Der Hund begraben

Regisseur Sebastian Stern lässt Justus von Dohnányi in seiner pechschwarzen Komödie DER HUND BEGRABEN zum direkten Konkurrenten eines sympathischen Vierbeiners werden. Der beginnt nämlich nach und nach, seinen Platz an der Seite von Frau und Kind einzunehmen. Mehr dazu in meiner Kritik.
Der Plot
Familienvater Hans (Justus von Dohnányi) steckt in der Krise.Sein Arbeitsleben hat soeben ein abruptes Ende gefunden und seine Familie scheint ihn auch nicht mehr richtig zu beachten.Da steht auf einmal ein streunender Hund vor der Türe und begehrt Einlass in das Familienleben. Während Ehefrau Yvonne (Juliane Köhler) sich augenblicklich in das Tier verliebt, wird Hans im Angesicht des neuen „Rivalen“ mehr und mehr klar, wie sehr er selbst überflüssig ist. Als der Hund eines Tages verschwindet und ein merkwürdiger Fremder (Georg Friedrich) der Familie seine Hilfe anbietet, laufen für Hans die Dinge komplett aus dem Ruder…
Kritik
Die Redewendung „Da liegt der Hund begraben“ bezeichnet die Erkenntnis, dass die Ursache für ein Problem gefunden ist. Um was für eines es sich handelt, ist dabei ganz gleich. Und auch die Hauptfigur in Sebastian Sterns schwarzer Komödie „Der Hund begraben“ weiß zu Beginn der eineinhalbstündigen Leinwandodyssee noch gar nicht so wirklich, was in ihrem Leben eigentlich schief läuft. In der aller ersten Szene sehen wir den Ehemann und liebenden Vater Hans als Patient nach einer Untersuchung. Obwohl der Arzt ihm erläutert, dass dieser „gern so gesund wäre, wie er“, stellt sich für Hans nur eine Frage: „Und was ist dann mit mir los?“ „Der Hund begraben“ ist eine klassische Opfergeschichte. Die Hauptfigur durchläuft einen Fettnapf nach dem anderen. Auf den Verlust des Jobs folgt die Wegrationalisierung innerhalb der eigenen Familie, denn Ehefrau Yvonne hat mittlerweile einen ihr zugelaufenen Hund und Tochter Laura (Ricarda Zimmerer) hat mit fünfzehn Jahren das erste Mal einen festen Freund. So richtig zu brauchen scheint Hans in diesem Leben also keiner mehr, doch Autorenfilmer Sebastian Stern („Die Hummel“) holt in den folgenden 89 Minuten zur 180-Grad-Wende aus. In einer überstilisierten Welt voller Karikaturen lässt Stern seinen Hans langsam aber sicher wahnsinnig werden. Als die Situation schließlich eskaliert, erinnert „Der Hund begraben“ sogar an die besten Zeiten der Coen-Brüder.
„Der Hund begraben“ steht und fällt mit der Performance von Justus von Dohnányi („Desaster“). Dohnányis Figur ist zugleich auch die einzige, die in der Komödie halbwegs bodenständig agieren darf. Regisseur und Drehbuchautor Sebastian Stern legt seine Charaktere im Film nicht nur bewusst überspitzt an, sondern verpasst ihnen allesamt auch eine äußerst karikatureske Attitüde. Damit erinnert „Der Hund begraben“ bisweilen sogar an ein Theaterstück. Das Spiel sämtlicher Darsteller ist groß und ausladend – und damit so ganz anders, als man es aus Filmen eigentlich gewohnt ist. Trotzdem erkennt man den Sinn und Zweck dahinter, sodass von darstellerischem Unvermögen keine Rede sein kann. Die Schauspielerinnen und Schauspieler zelebrieren die Überzeichnung und unterstreichen so den satirischen Hintersinn. „Der Hund begraben“ ist nämlich nicht bloß eine Komödie, sondern auch die ziemlich drastische Bestandsaufnahme einer gutbürgerlichen Familie, die stellvertretend für das deutsche Spießbürgertum steht. Verläuft irgendetwas plötzlich nicht in den zuvor so routinierten Bahnen – im Falle von Hans ist das von heute auf morgen so ziemlich alles – wird direkt das ganze Leben infrage gestellt. Hans greift da auch schon mal zu drastischen Mitteln, um den Status Quo wiederherzustellen und verpasst so die Chance, durch die beiden Eindringlinge Hund und den mysteriösen Mike zu erkennen, dass Veränderung auch immer eine Chance auf Besserung bedeuten kann.
