The Finest Hours

Anfang der Fünfzigerjahre ereignete sich vor der Küste New Englands eine schlimme Schiffskatastrophe. Nun erscheint mit THE FINEST HOURS die Verfilmung dazu und ihr Kassengift-Dasein in den USA könnte sich hierzulande fortsetzen. Warum, das verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Am 18. Februar 1952 trifft ein gewaltiger Sturm mit voller Wucht auf New England und lässt die Menschen an der Ostküste um ihr Leben bangen. Noch hilfloser sind die Schiffe auf See, darunter der Öltanker SS Pendleton, der vom Sturm buchstäblich auseinandergerissen wird. Über 30 Seeleute werden im Heck der schnell sinkenden SS Pendleton eingeschlossen. Als ranghöchster Offizier an Bord übernimmt Ray Sybert (Casey Affleck) die Führung der verängstigten Mannschaft. Zur gleichen Zeit gibt der auf dem Festland wachhabende Offizier Daniel Cluff (Eric Bana), kürzlich erst zum Stationschef der Küstenwache ernannt, den Befehl zu einer waghalsigen Rettungsmission. Obwohl die Chancen alles andere als gut stehen, stechen vier Männer unter Führung des Steuermanns Bernie Webber (Chris Pine) in einem hölzernen Rettungsboot mit kleinem Motor in See, um eisigen Temperaturen, 20 Meter hohen Wellen und einem wütenden Sturm zu trotzen und die Männer an Bord der SS Pendleton zu retten.
Kritik
Ein Blick auf die Vita von Regisseur Craig Gillespie lässt mittlerweile fast schon vor der Sichtung des zu besprechenden Films folgenden Schluss zu: Der Filmemacher und Produzent ist ein Experte auf dem Gebiet der Mittelmäßigkeit. Insbesondere dann, wenn der 48-jährige Australier sich an massentauglichem Stoff versucht, endet dieses Unterfangen fast ausschließlich darin, sich beliebig anzufühlen und dem Zuschauer keinerlei Mehrwert zu bieten. So geschehen bei der wenig inspirierten Neuauflage des Vampirklassikers „Fright Night“, dem melodramatischen Baseball-Film „Million Dollar Arm“ und jetzt auch im Falle des Katastrophenfilms „The Finest Hours“, der Nacherzählung eines Schiffsunglücks Anfang der Fünfzigerjahre. Eigene Impulse zu setzen, das gelingt Gillespie höchstens dann, wenn er sich auf kleinerem Terrain ausprobieren darf („Lars und die Frauen“). Es ist schwer auszumachen, woran das liegen könnte. Doch auch, wenn man Blockbusterregisseuren immer wieder nachsagt, ihr Handwerk wäre um einiges weniger anspruchsvoll als das der Arthouse-Inszenatoren, so gehört doch auch viel Fingerspitzengefühl dazu, Stoffe für ein möglichst breitgefächertes Publikum aufzubereiten. Dabei mangelt es Gillespie offenbar nicht an Überzeugungskraft, ein möglichst namhaftes Ensemble um sich zu scharen. In „The Finest Hours“ sind – im wahrsten Sinne des Wortes – Chris Pine („Into the Woods“), Casey Affleck (demnächst in „Triple 9” zu sehen”) und Ben Foster („The Program – Um jeden Preis“) mit an Bord. Doch zwischen all der Beliebigkeit wirkt selbst ein Hollywoodcast wie dieser fast schon fehl am Platz.
Die Story um die Rettung der Besatzung der SS Pendleton klingt – leider – genauso austauschbar wie es Regisseur Gillespie in „The Finest Hours“ schlussendlich auch inszeniert. Denn selbst ohne die Kenntnisse darum, wie die visuell durchaus imposant eingefangene Rettungsmission am Ende ausgeht, ist von der ersten Szene an der Weg klar vorgegeben. Erst recht unter dem Logo des Disneyschlosses ist die Annahme eines Happy Ends kein mutiger Akt. Bliebe also das Credo, dass der Weg das Ziel ist. Doch ebenjener Weg, die Story also, ist mit Ausnahme einer spektakulären Einzelszene, in welcher Chris Pine auf offener See mit mannshohen Wellen zu kämpfen hat, bieder und langweilig. „The Finest Hours“ folgt dem simplen Schema gängiger Neunzigerjahre-Katastrophenfilme. Ein Notfallszenario, angereichert mit einer Lovestory, die in den Wirren eines für alle Beteiligten traumatischen Ereignisses zu zerbrechen droht, ist ebenso banal wie belanglos und wirkt angesichts des aktuellen Blockbusterstandards fast wie aus der Zeit gefallen. Das schienen in den USA wohl auch die Zuschauer schnell erkannt zu haben: Gerade einmal knappe 27 Millionen US-Dollar spielte das Seefahrerdrama in Übersee ein, woraufhin der Disney-Konzern „The Finest Hours“ im Rest der Welt mittlerweile bereits weitestgehend abgeschrieben hat. Auch hierzulande droht ein Flop: Zu den Ereignissen um die SS Pendleton besteht in Deutschland schlicht keinerlei Bezug und auch der Cast kommt zwar mit einigen Hollywood-Hochkarätern daher, doch anders als Akteure wie Leonardo DiCaprio oder George Clooney handelt es sich bei Chris Pine und Co. (noch) nicht um Darsteller, die in hiesigen Gefilden eine besonders große Fanbase um sich scharen.
