Meine Freunde sind alle tot

Netflix bringt erneut eine blutige, polnische Filmproduktion an den Start. Mit MEINE FREUNDE SIND ALLE TOT gibt es dieses Mal eine spritzig-zynische Partykomödie zu bestaunen. Ob sie überzeugen kann, das verraten wir in unserer Kritik.

Wszyscy moi przyjaciele nie zyja

Der Plot

Es sollte einfach eine ausgelassene Silvesterparty werden. Doch niemand unter den Anwesenden hat damit rechnen können, wie fatal diese Feier entgleisen wird: Das verklemmte Paar bekommt eingeredet, noch nicht reif genug für die Ehe zu sein (und schlechten Sex zu haben). Andere Paare streiten sich aufgrund von Eifersucht oder Fremdscham über das Partyverhalten. Der Pizzaboote will endlich bezahlt werden – und bekommt am Telefon dauernd Hiobsbotschaften mitgeteilt. Der Austauschschüler entdeckt erstmals sexuelle Gelüste. Und dann wird auch noch die Pistolenschublade aufgeschlossen …

Kritik

Ein lässiger, schwerer Bass wird gezupft, während auf schwarzem Hintergrund gelbe Buchstaben prangen. Aber nicht einfach irgendwelche gelben Buchstaben: Der Vorspann von „Meine Freunde sind alle tot“ ist in der Schriftart ITC Benguiat gehalten. Sollte es nun bei euch noch nicht klingeln, wäre das nachvollziehbar – denn wer beschäftigt sich schon so genau mit den Schriftarten, die in Filmen zu sehen sind? Trotzdem erweckt Regisseur Jan Belcl hiermit sehr zielsicher ein bestimmtes Gefühl: Gelbe Buchstaben (optional auf schwarzem Grund) sind eines der stilistischen Markenzeichen von Kultregisseur Quentin Tarantino – und die Schriftart ITC Benguiat wurde im Vor- und Abspann seines internationalen Durchbruchfilms „Pulp Fiction“ verwendet. Man nehme den entspannten Retro-Rock auf der Tonspur noch hinzu, und schon wähnt man sich zu Beginn von „Meine Freunde sind alle tot“ direkt in einer Tarantino-Hommage.

Möge die Party eskalieren…

Die von Jan Belcl ebenfalls verfasste Komödie mit hohem Bodycount ist jedoch kein fast drei Jahrzehnte zu spät kommender Trittbrettfahrer, der auf einer „Pulp Fiction“-Welle mitschwimmen möchte. Zwar lässt sich der Tarantino-Einfluss auch abseits der visuellen und akustischen Gestaltung des Vorspanns nicht leugnen: Es gibt zahlreiche Popkulturzitate (Figuren sprechen von Lolek und Bolek, „Kevin – Allein zu Haus“ und zitieren Sam Raimis „Spider-Man“), spitz eingesetzte Popmusikeinsätze, einer Figur wird in „Pulp Fiction“-Manier eine Spritze in den Brustkorb gerammt und es gibt kommt zu versehentlich ausgelöster, drastischer Gewalt, wie sie Vincent Vega und Jules Winnfield schon ausbaden mussten. Aber trotz dieser Verweise und Einflüsse ist „Meine Freunde sind alle tot“ sein eigenes Ding: Eine Teenie-Partykomödie, die tödlich eskaliert.

„Es gibt zahlreiche Popkulturzitate, spitz eingesetzte Popmusikeinsätze, einer Figur wird in „Pulp Fiction“-Manier eine Spritze in den Brustkorb gerammt und es gibt kommt zu versehentlich ausgelöster, drastischer Gewalt, wie sie Vincent Vega und Jules Winnfield schon ausbaden mussten.“

Der größte Kritikpunkt, den sich „Meine Freunde sind alle tot“ dabei gefallen lassen muss, ist wohl, aus seiner Prämisse vergleichsweise wenig herauszuholen. Der Film eröffnet damit, dass die Polizei am Neujahrstag ein Haus durchstöbert und dort Bergen an Leichen findet – sowie eine Überlebende, die schwer verletzt bibbert: „Meine Freunde sind alle tot!“ Die Cops wundern sich, wie das passiert sein könnte, und eine Rückblende gibt uns die Antwort. Die makabere Spannungskurve (und gleichzeitige Humor-Mechanik) liegt da auf der Hand: Wir kennen den absurd-blutigen Ausgang der als Rückblende gezeigten Silvesterparty – und es macht zynische Freude, angespannt zu erwarten, wie sich der gut gelaunte Partybeginn in das desolate Danach verwandelt, das wir schon kennen. Wer nun aber eine mit Slapstick-Gewalt gespickte Comedy-Schlachtplatte erwartet, wird von „Meine Freunde sind alle tot“ zwangsweise enttäuscht.

