Ben Hur

Von den US-Kritikern verrissen, am Box Office abgestraft – die Neuinterpretation des Klassikers BEN HUR hat keinen schönen Start erwischt. Doch im Gegensatz zu den Trailern entpuppt sich der fertige Film als absolut zeitgemäßer und handwerklich ordentlich geratener Monumentalfilm, der sich inhaltlich an den nicht vollends ausgereiften Figuren und Konflikten des Epos von 1959 orientiert. Mehr dazu in meiner Kritik.Ben Hur

Der Plot

Durch eine Intrige seines Adoptivbruders Messala (Toby Kebbell) wird der angesehene und wohlhabende Judah Ben Hur (Jack Huston) von seiner Familie und seiner großen Liebe Esther (Nazanin Boniadi) getrennt und als Sklave auf eine römische Galeere gezwungen. Immer wieder mit dem Tod konfrontiert, reift in ihm ein alles bestimmender Gedanke: Rache zu nehmen an dem ehemals geliebten Bruder. Nach Jahren der Qual und Verzweiflung kehrt Ben Hur nach Jerusalem zurück und stellt sich in einem epochalen Wettkampf gegen den Verräter Messala und das gesamte römische Imperium.

Kritik

Die Arbeit als Filmkritiker könnte so einfach sein, würden sich die Studios immer brav an all das halten, was wir ihnen gemeinhin vorwerfen. Remakes sind schlecht, Fortsetzungen nie so gut wie das Original und sobald Kommerz ins Spiel kommt, kann von „Kunst“ sowieso keine Rede mehr sein. Doch dann kommt mal eben ein Gore Verbinski um die Ecke und dreht eine US-Neuauflage zum japanischen „Ringu“, welches die Vorlage in Intensität und Spannung um ein Vielfaches übertrifft. Oder denken wir nur einmal an das diesjährige „Conjuring“-Sequel, bei dem sich auf einmal alle einig waren, dass Fortsetzungen sogar besser sein können als der Vorgänger. Und wenn dann plötzlich sogar eine vermeintliche Totgeburt wie ein „Ghostbusters“-Remake viel stärker daherkommt, als es die Trailer ankündigen, da kann man schon einmal an seinen festgefahrenen Prinzipien zweifeln. Wie traurig, dass das US-amerikanische Publikum ebenjenen Kritikern (und Zuschauern generell), die nicht willens sind, ihre vorgefertigte Meinung abzugeben, bereits engagiert darin unter die Arme gegriffen hat, die vorab bereits als Flop verschriene Neuauflage des Monumentalfilm-Klassikers „Ben Hur“ auch zu einem solchen zu machen. Am Startwochenende spielte Timur Bekmambetovs modernes Bibelepos gerade einmal 11 Millionen Dollar ein. Zu recht? Ganz und gar nicht. Ohne den Vergleich zum vermeintlichen Original zu schüren (schon die Verfilmung von 1959 war lediglich eine von vielen Interpretationen des Stoffes, doch der Einfachheit halber sprechen wir im Folgenden immer dann vom Original, wenn wir die zweifelsohne bekannteste Adaption der „Ben Hur“-Geschichte meinen), ist der „Ben Hur“ von 2016 ein absolut zeitgeistiger Sandalenblockbuster, der sich auf solides Handwerk beruft und visuell durchgehend ansprechend geraten ist. Und um dann doch auf die 1959er-Variante zurückzukommen: Erzählung und Charakterentwicklung standen damals schon nicht derart im Vordergrund, als dass man sich beim Remake nun darauf stürzen könnte, dass hier ja nur noch Style over Substance abgeliefert werden würde.

Ben Hur

Natürlich steht auch bei der neuesten Leinwandvariation von „Ben Hur“ die Optik im Mittelpunkt. Das war bei den Geschichten um den gleichnamigen Streitwagenfahrer nie anders. Passend zum Zeitgeist präsentieren sich sowohl das spektakuläre Wagenrennen, als auch die dem vorausgehenden Eskapaden auf technisch höchstem Niveau, wenngleich wir es ausgerechnet von CGI-Fanatiker Timur Bekmambetov (man erinnere sich nur an die mitunter grottigen Animationen in seinem Vampiractionfilm „Abraham Lincoln: Vampirjäger“) nicht unbedingt erwartet hätten, dass dieser sich doch so konsequent auf echte Kulissen, haptische Tricks und handgemachte Stunts verlässt. Die Produktionskosten von knapp 120 Millionen US-Dollar flossen sichtbar in die opulente Ausstattung. Von den Kostümen über Maske und Make-Up bis hin zu den spektakulären Szenenbildern wirkt das Leinwandgeschehen in „Ben Hur“ zu jeder Sekunde greifbar. Die Momente, in denen die Computereffekte tatsächlich sichtbar werden, lassen sich an einer Hand abzählen: Einmal lassen die Macher ein panisches CGI-Pferd in die tobende Zuschauermenge des Pferderennes springen (was sich unter Auflage der Tierschutzbedingungen aber auch tatsächlich nur schwer mit einem echten Vierbeiner inszenieren ließe), ein anderes Mal wirken die von vorne gefilmten Fahrer ein wenig zu sicher in ihrer Trittfestigkeit, als dass man davon ausgehen könnte, dass während des Geschehens eine Kamera am Pferdewagen angebracht war. Trotzdem gelingt es den Machern mithilfe geschickter Szenen- und Positionswechsel, sowohl die treibende Atmosphäre des Rennzirkus perfekt auf den Zuschauer zu übertragen, als auch die Schwächen in der technischen Aufmachung zu kaschieren. Da wird das besagte Computerpferd eben nur für die notwendigen Sekundenbruchteile gezeigt, sodass der weniger geübte Zuschauer die Verwendung von CGI-Technik kaum bemerkt.

