Kill the Messenger

Irgendwo zwischen Anton Corbijns „A Most Wanted Man“ und Christoph Hochhäuslers „Die Lügen der Sieger“ findet sich Michael Cuestas, auf wahren Ereignissen basierendes Thrillerdrama KILL THE MESSENGER wieder, das von einem Journalisten erzählt, der von den falschen Dingen ein bisschen zu viel wusste. Mehr zum Film in meiner Kritik.

Kill the Messenger

Der Plot

Es kann lebensgefährlich sein, die Wahrheit herauszufinden. Ganz besonders, wenn es dabei um Geheimdienste und ihre Verstrickung in den internationalen Drogenhandel geht. Der Journalist Gary Webb (Jeremy Renner) hört nun einmal nicht auf solche als Ratschlag getarnte Drohungen und ist einem gewaltigen Politskandal auf der Spur: US-Geheimdienste stecken mit Drogenkartellen aus Mittelamerika unter einer Decke. Sie sorgen dafür, dass Tonnen von Crack ungehindert ins Land kommen können. Mit dem Geld wird in Nicaragua der Kampf der Contra-Rebellen gegen die Regierung finanziert. Webb recherchiert auf den Straßen von Los Angeles, in Nicaragua und auf den Fluren der Macht. Seine Artikel schlagen im ganzen Land hohe Wellen. Doch damit ist Webb einen Schritt zu weit gegangen. Nun beginnt für ihn erst der eigentliche Kampf: um die Wahrheit, sein Ansehen und schließlich auch um seine Familie…

Kritik

Sucht sich ein Filmemacher einen Journalisten als Hauptfigur aus, ist dieser in den meisten Fällen heroisch angehaucht. Entweder gar im wörtlichen Sinne (Clark Kent alias Superman), oder aber in Bezug auf seine Taten, sein Vorhaben oder seine Pläne. Man denke nur an „Die Unbestechlichen“, „Verblendung“ oder kürzlich auch den deutsche Genrebeitrag „Die Lügen der Sieger“. Die schreibende Zunft hat es Hollywood angetan; insbesondere Biopics beschäftigen sich immer wieder mit der Macht der Journaille. Kurios, dass der einfache Schriftsteller im Vergleich dazu eher weniger gut wegkommt. Wir erinnern uns an „Shining“, „Das geheime Fenster“ oder den Coen-Geheimtipp „Barton Fink“. So oder so: Filme, die sich mit Menschen befassen, die mit dem mehr oder weniger anspruchsvollen Verfassen von Texten ihr Geld verdienen, gibt es zuhauf. Insofern hat es Michael Cuestas auf wahren Ereignissen basierendes Thrillerdrama „Kill the Messenger“ relativ schwer, sich ein Alleinstellungsmerkmal zu erarbeiten. Schließlich thematisiert der „Homeland“-Regisseur wieder nur einmal mehr die von investigativem Journalismus ausgehende Brisanz für Politik und Wirtschaft. Doch gerade ebenjene Tatsache, dass sich all die Dinge, die Hauptfigur Gary Webb (Jeremy Renner) in „Kill the Messenger“ wiederfahren, so tatsächlich ereignet haben, verleiht Cuestas Film einen beachtlichen Nachhall. Mit seiner an die Filme von Anton Corbijn erinnernden Inszenierung, die Schauwerte, Action und Entertainment auf ein Minimum zurückfährt, muss sich der Zuschauer allerdings arrangieren. „Kill the Messenger“ ist dialoglastiges Politkino – Verfolgungsjagden oder Schießereien führten da bloß zu Realitätsverschiebungen.

Kill the Messenger

Viel passiert in den knappen zwei Filmstunden tatsächlich nicht auf der Leinwand. „Kill the Messenger“ ist kein Ereigniskino. Anfangs ist er tatsächlich nicht einmal wirklich spannend, denn wann immer sich durch die Recherchefortschritte Webbs intensive Momente ergeben könnten, fährt Michael Cuesta das Tempo bewusst zurück. Zwar macht es aus seinem Protagonisten keinen Schreibtischtäter – im Gegenteil. Jeremy „Hawkeye“ Renner begibt sich auf seiner Suche nach der Wahrheit einmal rund um den Globus; er beginnt in den Ghettos von Los Angeles, fährt nach Nicaragua und landet zwischendurch in einem winzigen Kaff, wo er zum Schreiben banaler Boulevard-Stories verdonnert wird. Zwischendurch verhandelt er mit hochrangigen Regierungsmitgliedern aus Politik und Wirtschaft, hetzt sich selbst die CIA auf den Hals und legt sich mit dem journalistischen Kollegium an. Und als wären das nicht genug Konfliktherde, dichtet das Skript von Peter Landesman („Parkland – Das Attentat auf John F. Kennedy“), der die Memoiren von Gary Webb zu einem Drehbuch umformte, dem sympathischen Familienvater auch noch eine Ehekrise an. All diese Handlungsstränge machen aus Gary Webb mit der Zeit einen schwer zu durchschauenden, aber irgendwie auch mitreißenden Hauptcharakter. Doch als in der zweiten Hälfte seine eigene Redaktion Zweifel an den Recherchen des Journalisten auftreten, ist man auch als Zuschauer kurz mit der Frage konfrontiert, ob sich Webbs bahnbrechenden Erkenntnisse nicht vielleicht bloß in seiner Fantasie ereignet haben.

