Magical Mystery

In der Quasi-Fortsetzung von Kult-Komödie „Herr Lehmann“ gibt es ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten: Der beste Kumpel Karl Schmidt schließt sich in MAGICAL MYSTERY einer Gruppe von Techno-Musikern an. Was das alles wiederum mit Herr Lehmann zu tun hat, das verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Mitte der 1990er-Jahre trifft Karl Schmidt (Charly Hübner) in Hamburg durch einen Zufall seine alten Kumpels wieder. Während Karl am Tag der Maueröffnung einen depressiven Nervenzusammenbruch erlitt und in die Klapse eingeliefert wurde, sind die alten Freunde mittlerweile zu Stars der deutschen Techno-Szene geworden. Mit ihrem erfolgreichen Plattenlabel wollen sie eine „Magical Mystery“-Tour durch Deutschland machen, um den Rave der 90er mit dem Hippiegeist der 60er zu versöhnen. Und genau dazu brauchen sie einen Fahrer, der immer nüchtern bleiben muss. Das kommt Karl Schmidt gerade recht, denn der hat keine Lust mehr auf das triste Leben in seiner Therapie-WG. Es beginnt ein abenteuerlicher Roadtrip durch das Deutschland der 90er, unternommen von einer Handvoll Techno-Freaks und betreut von einem psychisch labilen Ex-Künstler. Was kann da schon schiefgehen?

Kritik

Leander Haußmanns Leinwandadaption von Sven Regeners Erfolgsroman „Herr Lehmann“ etablierte in ihrem Erscheinungsjahr 2003 nicht bloß den heute renommierten und damals vor allem durch seine MTV-Engagements bekannten Christian Ulmen im Filmgeschäft. Sie avancierte in ihrer vom Mauerfall geprägten, melancholischen und dabei stets authentischen Inszenierung auch zu einem echten Phänomen. Mittlerweile ist über ein Jahrzehnt vergangen und die redselige Tragikomödie ist längst zum Kult geworden. Obwohl Regener mit „Neue Vahr Süd“ (wurde 2010 von Hermine Huntgeburth verfilmt) und „Magical Mystery – Die Rückkehr des Karl Schmidt“ noch zwei weitere Bücher rund um den Herr-Lehmann-Kosmos geschrieben hat, lag eine Fortsetzung bislang nicht wirklich nah. Und dass sich „Stromberg“-Kreativkopf Arne Feldhusen der Verfilmung von letztgenanntem Kandidaten annehmen würde, geschah auch nur durch den Zufall, dass die an der „Stromberg“-Kinofilm-Postproduktion beteiligte Regener-Gattin Charlotte Goltermann ihm aus dem Bauch heraus den Roman in die Hand drückte. Im Zuge dieser von Feldhusen selbst so beschriebenen Schockliebe entstand der Plan einer Verfilmung. Den Tonfall von Vorlage und Vorgänger trifft Arne Feldhusen dabei ähnlich stilsicher wie Haußmann damals. Doch wo die herrlich absurden Dialogsalven eines Herr Lehmann noch in der Lage waren, ganze zwei Stunden vollständig allein zu tragen, fehlt es „Magical Mystery“ bisweilen an Mut, genau diesen eigensinnigen Ansatz auch hier für sich arbeiten zu lassen.

Charly Hübner mimt in „Magical Mystery“ Karl Schmidt, der zuvor noch von Detlev Buck verkörpert wurde.

Das wohl kurioseste Detail an „Magical Mystery“ findet sich in der Besetzung: Wurde Hauptfigur Karl Schmidt in „Herr Lehmann“ noch von Detlev Buck („Bibi & Tina – Tohuwabohu total“) verkörpert, ist fortan Charly Hübner („Banklady“) in der Rolle des einst manisch-depressiven Künstlers zu sehen. Noch absurder wird dieser Umstand dadurch, dass Detlev Buck trotzdem in „Magical Mystery“ auftaucht, allerdings die Rolle des Label-Bosses Ferdi übernimmt. Arne Feldhusen begründet diese Entscheidung damit, dass er nicht wollte, dass „Magical Mystery“ und „Herr Lehmann“ allzu eng miteinander verknüpft seien. Stattdessen sollen beide Filme für sich stehen und unabhängig voneinander funktionieren, was man schon daran erkennt, dass der dieses Filmuniversum auf den Weg gebrachte Herr Lehmann – anders als im Roman – hier nicht einmal mehr in Gesprächen vorkommt; ganz so, als hätte es ihn nie gegeben. Im Anbetracht dessen, dass „Magical Mystery“ tonal die in „Herr Lehmann“ so dominante Nachdenklichkeit abgeht, ist das aber auch ganz gut so. Stattdessen ist Feldhusens Film so etwas wie eine Partykomödie 40 plus. Die bereits mit jeder Menge Lebensweisheit ausgestatteten, dabei jedoch nicht minder spleenigen Hauptfiguren vergessen auf ihrer Club-Tour schon mal ihr Alter und feiern losgelöst von den Probleme der Erwachsenen. Aus diesem Clash aus Reife und Naivität zieht die Geschichte einen Großteil ihres Reizes – gerade wenn Raimund, Ferdi und Co. während ihrer durchzechten Nacht Dinge tun, die sich sonst eher auf Klassenfahrten Pubertierender abspielen, schüttelt man auf der einen Seite den Kopf, während man – ist man einmal ehrlich – doch eigentlich schon nochmal ganz gern so unbedarft wäre, wie die Kerle hier.

