Scare Me

In der Horrorkomödie SCARE ME liefern sich Josh Ruben und Aya Cash einen gewitzten Wettstreit darum, wer die schaurigste Gruselgeschichte erzählt. Weshalb das in den USA auf dem Streamingdienst Shudder zu sehende Langfilmdebüt unbedingt einen Blick wert ist, das verraten wir in unserer Kritik.

OT: Scare Me (USA 2020)

Der Plot

Fred (Josh Ruben), ein wenig erfolgreicher Schauspieler und Schriftsteller, mietet sich eine Berghütte, um dort in aller Ruhe schreiben zu können. Da er an einer Schreibblockade leidet, joggt er regelmäßig, um den Kopf freizubekommen. Auf einer seiner Laufrunden trifft er auf Fanny (Aya Cash), die Autorin des gefeierten Horror-Romans „Venus“, die in einer nahe gelegenen Hütte wohnt. Er erzählt ihr von seinen Versuchen als Autor, von denen sich Fanny unbeeindruckt zeigt. Doch als am selben Abend ein Gewitter das örtliche Stromnetz lahmlegt, steht sie plötzlich vor Freds Tür. Nachdem sich die beiden ein paar Drinks genehmigt haben, bittet Fanny Fred, ihr eine Gruselgeschichte zu erzählen. Schon bald entsteht ein Wettstreit darüber, wer der jeweils anderen Person am besten Angst machen kann…

Kritik

Sobald sich die Regeln eines Genres fest etabliert haben, ist es umso einfacher, sie zu unterwandern. Der Horrorfilm hat schon so ziemlich jeden Kommentar über sich ergehen lassen müssen: Dekonstruktion („The Cabin in the Woods“) genauso wie die Parodie („Scary Movie 1 -5“) oder sogar filmische Analyse („Rubber“) – mittlerweile gibt es genug Möglichkeiten, sich mit dem Gruselkino zu befassen, ohne sich von seinen gängigen Tropen einlullen lassen zu müssen. Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler Josh Ruben („CollegeHumor Originals“) hat sich eine ganze Zeitlang in der Comedy versucht und dort zahlreiche Kurzfilme und Serienepisoden gedreht; Trotzdem ist seine erste breiter bekannte Arbeit ein Horrorfilm – zumindest so in etwa. Zwar hat sich der auf’s Genrekino spezialisierte US-Streamingdienst Shudder Rubens Langfilmdebüts angenommen, das sich lange Zeit auf zwei Personen beschränkende Kammerspiel ist allerdings trotz Titel und Aufmachung längst nicht das, was man von ihm erwartet. Einsame Waldhütte: check. Stromausfall: check. Zwei Personen, die einander kaum kennen: check. Doch in den folgenden 100 Minuten beweist Josh Ruben zwar, dass er das Horrorkino ganz genau kennt, entlarvt allerdings auch, mit was für simplen Methoden seine Kreateure arbeiten – und stolpert im letzten Drittel leider ein wenig über sein eigenes Konzept.

Aya Cash und Josh Ruben spielen Fanny und Fred in „Scare Me“.

Die Zutaten für einen klassischen Hütte-im-Wald-Schocker sind alle vorhanden. Doch wie es schon der Trailer ankündigt, gibt es in „Scare Me“ nichts, was so sehr aus dem Ruder laufen könnte, dass sich das Endergebnis in Blutfontänen oder Gemetzel entlädt. Die Prämisse von zwei (einander fast fremden) Menschen, die sich einfach nur eine ganze Nacht lang Gruselgeschichten erzählen, wird von Josh Ruben bis aufs Äußerste ausgereizt. Es gibt noch nicht einmal eine bildliche Veranschaulichung der einzelnen Stories. Alles was wir sehen, sind die Protagonist:innen Josh Ruben und Aya Cash („Can a Song save your Life?“), wie diese sich an möglichst schaurigen Fratzen, unheimlichen Gesten und erzählerischen Twists versuchen. Die von ihnen erdachten Stories reichen von finsteren Werwolfgeschichten über eine fiese Großvater-Anekdote bis hin zu einer Castingshow, deren Teilnehmerin einen Pakt mit dem Teufel eingeht. Die einzigen Zugeständnisse an jene Zuschauer, die sich die schaurigen Details nicht bloß vorstellen, sondern sie auch detailliert sehen wollen, sind eine kurze Aufnahme einer Werwolfklaue, die an der Holzhütte kratzt sowie eine spektakuläre Lichtshow, die ein wenig Fernsehstudioflair in die Hütte bringt. Ansonsten spielen sich sämtliche Einzelheiten der verschiedenen Geschichten ausschließlich im Kopf des Publikums ab.