Ob dem tatsächlich so ist, sei an dieser Stelle selbstredend nicht verraten. Immerhin ist „Kill the Messenger“ auch kein blockbustertauglicher Hollywoodthriller, was nebenbei bemerkt auch der Verleih Universal Pictures deutlich macht, der den in den USA zeitweise schon als Oscar-Kandidat gehandelten Film hierzulande lediglich mit 53 Kopien in die Lichtspielhäuser bringt. In „Kill the Messenger“ steht nicht die Frage nach dem „Ob“ im Raum, sondern die Frage nach wem „Wie“: Wie funktionieren die einzelnen Regierungsapparate? Wie hat die Presse Einfluss auf die Politik? Und wie kann es einem einzelnen (Provinz!)Journalisten gelingen, jenes System mit unbequemen Fragen so sehr ins Wanken zu bringen, dass er damit direkt den US-Geheimdienst höchstpersönlich auf den Plan ruft? Die Beantwortung all dieser Fragen hält zwar durchaus verblüffende Erkenntnisse bereit, erweist sich durch ihre sehr nüchterne Betrachtung allerdings auch als mitunter recht einseitig. Wenn Jeremy Renner, der sich aufgrund seines markanten Äußeren und seiner wenig glamourhaften Attitüde als bodenständig-richtige Wahl für die unscheinbare, aber toughe Rolle des Gary Webb erweist, die meiste Zeit seiner Arbeit mit dem Erklären seines Handelns verbringt, versteht auch der letzte Zuschauer irgendwann die Zusammenhänge und weiß, die vom Film aufgebauten Feindbilder richtig einzuordnen. Bis sich der Spieß in der zweiten Hälfte umdreht.

Kill the Messenger

Schienen die Rollen von Jäger und Gejagtem in der ersten Stunde noch klar verteilt, sieht sich Webb mit der Zeit immer mehr mit dem Misstrauen seiner Gefährten konfrontiert. Sein öffentliches Bild wendet sich, er wird selbst zum Feindbild einer Regierung, die es nicht gern sieht, dass in den eigenen Reihen „ermittelt“ wird. Wie hier mit der Macht der Presseberichterstattung gespielt wird, welche die Gesinnung einer ganzen Nation zu steuern vermag, entlockt der Produktion endlich die notwendige und viel zu spät einsetzende Dynamik, dank derer „Kill the Messenger“ die Schwächen im ersten Teil zwar umso deutlicher offenlegt, mit dem Zusteuern auf das Finale allerdings auch spürbar besser und mitreißender wird. Dies geht zwar zu Lasten einzelner Handlungsstränge (So findet die angedeutete Beziehungskrise zwischen Webb und seiner von Rosemarie DeWitt („Poltergeist“) hinreißend einfühlsam verkörperten Ehefrau Sue nur noch in Nebensätzen statt und ist im Finale schließlich völlig vergessen, ohne dass je eine Aussprache stattgefunden hat). Doch es erfasst den Kern von Handlung und Thema: Auch wenn die Medien für einige Tage von einem Thema dominiert werden, so sind sie doch lediglich ein winziger Teil eines Systems, das seinen Einfluss in so vielen Ebenen ausspielt, dass es auch negative Presse so schnell nicht ins Wanken bringen kann.

Fazit: Trotz Längen und einer bisweilen verklausulierten Inszenierung ist „Kill the Messenger“ das interessante Portrait eines Journalisten, der nur ein Ziel hatte: Die Welt ein wenig besser zu machen. Dabei zeichnet Regisseur Michael Cuesta seinen Protagonisten als Menschen – nicht als Helden und involviert den Zuschauer damit umso mehr in ein Thema, vor dem man nur allzu gern die Augen verschließt.

„Kill the Messenger“ ist ab dem 10. September in ausgewählten, deutschen Kinos zu sehen.

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