Durch die Hauptfigur des Karl Schmidt, der aufgrund seines ehemaligen Alkoholproblems stets nüchtern bleiben muss, ermöglicht es uns das von Sven Regener selbst verfasste Skript, die Ereignisse aber auch durch die unverfälscht-klare Brille zu sehen. So richtig melancholisch wird es in „Magical Mystery“ zwar nicht, doch indem die Tour Karl permanent auf die Probe stellt, nicht doch wieder in sein altes (Trink-)Muster zu verfallen, ist eine dramatische Fallhöhe gegeben. Leider schenkt Arne Feldhusen diesem Ansatz nicht die volle Aufmerksamkeit, sondern widmet sich stattdessen vornehmlich seiner feierwütigen Meute. Dass sich hieraus amüsante Szenen ergeben, ist in erster Linie aber trotzdem wieder Karl zu verdanken. Sein Bemühen darum, die Crew nach ihren Partynächten wieder zu alter Frische zu verhelfen, selbst in den skurrilsten Szenen jene Haltung zu bewahren, die seinen verkaterten Kollegen nicht mehr möglich ist (in der besten Szene des Films muss  Karl eine sentimentale Trauerrede halten – für wen, verraten wir aber an dieser Stelle wohlweislich nicht) und seine aufkeimenden Gefühle für eine Zufallsbekanntschaft im Zaum zu halten, ist ganz großes Kino.

Werner (Bjarne Mädel) leitet eine Drogen-WG in Hamburg-Altona.

Das gilt auch für die restlichen Figuren und Darsteller: Wirklich ausführliche Hintergrundinfos erhalten wir zwar zu keiner von ihnen, doch mit was für einer losgelösten Spielfreude Detlev Buck, Marc Hosemann („Liebe deine Nächste!“),  Annika Meier („Der Tatortreiniger“) oder Bjarne Mädel („24 Wochen“) hier aufspielen, ist verdammt ansteckend. Das liegt nicht zuletzt auch am durch und durch realistischen Ninties-Flair, das Arne Feldhusen mithilfe des kultigen Soundtracks, bestehend aus Songs von Deichkind bis Westbam, sowie einem guten Auge für Ausstattung und Settings auf die Leinwand bringt. Auf ihrer Deutschlandtour führt es die Crew nämlich nicht bloß von einem Club zum nächsten; die Macher nehmen sich auch immer wieder die Zeit für ein kleines Stück Lokalkolorit, wobei die Hansestadt Hamburg hiervon am meisten zu spüren bekommt. Vor allem der Einblick in die Drogen-WG, geleitet von „Stromberg“-Ernie Bjarne Mädel, verleitet einen zu Schwärmereien über ein mögliches Spin-Off und man hätte auch kein Problem damit, Hauptfigur Karl Schmidt noch ein wenig weiter dabei zuzusehen, wie dieser nach und nach versucht, sein Leben zu ordnen. So aber ist „Magical Mystery“, der mit seinem Untertitel „Oder die Rückkehr des Karl Schmidt“ noch einmal deutlich macht, um wen es hier hauptsächlich geht, eine leichtfüßige Neunzigerjahre-Momentaufnahme mit jeder Menge Musik im Blut und dem Herz am rechten Fleck, auch wenn man auf die unaufgeregte Dramaturgie und die hohe Dialoglastigkeit Lust haben muss.

Fazit: Auch ohne das Auftauchen von Herrn Lehmann ist die indirekte Fortsetzung des Kultfilms, „Magical Mystery“, ein kernig-authentisches Vergnügen voller liebenswert-skurriler Figuren und jeder Menge absurder Dialoge, das auch ohne Alkohol ansteckt.

„Magical Mystery“ ist ab dem 31. August in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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