in all ihre Tätigkeiten einzubinden, sorgt zudem dafür, dass Sam seine eigenen Abenteuer im Urlaub erlebt, fernab seiner Eltern und seines Bruders. Daher ist Sam nun hin- und hergerissen. Eigentlich wollte er doch endlich das Alleinsein üben – so für den Fall der Fälle… Tess wiederum ist wie besessen davon, einem jungen Pärchen den perfekten Urlaub in einer strandnahen Ferienwohnung zu verschaffen ….

Kritik

Basierend auf dem gleichnamigen Kinderbuch von Anna Woltz („Gips oder Wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte“) aus dem Jahr 2013 erzählt „Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess“ ein etwas nachdenkliches, etwas amüsantes Ferienabenteuer zweier Kinder an der Schwelle zur Pubertät. Protagonist Sam macht sich ausgerechnet während des Sommerurlaubs große Gedanken über das Alleinsein. Er will sich abschotten, um zu üben, wie es ist, eines Tages ohne seine Familie zu leben. Diese Melancholie Sams wird aufgebrochen (und wenn sich ihre kleinen Unternehmungen nicht so abspielen, wie er wünscht, zuweilen auch verstärkt) durch seine Zufallsbekanntschaft Tess. Die Tochter einer alleinerziehenden Frau sprüht vor Energie, während Sam sich gerade im Grübeln und Verharren übt, und hat es sich zum Ziel gemacht, einem Urlauberpärchen den perfekten Sommer zu verschaffen. Und weil Sam im richtigen (oder falschen) Zeitpunkt in Tess‘ Greifweite war, wird er nun bei dieser Mission mitgeschleift.

Tess ((Sonny Coops Van Utteren)) ist wie besessen davon, einem jungen Pärchen den perfekten Urlaub zu verschaffen

So erlebt Sam teils große Freude wider Willen, schließlich hat es was für sich, als Bald-Pubertierender von einer sehr freundlichen, fast schon herumwirbelnden Zufallsbekanntschaft über ihre Heimatinsel gezerrt zu werden und sich in verschiedenste Unternehmungen zu stürzen. Teils grämt er sich aber über die somit versäumte Zeit des Alleinseins. Und andere Male ärgert er sich entgegen seines Vorhabens über das Alleinsein – wenn er mit Tess etwas ausgemacht hat, und sie nicht kommt. Oder wenn er Tess etwas vorschlagen will, sie aber nur Augen und Ohren für das Urlauberpärchen hat. Regisseur Steven Wouterlood fängt Sams Stimmungsschwankungen plausibel ein und, ganz wichtig, inszeniert sie nicht mit kindlicher Hibbeligkeit, sondern findet die ruhigen Momente zwischen den Ausschlägen in die eine oder die andere Richtung. Er lässt Hauptdarsteller Sonny Coops Van Utteren in Melancholie, naiver Vorfreude oder kindlich-überschlagender Zornesfantasien schmoren und gestaltet somit Sams Auf und Ab auch für Außenstehende nachvollziehbar und greifbar.

„Basierend auf dem gleichnamigen Kinderbuch von Anna Woltz aus dem Jahr 2013 erzählt „Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess“ ein etwas nachdenkliches, etwas amüsantes Ferienabenteuer zweier Kinder an der Schwelle zur Pubertät.“

Und Josephine Arendsen wird dabei sogar zum wahren Star des Films – ihre Tess ist nicht etwa, wie solch eine Storygrundlage befürchten lässt, das Objekt Sams unschuldiger Urlaubsschwärmerei und der wandelnde Motor seiner Charakterwandlung. Sie ist gleichberechtigte Hauptdarstellerin dieses Films: Ihre Quirligkeit und ihre plötzlichen, anfangs abrupt erscheinenden Tiefen werden rührend ergründet und sie wird durch Sams uniformierte Perspektive auf ihre Vorhaben ebenso geändert, wie Sam durch Tess‘ Unternehmungen wächst. Ihr Selbstbewusstsein und ihre teils naiv hoch gegriffenen Hoffnungen über Freundschafts- und Familienidylle zeigen dem eine blaue Sinnesperiode durchmachenden Sam auf, dass er sich öffnen muss. Seine Skepsis wiederum hilft Tess letztlich, nicht zu komplexe Wolkenschlösser zu bauen. Am Ende bleibt die Lektion: Familie können wir uns vielleicht nicht aussuchen, aber „Familie“ und „Familiarität“ können wir sehr wohl nach belieben definieren.

Für Sam (Sonny Coops Van Utteren) entwickeln sich die Ferien doch noch zu etwas Schönem…

Dass Steven Wouterlood und Drehbuchautorin Laura van Dijk aus der in der Buchvorlage frühlingshaften Geschichte ein Sommererlebnis macht, wird vor allem Filmfans und Familien nahe der niederländischen Grenze den Stoff noch zugänglicher machen, fängt „Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess“ doch das Flair kleiner Touristenorte unserer Nachbarn perfekt ein. Zudem nutzt er die gedämpften Sommerfarben der niederländischen Insel, um auch bildsprachlich dieses Aufeinandertreffen von Ferienfreude und Wehmut zu verdeutlichen, das die zentralen Figuren umtreibt. Dass die Nebenfiguren dagegen blasser und flacher geraten sind, sich der Plot etwas konstruiert aus Sackgassen befreit und sich manche Dialoge bei weniger Wohlwollen gegenüber den Filmschaffenden nicht beruhigend, sondern bieder auslegen lassen, trübt den Gesamteindruck nur ein wenig.

„Und Josephine Arendsen wird dabei sogar zum wahren Star des Films – ihre Tess ist nicht etwa, wie solch eine Storygrundlage befürchten lässt, das Objekt Sams unschuldiger Urlaubsschwärmerei und der wandelnde Motor seiner Charakterwandlung.“

Fazit: Ein Sommer voll gewollter Wehmut wird zu einem Sommer der Erfahrungen, Erkenntnisse und Erlebnisse – „Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess“ ist angenehmes Familienkino mit Herz und wenig Hektik.

„Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess“ ist ab dem 3. September in den deutschen Kinos zu sehen.

Und was sagst Du dazu?