„Die einzigen Zugeständnisse an jene Zuschauer, die sich die schaurigen Details nicht bloß vorstellen, sondern sie auch detailliert sehen wollen, sind eine kurze Aufnahme einer Werwolfklaue, die an der Holzhütte kratzt sowie eine Lichtshow, die ein wenig Fernsehstudioflair in die Hütte bringt.“

Dass das nie öde wird, ist zwei Dingen zu verdanken: Da sind zum einen die beiden Hauptdarsteller:innen: Josh Ruben und Aya Cash haben eine hervorragende Chemie miteinander. Während sie leicht von oben herab auf ihren ihr deutlich unterlegenen Schriftstellerkollegen blickt und er sich gleichermaßen weigert, zu ihr und ihrer Arbeit hinaufzublicken, verkörpert Ruben seinen Fred als größtmöglich undurchschaubaren Zeitgenossen. Auf der einen Seite wird sein permanentes Selbstmitleid mitunter fast anstrengend, was vom Skript allerdings entsprechend aufgefangen wird. Auf der anderen Seite tun einem seine verzweifelten Versuche, es als Schriftsteller und Schauspieler unbedingt schaffen zu wollen, tatsächlich ein wenig Leid; Es ist vor allem Aya Cashs Fanny, die diese charakterlichen Ambivalenzen wunderbar auffängt. Ihr trocken-süffisanter Kommentar auf Fred und die Situation spiegelt das Empfinden der Zuschauer:innen treffend wider und deckt dabei mitunter einige unvorteilhafte Charakterzüge des Protagonisten auf. Die daraus entstehende Reibung zwischen Fred und Fanny verleiht „Scare Me“ eine interessante Würze.

Im Laufe des Abends bekommen Fred und Fanny Besuch vom Pizzaboten Carlo (Chris Redd).

Zum anderen ist es die für sich genommen gar nicht so spektakuläre, im Anbetracht der reduzierten Inszenierung dagegen umso wirkungsvollere Geräuschkulisse. Wenn der Filmtitel aus dem Nichts von lauten, dissonanten Streicherklängen untermalt wird – ganz so, wie man es normalerweise von Jumpscares gewohnt ist – dann werden Erinnerungen an „The Cabin in the Woods“ wach. Das eigentliche Kunststück gelingt den Verantwortlichen allerdings erst danach: dann nämlich, wenn sie die Schilderungen der beiden Hauptfiguren mit einer typischen Horror-Klangkulisse untermalen. Wenn Fanny von einer knarrenden Tür erzählt, ist auf der Tonspur genau diese zu hören. Genauso wie Schritte auf dem Dachboden, Telefonklingeln oder Musik. „Scare Me“ gäbe ein hervorragendes (Horror-)Hörspiel ab; die visuelle Komponente ist in dem Film zweitrangig. Gleichwohl gibt die verwinkelte Waldhütte ein hervorragendes Horrorsetting ab, dem man es durchaus zutraut, dass die eigentlich harmlose Situation irgendwann doch noch eskaliert.

„Das eigentliche Kunststück gelingt den Verantwortlichen allerdings erst danach: dann nämlich, wenn sie die Schilderungen der beiden Hauptfiguren mit einer typischen Horror-Klangkulisse untermalen.“

Leider wirkt es hin und wieder so, als würde Josh Ruben seinem minimalistischen Konzept selbst nicht ganz trauen. Dass es zu den lustigsten Szenen gehört, wenn sein Fred sich unter einschneidender Spannungsmusik dazu entschließt, die Tür in den gruselig-dunklen Keller gleich wieder zu schließen und somit der Erwartung auf ein neues „Evil Dead“ direkt den Wind aus den Segeln nimmt, zeigt auf, dass in „Scare Me“ das Weniger mehr ist. So benötigt es weder den kurzzeitigen (zugegebenermaßen für einige sehr laute Lacher zuständigen) Einbezug einer dritten Figur noch das einem im Vergleich zum Rest einem Overstatement gleichkommende Finale – auf das immerhin eine hübsche Schlusspointe folgt.

Fazit: Josh Ruben gelingt mit seinem Langfilmregiedebüt „Scare Me“ eine gleichermaßen hübsche wie minimalistische Hommage an das Horrorkino, die immer dann am besten ist, wenn ausschließlich die beiden Hauptfiguren und ihre Gruselgeschichten im Mitttelpunkt stehen.

„Scare Me“ ist in den USA als VOD erhältlich und bei Shudder streambar.

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