„Shining“-Referenz inklusive.

Es dauert sehr lange, bis in sehr kurzer Erzählzeit ein großer Teil des tödlichen Tohuwabohus erzeugt wird. Es gibt also keine blutige, knochenbrecherische, saukomische Tour-de-Force wie in der russischen Edgar-Wright-und-Quentin-Tarantino-Verneigung „Why Don’t You Just Die!“ zu bestaunen – über weite Strecken entgleist die Silvesterparty voller Teenies und Leuten in ihren Zwanzigern, die weiterhin jungen Volljährigen nachsteigen, bloß auf eine Art und Weise, wie etwa der Junggesellinenabschied in „Girls‘ Night Out“ entgleist. Und das auch noch mit deutlich weniger Wortwitz als in dem Scarlett-Johansson-Vehikel. Hat man aber erst einmal die eigene Erwartungshaltung angepasst, ist „Meine Freunde sind alle tot“ eine gemeine, kleine Komödie voller diebischem Foreshadowing (man achte etwa darauf, welche Figuren so in Szene gesetzt werden, dass ihr Kopf zwischen zwei Deko-Gewehren im Wohnzimmer erscheint) und mit zynischem Witz eingefädeltem Trubel. Zwar sind die Einfälle, wie Belcl die von ihnen erschaffene Party umkippen lässt, teils arg plump: Da sind zwei derart aufgegeilte „Schwestern im Geiste“, dass sie bei ihrem Sex-Feldzug, offensichtlichste Warnsignale übersehen. Dann wäre da der streng gläubige Schulbubi, der Hals über Kopf in sexuelle Abenteuer stürzt und daher Gewissensbisse hat. Da ist das verklemmte Pärchen, das sich von Freunden und Anvertrauten aufheizen lässt. Und so weiter…

„Über weite Strecken entgleist die Silvesterparty voller Teenies und Leuten in ihren Zwanzigern, die weiterhin jungen Volljährigen nachsteigen, bloß auf eine Art und Weise, wie etwa der Junggesellinenabschied in „Girls‘ Night Out“ entgleist.“

Einfallsreich charakterisiert ist diese illustre Runde an Kanonenfutter wirklich nicht, und daher sind manche Gags sehr vorhersehbar. Jedoch spielt der junge Cast seine Rollen mit einer gewissen, nicht zu knalligen, Quirligkeit, die in diesem Film gut aufgeht: Die Darsteller:innen legen ihre Figuren so cartoonig an, dass es zu ihrer Charakterzeichnung passt, ohne sie zu nervigen Schießbudenfiguren zu machen (ausgenommen sind die extra-rattigen „Schwestern im Geiste“, die bleiben ein galliges Klischee). Selbst wenn die versprochenen Cartoon-Gewaltspitzen in „Meine Freunde sind alle tot“ spärlich bleiben, so hat das Warten auf sie auch seinen Reiz, da Jan Belcl seine überspitzten Feierwütigen mit spitzer Freude an Leid und Missverständnissen ins Verderben schickt und dem Ganzen eine solide Optik verpasst. Wäre der überdehnte Mittelteil knackiger, wäre „Meine Freunde sind alle tot“ ein bös-komischer Netflix-Geheimtipp. So hingegen fällt dieser Titel in die Kategorie: Unverbrauchte Talente, die ihr Können noch feinschleifen müssen, machen einen Film, den man sich bei Interesse an der Grundidee mal anschauen kann, aber wahrlich nicht anschauen muss.

Fazit: „Meine Freunde sind alle tot“ ist eine zynisch-frivole Jugendkomödie mit einem blutigen Versprechen, platten (aber vergnügt gespielten) Figuren und einem großen Vorbild, an das sie längst nicht heranreicht.

„Meine Freunde sind alle tot“ ist ab sofort bei Netflix streambar.

3 Kommentare

  • You were focusing so much on the fonts that you didnt even realize what was written with these fonts. For example who directed and written this movie. The people you mentioned in your review had nothing to do with this film which was actually written and directed by JAN BELCL.

    • Dear Mitja, thanks for your Message. I’m very sorry for that mistake. Seems that my Writer confounded two IMDb-entries and put the Informations about another „All my Friends are dead“-Movie in his review. I’m so sorry, I corrected it!

  • Ich pack mir den mal für später in die Watchlist.
    Plagi Breslau und Der Sumpf waren ja recht brauchbare polnische Produktionen.

Und was sagst Du dazu?