Liliane Susewind – Ein tierisches Abenteuer

Der „Wilde Kerle“-Regisseur Joachim Masannek bleibt sich für seinen neuesten Kinderfilm LILIANE SUSEWIND – EIN TIERISCHES ABENTEUER treu und liefert ein Leinwandchaos ab, das man weder als Kind, noch als Erwachsener genießen kann. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Die elfjährige Liliane Susewind (Malu Leicher), genannt Lilli, hat eine außergewöhnliche Fähigkeit: Sie kann mit Tieren sprechen! Diese besondere Gabe hat Lilli bis jetzt allerdings immer nur in Schwierigkeiten gebracht. Als ein Stadtfest wegen ihrer Fähigkeiten komplett im Chaos versinkt, muss sie mit ihren Eltern Regina (Peri Baumeister) und Ferdinand (Tom Beck) und ihrem Hund Bonsai (gesprochen von Bürger Lars Dietrich) umziehen. In der neuen Stadt schwört Lilli, ihr Geheimnis für sich zu behalten. Doch dann macht ein gemeiner Tierdieb den städtischen Zoo, in dem Zoodirektorin „Oberst Essig“ (Meret Becker) mit dem gutmütigen Tierpfleger Toni (Christoph Maria Herbst) arbeitet, unsicher – und Tonis berechnende Freundin, die aufgetakelte Vanessa (Aylin Tezel), spielt ein falsches Spiel. Nur Lilli kann – unterstützt vom Nachbarsjungen Jess (Aaron Kissiov) – helfen, Babyelefant Ronni und die anderen Tiere zu retten. Das Abenteuer kann beginnen!

Kritik

Mit mittlerweile 18 Bänden in gerade einmal elf Jahren gehört die Buchreihe „Liliane Susewind“ zu den jüngsten Hits der Kinder- und Jugendliteratur. Seit dem ersten Band „Mit Elefanten spricht man nicht!“ aus dem Jahr 2007 verkaufen sich die Bücher wie geschnitten Brot und richten sich vorwiegend an eine Leserschaft im Grundschulalter (einige der Bücher haben eine Altersempfehlung ab sechs, andere wiederum ab acht Jahren). In den Geschichten geht es um die gleichnamige Titelheldin Liliane, kurz Lilli, die als eine Art Nachwuchs-Doktor-Doolittle regelmäßig auf verschiedene Vierbeiner trifft und im Zuge aufregender Abenteuer alles über ihre Eigenheiten und ihren Lebensraum erfährt. Damit einher geht das Engagement der Reihe für ein friedvolles Miteinander zwischen Mensch und Tier – ein leidenschaftliches Credo! Ebendiese Leidenschaft auch auf die aller erste Verfilmung „Liliane Susewind – Ein tierisches Abenteuer“ zu übertragen, wäre nun eigentlich die Aufgabe von Regisseur Joachim Masannek gewesen, der durch das „Die wilden Kerle“-Franchise ja eigentlich damit vertraut sein dürfte, bekannte Jugendmarken für die große Leinwand zu adaptieren. Doch Masannek nimmt bei seiner Inszenierung keine Rücksicht darauf und macht aus der charmanten Vorlage über eine harmlose Tierflüsterin eine überdrehte Groteske mit ätzenden Figuren, derbem Slapstick und keinerlei Gefühl für das emotionale Potenzial, das das Drehbuch eigentlich birgt.

Die Oberschurkin Vanessa (Aylin Tezel) verführt den naiven Zoowärter Toni (Christoph Maria Herbst) auf fragwürdige Weise.

Spätestens mit dem zweiten Teil hatte es sich die „Die wilden Kerle“-Reihe mit einem Großteil der Kritiker verscherzt. Für Joachim Masannek zählte lediglich die aufgesetzte Coolness – von Herz keine Spur. In den vor allem an männliche Kids gerichteten Fußballfilmen ging es zeitweise sogar erschreckend brutal und aggressiv zu: Die Jungs warfen sich übelste Beschimpfungen an den Kopf, oder prügelten ohne ironischen Unterbau ganz selbstverständlich aufeinander ein. Ganz so derb geht es in „Liliane Susewind – Ein tierisches Abenteuer“ – auch dank der völlig anders gepolten Vorlage – immerhin nicht zu, doch auch hier stehen vorwiegend Karikaturen und keine echten Menschen im Mittelpunkt. Während sich die immerhin noch weitestgehend unverbrauchten Nachwuchsdarsteller Mühe geben, authentisch zu agieren, soweit es die bisweilen hanebüchen konstruierten Dialoge eben zulassen, findet sich unter den erwachsenen Darstellern kaum einen, dessen Figur nicht vollkommen überzeichnet ist. Vom billigen Catwoman-Abklatsch (Aylin Tetzel als Schurkin) über den grenzenlos naiven Zoowärter (Christoph Maria Herbst) bis hin zur trottelig-verhuschten Zoobesitzerin Oberst Essig (Meret Becker), die Massunek selbst als „erwachsene Pippi Langstrumpf“ bezeichnet und damit den Nagel auf den Kopf trifft, besitzt keine der relevanten Nebenfiguren auch nur einen Hauch Erdung. Das zerrt im Laufe der 100 Minuten Lauflänge ordentlich an den Nerven.

