White Boy Rick

Annähernd ein halbes Jahr nach der US-Premiere kommt Yann Demanges starbesetztes Drogendrama WHITE BOY RICK in die deutschen Kinos. Was diese Verfilmung wahrer Ereignisse bemerkenswert macht, verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Am unteren Rande der gesellschaftlichen Nahrungskette im Detroit der 80er-Jahre träumt Waffenhändler Richard Wershe Sr. (Matthew McConaughey) davon, eines Tages ins Geschäft der Zukunft zu investieren und eine Videothekenkette zu eröffnen. Sein Sohn Rick (Richie Merritt) hat einen ähnlichen Unternehmergeist und verkauft Gewehre und Schalldämpfer an örtliche Drogendealer. Irgendwann tritt das FBI an den Teenager heran und bietet ihm einen Deal an, ach was, drängt ihm geradezu einen Deal auf: Um seinen Vater, der teilweise illegale Waffendeals betreibt, aus rechtlichen Ärger herauszuboxen, soll er für das FBI als Undercover-Informant in der Drogenszene agieren. Zunächst ist Rick wenig von dieser Idee begeistert, nicht zuletzt, weil seine Schwester Dawn (Bel Powley) drogensüchtig ist, aber er lässt sich vom FBI breitschlagen …

Kritik

Wie nähert man sich der Welt des Drogenhandels, ohne wahlweise in moralinsaure Didaktik zu verfallen oder das Leben jenseits der Legalität zu verherrlichen? „White Boy Rick“ versucht, sich dieser Aufgabe durch eine Mischung aus Trostlosigkeit und Empathie zu nähern. Regisseur Yann Demange („Secret Diary of a Call Girl“) und die Drehbuchautoren Andy Weiss („Scrappers“) sowie Logan und Noah Miller („Sweetwater“) lassen keine Zweifel daran aufkommen, wie wenig das Dealerleben mit dem Glamour zu tun hat, den diverse Filme suggerieren. Die Farbästhetik ist kränklich-ausgeblichen, Szenen schreiten bewusst nur zäh voran und selbst große Fische im Drogendealer-Teich stellen sich entweder als Poser oder arme Würstchen (wie Eddie Marsan in einer gewitzten Nebenrollen) heraus, wenn sie nicht während eines raren Ausflugs in die Welt des Glanzes blutig geschlagen werden. Darüber hinaus ist das Produktionsdesign auf detailreiche Weise abgeranzt. Tapeten sehen so aus, als könnte man sie auswringen, Klamotten sind verquarzt und es schimmert eh alles in einem Kotzkackbraungrün, was Kameramann Tat Radcliffe („Pride“) mit seiner siffigen Lichtsetzung deutlich unterstreicht.

Richard Wershe Jr. (Matthew McConaughey) versucht, seinen Sohn (Richie Merritt) davon zu überzeugen, mit dem Dealen aufzuhören.

Dawn (prägnant: Bel Powley, „The Diary of a Teenage Girl“), die Schwester der Titelfigur, ist eine gescheiterte Existenz und zeigt somit auf, welches Leid Drogendealer mitverursachen, indem sie ihre Produkte in Umlauf bringen. Und selbst wenn Rick als vom FBI inspirierter Dealer sein Fach versteht, wird dies niemals narrativ oder inszenatorisch als beeindruckendes Schaffen markiert. Er kann das halt und es bringt ihm mehr Geld als die kleinen Betrügereien seines Vaters, damit hat sich die Sache schon. Und doch bringt „White Boy Rick“ Mitgefühl für seinen Protagonisten auf: Als ein Niemand, den kein soziales Netz auffängt und den der Staat sogar gezielt auf die schiefe Bahn bringt, der halt notgedrungen und mit leichter Apathie Geld über einen illegalen Weg heranschafft, den er wenigstens beherrscht, ist Rick kein boshafter Überzeugungstäter. Richie Merritts schluffige Darbietung verdeutlicht, wie wenig Rick aus Antrieb handelt, und dass es mehr aus Optionslosigkeit geschieht. Dass er mit dem von Matthew McConaughey („Dallas Buyers Club“) gleichermaßen proletenhaft wie unfähig-wohlmeinend gespielten Richard Sr. ein sehr schlechtes Vorbild hat, das trotzdem genug milde stimmende Qualitäten aufweist, um sich nicht von ihm zu distanzieren, ist ein weiteres Puzzlestück in diesem verzahnten Milieubild.

So entwickelt sich dieses Drama nach einem trägen, unfokussierten Einstieg nach und nach zu einem tonal kargen, aber in seiner Dichte an markanten Charakterzügen interessanten Porträt des Kleindealermilieus, das eine überzeugende Argumentationsschiene fährt, weshalb der Handel mit harten Drogen schlimm ist, in den USA jedoch auch völlig unverhältnismäßig bestraft wird.

Lil Man“ (Jonathan Majors), Cathy (Taylour Paige), „White Boy Rick“, „Boo“ (Rj Cyler) und „Big Man“ (YG).

Fazit: Nach einem schleppenden Anfang entwickelt sich „White Boy Rick“ zu einem charaktervollen Drama über wahre Begebenheiten und darüber, wie ein gewaltlos handelnder Junge auf die schiefe Bahn geriet.

„White Boy Rick“ ist ab dem 7. März 2019 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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