Hans steckt mitten in der Midlifecrisis, versucht sich mit dem Kauf eines Sportwagens, regelmäßigen Kneipenbesuchen oder dem Beiwohnen bei Lesungen von Lebenskünstlern und Motivationstrainern emotional wiederzubeleben. Als seine Frau plötzlich nur noch Augen für den Hund hat, scheinen seine Lebensgeister geweckt, denn plötzlich ist da ein Rivale im eigenen Haus und das Buhlen um die Aufmerksamkeit der zur Selbstverständlichkeit gewordenen Gattin wird von jetzt auf gleich wieder notwendig. So ganz ohne Klischees kommt Sebastian Stern bei der Zeichnung von Hans und seiner Familie nicht aus. Tochter Laura entspricht dem Stereotyp eines typischen, pubertierenden Teenagers, der sich mit Fragen nach einer gemeinsamen Übernachtung mit ihrem Freund herumschlagen muss, während die Eltern für eine derartige Situation typisch reagieren und den Liebsten ihrer Tochter auf einer Luftmatratze im Wohnzimmer schlafen lassen wollen. Die in ihrem Leben reichlich routiniert agierende Yvonne entdeckt durch den Hund ihre Lebensgeister neu, scheint aber mehr von der plötzlichen Änderung in ihrem festgefahrenen Alltag denn von dem Hund an sich fasziniert zu sein und Hans tut das, was man als Mann in seinem Alter eben tut, wenn man von Grund auf frustriert ist. Was „Der Hund begraben“ fehlt, sind neue Impulse in der Aufbereitung einer typisch deutschen Familie. Zugleich funktioniert eine satirisch ummantelte Komödie aber auch nur, indem man auf bekannte Muster zurückgreift, um sie wie hier anschließend – im wahrsten Sinne des Wortes – zu untergraben.

Hans (Justus von Dohnáyni) beoabachtet als „Zaungast“ wie Mike (Georg Friedrich) seiner Familie hilft.
Durch das Wiederkäuen von Bekanntem kann „Der Hund begraben“ das Niveau von Anfang und Schluss nicht durchgehend halten. Ausgerechnet in den charakterformenden, erzählerisch so wichtigen Phasen verlässt Stefan Stern seine zuvor eingeschlagenen, bissigen Pfade und besinnt sich auf jene einer standardisierten deutschen Komödie – wenn auch einer der besseren. Das Potenzial von „Der Hund begraben“ als deutsche Hommage an Filme wie „A Serious Man“ ist unübersehbar und gerade musikalisch meint man das sich stets über das Geschehen amüsierte Grinsen der Macher zu vernehmen. Doch um konsequent diesen Eindruck aufrecht zu erhalten, hätte es den Mut und Durchhaltewillen gebraucht, wie man ihn im absolut fiesen Finale wieder durchscheinen sieht. „Der Hund begraben“ ist trotzdem immer noch ein ziemlich faszinierendes und vor allem äußerst kreatives Comedy-Kleinod, das auch davon lebt, dass die Darsteller allesamt nicht zu den ganz bekannten Gesichtern gehören. Georg Friedrich („Wilde Maus“) buhlt verzweifelt um die Gunst des Publikums und wird je nach Zuschauer entweder mit Interesse oder vollkommener Skepsis belohnt werden. Juliane Köhler („Schoßgebete“) ist Identifikationsfigur und Hassobjekt in einem, das die Geduld des Publikums mitunter arg überstrapaziert und Ricarda Zimmerer („Clara und das Geheimnis der Bären“) möchte man ihr junges Glück ja schon irgendwie gönnen, doch Teenager können ja nun mal auch wirklich anstrengend sein.
Fazit: In ihren Hochphasen ist die bitterböse Familiensatire „Der Hund begraben“ eine Hommage an Coen-Brüder-Filme der Marke „A Serious Man“, doch den Machern fehlt es im Mittelteil an Mut, diese Lust an der emotionalen Zerstörung durchzuziehen. Einen Blick ist diese immer noch alles andere als typisch deutsche Komödie trotzdem wert.
„Der Hund begraben“ ist ab dem 23. März in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.