10 Cloverfield Lane

Nach „Cloverfield“ kommt nun 10 CLOVERFIELD LANE und damit der nächste Überraschungsfilm von Produzent J. J. Abrams. Doch was hat es mit dem Film auf sich, von dem vor wenigen Wochen noch keiner wusste, dass es ihn überhaupt gibt? Das und mehr verrate ich in meiner Kritik.10 Cloverfield Lane

Der Plot

Die junge Frau Michelle (Mary Elizabeth Winstead) erwacht nach einem schweren Unfall in einem unterirdischen Bunker. Alles deutet darauf hin, dass sie entführt wurde. Doch Howard, der Mann, der sie hier unten festhält (John Goodman), behauptet, die Frau vor etwas „da draußen“ beschützen zu wollen. Auch Michelles Mitgefangener Emmett (John Gallagher Jr.) erzählt ihr von so etwas wie einem Blackout, doch nach und nach entwickeln die beiden Zweifel daran, dass an Howards Geschichte tatsächlich etwas dran ist. Schon bald befinden sie sich vor der entscheidenden Frage, auf welcher Seite der Tür sich das wahre Monster befindet. Gelingt es ihnen, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden?

Kritik

Wie oft kommt es heutzutage noch vor, dass man vollkommen ohne Vorahnungen in den Genuss eines Filmes kommt, von dem selbst Insider kaum etwas wissen und den wohl nur die am Projekt mitwirkenden Personen bisher in voller Länge gesehen haben? In Zeiten von Internet und Social Media kaum noch, denn seit die Welt vernetzt ist, kommen Fans und Liebhaber nicht erst mit der fertigen Produktion in Berührung, sondern dürfen normalerweise auch am Entstehungsprozess teilhaben. Schauspieler, Regisseure und Produzenten teilen die Eindrücke vom Set munter bei Facebook, Twitter und Co. Auch Leaks von Drehbüchern („The Hateful 8“) oder erstem Bewegtbildmaterial („Deadpool“) sind keine Seltenheit mehr. Es gehört also eine ungeheure Portion Vorsicht und vor allem Selbstdisziplin dazu, einen Film vor seiner Veröffentlichung so geheim zu halten, dass die Welt erst mit der ersten Trailerpräsentation überhaupt von ihm erfährt. 2008 ist Regisseur J.J. Abrams („Star Trek into Darkness“) dieses Kunststück mit dem von ihm produzierten und von Matt Reeves inszenierten Found-Footage-Katastrophenfilm „Cloverfield“ bereits beispielhaft gelungen. Der Überraschungseffekt ob des vorab vollkommen unter Verschluss gehaltenen Projekts fiel erwartungsgemäß gigantisch aus. Da kann man es sich nur schwer vorstellen, dass es ausgerechnet Abrams selbst noch einmal gelingen würde, diese Konsequenz in Sachen Geheimhaltung erneut durchzuziehen. Doch als im Januar dieses Jahres ohne jede Vorankündigung der Trailer zu „10 Cloverfield Lane“ erschien, hatte sich Abrams einmal mehr als Hollywoods Vorzeige-Geheimniskrämer bewiesen. Dementsprechend macht auch der Film selbst vor allem dann am meisten Spaß, wenn man vorab so wenig wie möglich über ihn weiß.

Mary Elizabeth Winstead

Es war in den drei Monaten zwischen Trailerpräsentation und Kinostart eine der meistdiskutierten Fragen: Wie würden „Cloverfield“ und „10 Cloverfield Lane“ wohl zusammenhängen? Während einige Plattformen dem Franchise ein Anthologie-Dasein andichteten, ließen erste Stimmen aus den USA vermuten, der Abstecher in die Cloverfield Lane sei ein direkter Nachfolger der Ereignisse aus dem Jahr 2008. Regisseur Dan Trachtenberg, der mit „10 Cloverfield Lane“ sein Langfilmdebüt abliefert, inszeniert das Skript von Josh Campbell („One Square Mile“) und Matthew Stuecken (Produzent von „G.I. Joe – Geheimauftrag Cobra“) äußerst clever. Er überlässt dem Publikum das Entdecken darüber, wie die beiden „Cloverfield“-Filme tatsächlich miteinander zusammenhängen und nimmt dieser Frage zugleich auch ihre Wichtigkeit. Es ist vollkommen irrelevant, was und ob die beiden grundverschiedenen Produktionen nun miteinander zu tun haben. Der Fokus liegt in Gänze auf der Geschichte, den Figuren und dem Plotverlauf. Damit gelingt Trachtenberg ein klares Understatement im von Hollywood auf Fortsetzungstauglichkeit abgeklopften Blockbusterkino. „10 Cloverfield Lane“ ist trotz des großen Namens ein Film, der entdeckt werden will und sowohl auf inszenatorischer, als auch auf inhaltlicher Ebene ein Projekt, das die leisen Töne dem lauten Krawumm vorzieht.

