Embrace

91 Prozent aller Frauen weltweit hassen ihren Körper. Das ist eine Schande! Und weil das so ist, hat sich die australische Fotografin Taryn Brumfitt mit ihrem Dokumentarfilm EMBRACE auf eine Reise rund um den Erdball begeben, um sich ein umfassendes Bild weiblicher Schönheit zu machen. Mehr dazu in meiner Kritik.
Darum geht’s
Medien, Werbung und Gesellschaft geben ein Körperbild vor, nach dem wir uns selbst und andere immer wieder bewerten und verurteilen. Die australische Fotografin und dreifache Mutter Taryn Brumfitt wollte das nicht mehr hinnehmen. Sie postete ein ungewöhnliches Vorher/Nachher-Foto ihres fast nackten Körpers auf Facebook und löste damit einen Begeisterungssturm aus. Durch ihren Post, der über 100 Millionen Mal in den sozialen Netzwerken angesehen wurde, rückte sie das Thema Body Image in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Gleichzeitig befreite sie sich selbst von dem ungesunden Streben nach dem „perfekten“ Körper. Mit ihrem Dokumentarfilm möchte Brumfitt allen, die unter den vermeintlichen Schönheitsidealen leiden, einen Gegenentwurf vorstellen: Embrace!
Kritik
In einer Welt, in der Medien, Werbung und die Gesellschaft ein idealisiertes Bild davon abgeben, wie eine attraktive Frau von heute auszusehen hat, war es abzusehen, dass dabei das Wohlbefinden auf der Strecke bleibt. Serien wie „Germany’s Next Topmodel“ machen es schon den Jüngsten vor: Erfolg hat, wer gut aussieht. Und das bedeutet, dass man schlank sein muss, um einem Schönheitsideal zu entsprechen. Wohin diese Selbstgeißelung führt, zeigen aktuelle Studien: 91 Prozent aller Frauen weltweit – das sind mehr als neun von zehn (!) – hassen ihren Körper. Das beweist direkt eine der einprägsamsten Szenen innerhalb der Dokumentation „Embrace“, in welcher sich die Reporter mitsamt Regisseurin Taryn Brumfitt in Einkaufsmeilen rund um den Erdball begeben und Frauen vor Ort um ein Statement bitten. Sie sollen sagen, mit welchem Attribut sie ihren Körper beschreiben würden. Zufriedenheit sucht man da vergebens. Stattdessen hört man Worte wie „fett“, „klein“, „schwabbellig“, oder schlicht und ergreifend „nicht perfekt“. Die Australierin Taryn Brumfitt war es Leid, dass das Thema Body Shaming ihren Alltag als dreifache Mutter so sehr bestimmt. Sie postete ein aufsehenerregendes Vorher-Nachher-Foto im sozialen Netzwerk Instagram. Aufsehenerregend daher, weil es nicht das typische „vorher dick, nachher schlank“-Motiv abbildete, sondern ein „vorher schlank aber unglücklich, nachher weiblich und zufrieden“. Damit sorgte Brumfitt für viel Furrore – der Startschuss für ein leidenschaftliches Plädoyer für die Vielfältigkeit weiblicher Schönheit war abgegeben.
Um nach der Geburt ihres dritten Kindes möglichst schnell wieder Topmaße zu erreichen, verbrachte Taryn Brumfitt viele Stunden im Fitnessstudio – und verpasste es dadurch, wertvolle Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. Anhand dieser Prämisse zeigt sich direkt: „Embrace“ ist kein Plädoyer gegen optische Schönheit und wertet diese auch zu keinem Zeitpunkt herab. Stattdessen ist der Film vielmehr ein Appell daran, derartige Oberflächlichkeiten nicht über alles zu stellen. Schließlich wird sich auf dem Sterbebett Niemand mehr daran erinnern, dass er vielleicht nicht glücklich war, jedoch immerhin permanent in eine Size Zero gepasst hat (O-Ton Nora Tschirner, die den Film als Koproduzentin beaufsichtigt). Brumfitt selbst ist ihr Körper wichtig, konzentriert sich allerdings vor allem auf das Wohlbefinden. Die Ausdauersportlerin hat keine Traummaße, läuft aber Marathons und ist absolut fit. „Embrace“ propagiert die Aussage, dass das Schlank- und Schönsein nicht automatisch auf die Gesundheit schließen lässt. Jemand, der ein paar Kilo zu viel auf den Rippen hat, kann entsprechend gesünder sein, als Jemand am Rande des Untergewichts. Doch „Embrace“ ist keine medizinische Doku, im Gegenteil. Ein Großteil des Films lässt fachliches Detailwissen außen vor; nur vereinzelt werden Statistiken eingeblendet, um sich ein Bild davon zu machen, wie sehr sich vor allem Frauen über ihr Aussehen definieren.