Dem damals so ikonischen Wagenrennen, das auch diesmal rund ein Viertel der Laufzeit beansprucht, gehen in „Ben Hur“ noch einige weitere spektakuläre Actionsequenzen voraus. Allen voran die Szenen auf dem Schiff, auf welchem Hauptfigur Judah Ben Hur (solide: Jack Huston) mehrere Jahre lang als Sklave arbeiten muss, inszeniert Timur Bekmambetov mit extrem viel Wucht. Eine düstere Kameraarbeit (Oliver Wood) und unterschwellig wabernde Trommelklänge (Marco Beltrami) verleihen den Schiffssequenzen fortwährend etwas Bedrohliches. Trotzdem scheinen die Macher auch in den Momenten des unmenschlichsten Sklavenalltags allzu brutale Sequenzen zu scheuen. Mit der Durchschlagskraft eines „12 Years a Slave“ kann „Ben Hur“ nicht mithalten, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass der Konflikt zwischen Judah und seinem Adoptivbruder Messala nie besonders tiefschürfend gerät. Dafür punktet Timur Bekmambetovs Film, indem er sich nicht bloß auf das große Wagenrennen als Schlüsselszene verlässt, sondern schon vorher eine nicht weniger spektakuläre Szene ähnlich opulent auf die Leinwand bringt. Der Untergang des Sklavenschiffes setzt ein Ausrufezeichen hinter die inszenatorische Wertigkeit des Films und präsentiert sich kühl, brutal und visuell überbordend. Der nur mäßige 3D-Effekt wird indes von der berauschenden Klangkulisse ausgeglichen, die dem Zuschauer das Gefühl gibt, mittendrin, statt nur dabei zu sein.

Ben Hur

Der Schwachpunkt bleibt indes die Story, getragen von zwei Figuren, deren Handlungsmotivation sich nicht immer erschließt. Einzig der während des Rennens auf offener Bühne ausgetragene Hass funktioniert durch so große Gesten, dass es keine weiteren Erklärungen bedarf, um die Missstände innerhalb der Bruder-Beziehung zu erkennen. Zuvor scheinen nicht bloß die Gründe für die Konflikte austauschbar, auch die Darsteller tragen nur bedingt dazu bei, dass die Charaktere mehr Profil erhalten, als das Skript (Keith R. Clarke, John Ridley) für sie vorgesehen hat. Wie gut Timur Bekmambetov hingegen daran getan hat, in sämtlichen Rollen ausschließlich Schauspieler zu besetzen, die nicht zu Hollywoods A-Prominenz gehören und somit noch nicht sofort mit anderen Engagements in Verbindung gebracht werden, zeigt sich, als sich die Ausnahme von der Regel präsentiert. Mit Morgan Freeman („London Has Fallen“) ist ausgerechnet ein Schauspieler mit großem Wiedererkennungswert in der nicht unwichtigen Rolle von Judahs Mentor Ilderim zu sehen. Das wirkt angesichts der vielen neuen Gesichter zunächst sehr befremdlich, wenngleich Freeman alles unternimmt, um alsbald mit seiner Figur zu verschmelzen. Doch auch er kann „Ben Hur“ nicht davor bewahren, im Schlussakt zu keinem zufriedenstellenden Ende zu finden. Mehrmals lädt das Drehbuch dazu ein, an einer aussagekräftigen (und nicht immer bequemen) Stelle in den Abspann abzublenden. Leider hängt Timur Bekmambetov den zweistündigen Monumentaleskapaden einen Zuckerguss-Nachklapp an, der die dramatische Kernaussage fast vollständig ins Lächerliche kippen lässt. Und damit meinen wir nicht die eingeschobene Kreuzigung Jesu, die zwar durchaus ein wenig forciert wirkt, durch dessen vorab immer wieder prägnante Einschübe aber nur konsequent ist.

Fazit: Den ikonischen Wert des 1959er-Vertreters kann die Neuauflage von „Ben Hur“ natürlich nicht erreichen. Immerhin war das spektakuläre Wagenrennen einst etwas, was man auf der Leinwand so einfach noch nicht zu Gesicht bekam. Heute ist im Kino fast alles möglich – und zwar auch eine gelungene Neuinterpretation eines einstigen Klassikers. „Ben Hur 2016“ bietet pompöse Schauwerte, erstaunlich wenig Computertricks und eine durchschnittliche Geschichte über Schuld und Sühne. Eine Vollkatastrophe sieht anders aus!

„Ben Hur“ ist ab dem 1. September bundesweit in den Kinos zu sehen – auch in mäßigem 3D!

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