Eine bretonische Liebe

In der französischen Romantikkomödie EINE BRETONISCHE LIEBE erfährt ein Vater von einem Familiengeheimnis – und verliebt sich zu allem Überfluss auch noch in seine Schwester. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
In der wunderschönen Landschaft der Bretagne geht Erwan (François Damiens) dem ungewöhnlichen Beruf des Minenentschärfers nach. Mit der dafür benötigten Ruhe ist es vorbei, als er erfährt, dass seine Tochter Juliette (Alice de Lencquesaing) schwanger ist und ihm nicht verraten will, wer der Vater der Kindes ist. Durch Zufall erfährt er auch noch, dass sein Vater Bastien (Guy Marchand) ihn nur adoptiert hat. Auf der Suche nach seinem leiblichen Vater trifft Erwan auf den spitzbübischen 70-jährigen Joseph (André Wilms), der Erwans Liebe zu der ungestümen Anna (Cécile de France) gehörig durcheinanderbringt.
Kritik
Liebe unter Geschwistern ist thematisch ein solch heißes Eisen, dass es auch im Film nur selten angefasst wird. Dass Regisseurin Carine Tardieu („La tête de maman“) es nun ausgerechnet zum Dreh- und Angelpunkt einer Romantic Comedy macht, ist da schon mehr als gewagt. Das geht allerdings nur, weil die französische Filmemacherin bis zuletzt offen lässt, ob ihre beiden Protagonisten Erwan und Anna auch wirklich ein und derselben Familie entstammen – und man kann sich im Anbetracht der genregemäß leichtfüßigen Tonalität denken, dass am Ende doch wieder alles darauf hinauslaufen wird, dass hier jeder zu dem Glück kommt, das er verdient. Als ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Inzest geht „Eine bretonische Liebe“ also schon mal nicht durch. Doch durch die Idee, es zumindest zu versuchen, gewinnt der im Original „Ôtez-moi d’un doute“ (was – inhaltlich ein wenig treffender – soviel bedeutet wie „Befrei mich von meinem Zweifel“) betitelte Film an Originalität und Brisanz. Schade, dass das Skript (ebenfalls Carine Tardieu) diese sympathischen Ansätze für ein gezuckertes Happy End im Sande verlaufen lässt.

Erwan (François Damien) und seine Tochter Juliette (Alice de Lencquesaing) erfahren beim Arzt Überraschendes…
„Eine bretonische Liebe“ braucht nicht lange, um direkt ins Thema einzusteigen: Als der sympathische Erwan bereits in der aller ersten Szene mit seiner schwangeren Tochter Juliette einen Arzt aufsucht, um sich, die Tochter und damit auch das Ungeborene auf eine Erbkrankheit hin untersuchen zu lassen, erfährt er durch Zufall davon, nicht mit seinem eigentlichen „Vater“ verwandt zu sein. Im Raum stehen fortan also direkt zwei Problemherde: Wer ist der leibliche Vater von Erwan und wer der Erzeuger von Juliettes Baby? Diese sich parallel ergebenden Erzählstränge werden allerdings nicht parallel fortgeführt. Dafür entwickeln beide Plots eine absolute Eigenständigkeit – und die Geschichte gewinnt an Authentizität. Natürlich schummeln sich auch immer mal wieder einige gezielt auf Pointe geschriebene Gags in die Story (und diese zünden beileibe nicht immer, doch immerhin verzichtet man völlig auf Witze unterhalb der Gürtellinie, geschweige denn beleidigenden oder herabwürdigenden Humor gegen jedwede Minderheiten, wie es im französischen Komödienkino zuletzt leider durchaus vorkam). Letztlich stehen in „Eine bretonische Liebe“ jedoch die Figuren im Mittelpunkt; und bei diesen beweist Carine Tardieu durchaus Fingerspitzengefühl.
Anders als in vielen anderen RomComs – und dabei muss man nicht bloß in Richtung vermeintlicher Traumfabrik Hollywood blicken – besitzen die Figuren in Tardieus „Eine bretonische Liebe“ Ecken und Kanten, einen eigenen Willen und handeln nie im Sinne der Geschichte; vielmehr orientiert sich der Verlauf der Geschichte an ihnen, an ihren Gedanken und ihren Entscheidungen. Das ist schön zu beobachten, denn auch, wenn der Film vor allem in der zweiten Hälfte verstärkt auf ein konstruiertes Happy End zuläuft, gefällt in der ersten doch vor allem das Spiel mit Realität und Wunschdenken. Da ist auf der einen Seite der verunsicherte Erwan, der sich um das (überraschend unkomplizierte) Kennenlernen mit seinem leiblichen Vater Joseph bemüht und sich dabei wahrlich geschickt anstellt. Gleichermaßen sehen wir auf der anderen Seite die deutlich schwierigere Auseinandersetzung Juliettes mit dem Kindsvater ihres ungeborenen Kindes – nachvollziehen kann man letztlich die Umgangsformen beider Zeitgenossen mit exakt derselben Problematik, zumal sie jeweils am anderen ausmachen können, wie klug es wäre, den jeweils anderen Weg zu gehen. In „Eine bretonische Liebe“ darf sowohl die vermeintlich unreifere Seite von der reiferen lernen, als auch die vermeintlich reife die Handlungen der unreiferen akzeptieren. Im Mittelpunkt steht stets das individuelle Glück, das Tardieu auf den letzten Metern leider verwässert.
Die Liebesgeschichte zwischen Erwan und seiner (Vielleicht-)Schwester Anna nimmt aus der eigentlich spannenden Ausgangssituation nicht bloß allerhand Dynamik, indem sich Carine Tardieu mit der Zeit immer mehr auf das Kennenlernen zwischen Mann und Frau konzentriert; es raubt „Eine bretonische Liebe“ auch an Glaubwürdigkeit, wenn sich die Macher zu Beginn betont unperfekt geben, nur um schließlich alles genau in jene Bahnen zu lenken, in denen der Zuschauer jeden einzelnen Subplot schließlich als „geglückt“ abhaken darf. „Eine bretonische Liebe“ wäre auch ohne das Bemühen um ein möglichst harmonisches Finale ein wirklich ordentlicher Film geworden, zumal die Darsteller allesamt eine starke Leistung abgeben. François Damiens („Verstehen Sie die Béliers?“) gibt in der Interaktion mit seinem Filmvater André Wilms („The Forbidden Room“) den unsicheren Sohn, gibt seiner Tochter als Vater Sicherheit und versucht, Vernunft walten zu lassen, als er erfährt, dass seine Angebetete möglicherweise seine Schwester ist. In diesen emotionalen Wirren kann sich Damiens voll entfalten und hat die Gunst der Zuschauer rasch auf seiner Seite. Neben ihm brilliert in erster Linie Alice de Lencquesaing („Die Lebenden reparieren“) als seine toughe Tochter Juliette. Cécile de France („La belle saison“) hat es als Anna dagegen umso schwerer – das Skript hat für sie nicht bloß die schwächsten Dialoge parat, sie spielt sich bisweilen auch an den Rand des Overactings und muss von ihren deutlich stärkeren Kolleginnen und Kollegen geerdet werden.
Fazit: „Eine bretonische Liebe“ ist eine charmante Komödie mit einem hübschen Storydreh, bei der auch die facettenreichen Figuren nicht zu kurz kommen. Leider geht der Geschichte zum Ende hin spürbar die Puste aus und verliert sich zwischendurch immer wieder in Banalitäten.
„Eine bretonische Liebe“ ist ab dem 21. Dezember in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.