Die Darsteller gehen steigen voll auf die anstrengende Charakterzeichnung ein und unterstreichen diese mit einer affektierten Spielweise, der letztlich aber doch wieder eine der jüngeren Aktricen die Krone aufsetzt: Newcomerin Felice Ahrens ist als Oberzicke Trixie eine absolute Katastrophe, doch ihr lässt sich im Anbetracht fehlender Schauspielerfahrung kaum ein Vorwurf machen – wäre es doch die Aufgabe des Regisseurs gewesen, hier rettend einzugreifen. So richtig hanebüchen sind da schon eher die Leistungen ihrer erwachsenen Kollegen: So hemmungslos chargierend hat man Christoph Maria Herbst („Stromberg – Der Film“), Meret Becker („Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“) und Aylin Tezel („Coming In“) noch nie gesehen. Die zwei halbwegs normal aufspielenden Mimen Peri Baumeister („Unsere Zeit ist jetzt“) und Tom Beck („SMS für Dich“) sieht man dagegen viel zu selten. Zusammen findet schließlich all das in der finalen Tanz- und Gesangseinlage (denn zu einem modernen Kinderfilm gehört neben Smartphones und Selfies natürlich auch noch ein fetziger Song!) Während die Kids hölzern (und playback) in völlig weltfremdem Teenie-Sprech ihre Hip-Hop-Zeilen vortragen, geben sich die restlichen Figuren albern-ungelenken Tanzeinlagen hin. Das ist – wie schon so Vieles zuvor – jedoch überhaupt nicht lustig, auch wenn sich die Verantwortlichen mit Durchfall habenden Eseln, Rotze niesenden Elefanten und der ständigen Betonung, dass ein Tierpfleger extrem müffelt, Mühe geben, die heranwachsende Generation an Kinogängern auf das Non-plus-Ultra an Pipi-Kacka-Kotze-Humor vorzubereiten.

Liliane (Malu Leicher) und ihr Schulfreund Jess (Aaron Kissiov) wollen die Tiere retten!

Doch immerhin eine Sache müssen wir „Liliane Susewind – Ein tierisches Abenteuer“ zu Gute halten: In der Inszenierung selbst steckt hier und da sichtbar viel Liebe zum Detail – also genau das, wovon auch die Bücher so viel haben, worauf Joachim Masannek letztlich jedoch keinerlei Rücksicht nimmt. Vor allem das Zoo-Setting namens Paradisia, für das ein stillgelegter Bahnhof in der Nähe von Aachen in einen Zoo umgewandelt wurde, ist aufwändig und zuckersüß gestaltet. Diese Tendenz zum Handgemachten verliert sich jedoch beim Blick auf die Tiere wieder. Weshalb die Macher einen Teil der Tiere am Computer entstehen ließen, anstatt Elefant und Pinguin direkt ans Set zu bringen, erklärt der Regisseur zwar mit den menschlichen Zügen, die man in den Tieren wiedererkennen sollte, doch das Ergebnis fällt selbst für einen für einen Film ohne Hollywoodbudget und aus dem Jahr 2018 unterirdisch aus. Gerade neben einem echten ausgewachsenen Elefanten wirkt der kleine Ronni eher einem Neunzigerjahre-Videogame entsprungen und fügt sich optisch überhaupt nicht in das reale Setting ein. Dasselbe gilt für die Pinguine und Mundbewegungen der mit Liliane sprechenden Tiere. Apropos sprechende Tiere: Lillis bestem Freund, den Parson Russell Terrier Bonsai, einen fetten Berliner Akzent anzudichten und auch viele der anderen Vierbeiner mit einem vermeintlich witzigen Sprachtick auszustatten, ist genauso altbacken wie die Idee, die beiden vertrottelten Polizisten sich andauernd versprechen zu lassen, um deren Inkompetenz zu unterstreichen.

Fazit: Die „Liliane Susewind“-Reihe erzählt eigentlich Geschichten über den respektvollen Umgang zwischen Mensch und Tier. In der tricktechnisch missratenen Verfilmung gibt es außer albernen Slapstick und nervtötenden Figuren nichts, was auch nur ansatzweise an die ehrenwerte Essenz der Vorlage erinnert.

„Liliane Susewind – Ein tierisches Abenteuer“ ist ab dem 10. Mai bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

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