So kommt also zwangsläufig eine Frage auf: Wer genau soll „The Finest Hours“ eigentlich gucken? Und genau da liegt das Problem. Sich gerade als Blockbusterregisseur über gängige Sehgewohnheiten hinwegzusetzen, ist ja auf den ersten Blick kein Fehler. Es ist vielmehr mutig und zeugt von einem gewissen Selbstbewusstsein. Im Falle von „The Finest Hours“ liegt diese Assoziation allerdings vor allem deshalb sehr weit fern, weil die Inszenierung von Craig Gillespie nicht innovativ und eigenständig wirkt, sondern es so scheint, als hätte der Regisseur vor zwei Jahrzehnten aufgehört, die Entwicklung des Filmmarkts zu beobachten. All das, was man hier zu sehen bekommt, gab es schon vielfach und daher wundert es fast umso mehr, dass Gillespie trotzdem Fehler macht, die in anderen Filmen dieses Segments bereits ebenso vielfach getadelt wurden: Die obligatorische Liebesgeschichte ist nicht mehr als Mittel zum Zweck und aufgrund einer überfordert wirkenden Holliday Grainger („Cinderella“) nicht einmal besonders mitfühlend. Die Geschichte selbst definiert sich hauptsächlich darüber, die einzelnen (Männer-)Figuren zu Helden hochzustilisieren und die sich untereinander nach und nach immer stärker aufladende Spannung unter der Besatzung ist keine, da den Charakteren mit Ausnahme von Chris Pines Bernie keinerlei Beachtung geschenkt wird. Gleichsam gebührt den Drehbuchautoren an dieser Stelle aber auch Lob: Scott Silver, Paul Tamasy und Eric Johnson (schrieben alle drei das Skript zu „The Fighter”) adaptierten den gleichnamigen biographischen Roman ohne die Anreicherung effekthascherischer Mittel, was immerhin eine große Authentizität gewährt.
Mit dem fehlenden Fokus auf die Figuren geht automatisch auch das Problem mit den Darstellern einher. Sämtliche Charaktere in „The Finest Hours“ sind schon bald keine Individuen mehr. Stattdessen bilden sie allesamt lediglich eine große Masse an Seemännern, um deren individuelle Belange sich das Skript nicht schert respektive gar nicht scheren kann. Denn trotz der sich arg ziehenden Lauflänge von rund zwei Stunden wird die Hälfte der Zeit mit Belanglosigkeiten gefüllt. Die Figuren rennen von A nach B, zerreden die Situation, doch eh erst einmal etwas passiert, vergeht über eine Stunde. Genau das versetzt „The Finest Hours“ schlussendlich auch den Todesstoß: Der Film, der vermutlich schon in wenigen Wochen vollständig von der Bildfläche verschwunden sein wird, ist – so hart es klingen mag – einfach unendlich langweilig. Angesichts der steigenden Ticketpreise sei trotz einer hübschen technischen Aufmachung und soliden 3D-Effekten dringend davon abgeraten, sich an die Seite der Besatzung der SS Pendleton zu begeben. Dafür ist „The Finest Hours“ einfach viel, viel zu durchschnittlich.
Fazit: Authentizität hin oder her: „The Finest Hours“ ist ein nichtssagender Neunzigerjahre-Gedächtnis-Katastrophenfilm ohne eine eigene Seele. Lediglich die technische Aufmachung und hübsch anzusehende CGI-Effekte erinnern einen daran, dass man es mit einer Produktion im Hier und Jetzt zu tun hat. Das alles wäre okay, besäße der Film denn einen erzählerischen Mehrwert. Doch mit seiner vorhersagbaren Story ist „The Finest Hours“ obendrein auch noch zum Gähnen langweilig.
„The Finest Hours“ ist ab dem 31. März bundesweit in den Kinos zu sehen.
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