Um die Message „Liebe deinen Körper, denn du hast nur einen!“ zu bebildern, reiste Taryn Brumfitt in verschiedene Länder und schildert die Schicksale zehn verschiedener Frauen, die zum Thema Schönheit eine ganz eigene Beziehung haben. Das Ziel: Die Mannigfaltigkeit in der Optik von Frauen als Segen anzuerkennen und daran zu erinnern, dass es nicht gesund sein kann, einem Ideal nachzujagen, das man nur mit Photoshop erreichen kann. Nicht jedem muss an dieser Stelle alles gefallen; „Embrace“ ist alles andere als der Versuch, Geschmack vorzugeben, geschweige denn gleich zu schalten. Stattdessen geht es um Akzeptanz gegenüber allem, was gesund ist, selbst wenn es nicht dem entspricht, was unsereins für ein „Schönheitsideal“ befindet. Auch darum, wer bestimmt, was für schön befunden wird und was nicht, soll es in „Embrace“ gehen, selbst wenn der Film hier ein klein wenig zu oberflächlich bleibt. In schnellen Bildmontagen führen uns die Macher vor, wie wir von Außenwelt und Medien mit visuellen Reizen von Körperlichkeit bombardiert werden, ohne dass Taryn Brumfitt hier näher ins Detail geht. Szenen wie diese, in welcher der Zuschauer Werbeanzeigen zu sehen bekommt, die kleine Mädchen in High Heels und knappen Kleidchen abbilden, haben bisweilen nicht mehr zu bieten als einen Schockeffekt. Gleichwohl bleibt festzuhalten: „Embrace“ befasst sich mit einem Thema, das Stoff für diverse weitere Filme böte. In erster Linie ist dieser hier ein Plädoyer für die Vielfalt weiblicher Schönheit. Statistiken und manches Fakten-Bombardement sorgen einfach für Kurzweil und Abwechslungsreichtum, könnten dafür mehr in die Tiefe gehen.

Regisseurin Taryn Brumfitt begleitete Schauspielerin und Koproduzentin Nora Tschirner zur einer Preisverleihung.
Taryn Brumfitt spricht auf ihrem Streifzug durch die Weiblichkeit mit Frauen, die durch verschiedene Umstände ein individuelles Körpergefühl entwickelt haben. Eine Frau mit üppigem Bartwuchs, die sich dazu entschlossen hat, sich so zu akzeptieren wie sie ist, schildert ebenso ihr Schicksal wie eine junge Sportlerin, die nach einem Feuer fast vollständig verbrannt wurde. Eine andere, als Model arbeitende Frau wiederum wurde nach einem Schlaganfall damit konfrontiert, ihre linke Gesichtshälfte nicht mehr spüren zu können, während Frauen aus sehr körperfixierten Branchen über ihr Los sprechen, sich und ihre Schönheit in aller Öffentlichkeit zu entblößen. Das so entstehende Kaleidoskop weiblicher Schönheit zeigt, wie unterschiedlich Frauen ihren Körper wahrnehmen und auch, wie dieser wiederum von außen wahrgenommen wird. Das macht aktiv Mut, definiert sich aber vor allem über die Selbstverständlichkeit, mit welcher die interviewten Frauen mit sich umgehen. Wenn eine an Magersucht leidende Jugendliche davon erzählt, wie sie in diese Krankheit hinein gerutscht ist und nun jeden Tag ihres Lebens die Entscheidung bereut, sich nur für ihren Körper zu interessieren, dann muss man hier nicht weiter ins Detail gehen, u auch wirklich das Optimum an Tragik aus dieser Situation herauszukitzeln. „Embrace“ ist ein klarer, aber nie belehrender Film. Er will aufmuntern und klagt, wenn überhaupt, nur diejenigen an, die meinen, über Schönheit und Perfektion entscheiden zu dürfen. Dem Ganzen wohnt dabei eine Kraft inne, die regelrecht ansteckend wird. Damit ist „Embrace“ ganz gewiss einer der wichtigsten, vor allem aber notwendigsten Filme des Jahres, von dem wir uns einerseits erhoffen, dass damit alles zum Thema gesagt ist und andererseits, dass es noch viele weitere seiner Art gibt, die betonen, das man schön ist, wie man ist.
Fazit: Der am 11. Mai einmalig in den Kinos ausgestrahlte Dokumentarfilm „Embrace“ ist ein leidenschaftliches Statement für die Vielfalt weiblicher Schönheit und unterfüttert interessante Einzelschicksale mit erschreckenden Statistiken darüber, wie Frauen ihren Körper wahrnehmen.
„Embrace“ ist am 11. Mai einmalig in den deutschen Kinos zu sehen und ab dem 18. Mai auf DVD erhältlich.