Doch worum genau geht es in „10 Cloverfield Lane“ nun eigentlich? Das Ausgangsszenario an sich ist mit seinen drei Personen, die auf engstem Raum zusammen eingesperrt sind, sehr simpel. Die Spannung baut sich über den Erzählfokus auf. Das Skript stellt sich an die Seite von Mary Elizabeth Winstead („Kill the Messenger“) und eröffnet dem Publikum immer exakt so viele Infos, wie sie auch die Figur besitzt. Einen Großteil der Laufzeit verbringen wir damit, uns aus uns häppchenweise servierten Informationen ein Szenario zusammen zu spinnen, das angesichts der unberechenbaren Ausgangslage jederzeit als „falsch“ entlarvt werden könnte. Mit seiner uns stetig in der Schwebe belassenen Erzählweise erinnert „10 Cloverfield Lane“ vor allem an frühe Werke von „The Sixth Sense“-Mastermind M. Night Shyamalan, dessen melancholische Alieninvasionsballade „Signs“ inszenatorisch sichtbar als Pate für „10 Cloverfield Lane“ fungiert haben muss. Doch anders als dieses streitbare Werk eines noch viel streitbareren Regisseurs definiert sich Trachtenbergs Film nicht über einen alles auf den Kopf stellenden Twist. Stattdessen sind es viele kleine, dafür aber alles entscheidenden Wendungen, die aus „10 Cloverfield Lane“ einen emotional herausfordernden Film machen, bei dem Liebhaber vielerlei Genres auf ihre Kosten kommen.

10 Cloverfield Lane

In dieser Hinsicht lässt sich der Film schwer einordnen. Während die Ausgangslage fast ein wenig an „Saw“ erinnert und vor allem der Showdown einige den Puls in die Höhe treibende Horrorelemente auffährt, entsteht ein Großteil des Suspense über die Situation selbst. Ähnlich wie Lenny Abrahamson in seinem preisgekrönten Entführungsdrama „Raum“ beobachtet auch Dan Trachtenberg die seelischen Auswirkungen der beengten Lebenssituation ganz genau und lässt die Beklemmung immer wieder in puren Terror kippen, wenn die Figur des Howard eine weitere Facette seines unberechenbaren Charakters offenlegt. „10 Cloverfield Lane“ entwickelt sich zu einem mit einigen Tempo- und Gewaltspitzen angereicherten Katz-und-Maus-Spiel, das auf ein Kammerspielszenario trifft, dessen Ausgang keiner vorhersagen kann. Gerade weil das so ist, möchten wir uns an dieser Stelle nur oberflächlich damit auseinandersetzen, wie der Regisseur die Situation auflöst: Genau das könnte nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht jedem gefallen. Das Skript lässt zwar viele Fragen offen, entscheidet sich allerdings für ein sehr striktes Finale, das ein wenig mit dem vorab eingeführten, hohen Interpretationspotenzial bricht. Das ist zwar schade, legt in seiner Ausführung aber einige Möglichkeiten frei, durch die „10 Cloverfield Lane“ inszenatorisch noch breiter aufgestellt ist. Hier hilft nur: selbst entdecken und sich dann entscheiden, ob Trachtenberg und seine Autoren hier den richtigen Weg gewählt haben.

Während die technische Ausstattung zwar simpel, handwerklich jedoch makellos ist (weiter ins Detail gehen, möchten wir aus Spoilergründen auch an dieser Stelle nicht), beeindruckt vor allem das Schauspiel der drei Hauptdarsteller. John Goodman („The Gambler“) fällt eine Rolle zu, die in ihrer emotionalen und psychischen Ambivalenz schnell ins Karikatureske kippen könnte. Der ewige Nebendarsteller glänzt hier mit einem beeindruckenden Gespür dafür, zwischen den Zeilen unnahbar zu agieren und „10 Cloverfield Lane“ damit auf einer weiteren Ebene unberechenbar zu machen. Der Zuschauer ist mit dem Versuch, Howard zu durchschauen, überfordert. Der Faszination für seine Person kann sich allerdings keiner widersetzen. Mary Elizabeth Winstead beweist einmal mehr, dass Hollywood beim Schreiben starker Frauenfiguren auch auf die starke Performance der Darstellerin angewiesen ist. Die 31-jährige Amerikanerin schafft es hervorragend, eine verschreckte Zurückhaltung mit einem sich sukzessive entwickelnden Selbstbewusstsein zu verbinden. Dass sie sich nach und nach mit ihrer Situation zu arrangieren versucht und auch diese notgedrungene Dreiergemeinschaft irgendwann zu funktionieren scheint, ist keine bloße Behauptung des Skripts, sondern wird von den Darstellern spürbar gemacht. Auch John Gallagher Jr. („Short Term 12“) gefällt als unbedarfter Mitgefangener, der für einen Großteil des Humors zuständig ist. „10 Cloverfield Lane“ hat davon überraschenderweise eine Menge zu bieten, wenngleich einem der dann doch auch ziemlich schnell im Halse stecken bleibt. Auf den vorab angekündigten Cameo eines oscarnominierten Schauspielers müssen die Zuschauer der deutschen Synchro übrigens leider verzichten. Hier empfiehlt sich ein Blick in den Abspann.

10 Cloverfield Lane

Leben auf engstem Raum unter der Erde – da kommt es schon mal zu Reibereien…

Fazit: „10 Cloverfield Lane“ hat nichts mit seinem Vorgänger zu tun und ist doch so viel besser. Regisseur Dan Trachtenberg gelingt ein mit pfiffigen Wendungen und interessanten Figuren gespickter Thriller, der über die leisen Töne funktioniert und aufgrund der unberechenbaren Ausgangslage nie langweilig wird. Lediglich am Finale werden sich die Geister scheiden.

„10 Cloverfield Lane“ ist ab dem 31. März bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

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