Bleed For This

Boxerfilme folgen in der Regel einem wiederkehrenden Muster. So auch der auf einer wahren Geschichte beruhende BLEED FOR THIS. Ob sich das auf die Qualität des Films auswirkt, das verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Der aus dem US-Bundesstaat Rhode Island stammende, italienische Boxer Vinny Pazienza (Miles Teller) alias „The Pazmanian Devil“ kommt bei einem Autounfall zwar knapp mit dem Leben davon, bricht sich aber das Genick. Die niederschmetternde Prognose: Er wird vielleicht nie wieder laufen können. Doch Vinny schließt sich mit dem Trainer Kevin Rooney (Aaron Eckhart) zusammen und schafft das unmöglich Geglaubte – schon bald steht er nicht bloß wieder eigenständig auf beiden Beinen, sondern plant sogar seine Rückkehr in den Boxring. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg…
Kritik
Das Gros an Boxerdramen läuft nach einem bestimmten Muster ab: Auf den großen Erfolg folgt ein Schicksalsschlag – meist in Form einer Krankheit oder eines schweren Verlusts. Anschließend rappelt sich die Hauptfigur auf, trainiert wie verbissen für das Comeback, um sich im Rahmen eines spektakulären Schlussfights endgültig wieder in den Olymp zu boxen. Meist funktioniert das recht gut, da entweder die Darstellerleistungen stimmen („Southpaw“), oder die emotionalen Umstände spannend und ansprechend geraten („Creed“) – an der bewährten Formel etwas zu ändern, trauen sich hingegen nur die Wenigsten. Dass den italienisch-stämmigen Boxer Vinny Pazienza einst tatsächlich ein Spielfilmtaugliches Schicksal ereilte, ist natürlich nicht seine Schuld. Gleichwohl ist nicht zu leugnen, dass die Handlungsbasis für das Sportler-Biopic „Bleed for This“ damit einmal mehr dieselbe ist. Es liegt an Regisseur und Drehbuchautor Ben Younger („Couchgeflüster“), aus der nur allzu bekannten Prämisse vom nicht zu brechenden Boxer genug Drive und Esprit herauszuholen, um den Zuschauer nicht mit dem x-ten Aufguss des Themas zu langweilen. Was für ein Glück, dass der Filmemacher nicht nur einen ansehnlichen Cast auf seiner Seite hat, sondern auch manch fieses Storydetail. Zusammengenommen ergibt das mit „Bleed for This“ einen soliden Genrebeitrag, an den sich jedoch in wenigen Monaten kaum mehr einer erinnern wird.

Vinny (Miles Teller) hat als Boxer großen Erfolg. Immer an seiner Seite: sein Trainer Kevin Rooney (Aaron Eckhart).
Das Schicksal von Vinny Pazienza ist bemerkenswert: Im Alter von 29 Jahren brach sich der Profiboxer während eines schweren Autounfalls das Genick, hielt jedoch noch während des Genesungsvorgangs an seinem Wunsch fest, nicht bloß wieder laufen, sondern irgendwann auch wieder Boxkämpfe bestreiten zu können. Es ist tatsächlich die besondere Schwere der Verletzung, wodurch „Bleed for This“ sein Haupt-Alleinstellungsmerkmal erhält. Denn so zynisch es klingt, so spannend und interessant ist es doch, dabei zuzusehen, wie sich ein Mann mithilfe eines in den Schädel eingelassenen Halsgestells nach und nach wieder zurück ins Leben kämpft. Das tut mitunter schon mal richtig weh: Nicht nur während der direkt vor der Kamera stattfindenden Schädeloperation werden die Nerven des Publikums malträtiert. Wenn der schwer angeschlagene Vinny später nach Hause gefahren wird und beim Aussteigen mit voller Wucht gegen das Autodach stößt, dann sind die Schmerzen, die Miles Tellers Figur hier durchleben muss, auch für den Zuschauer spürbar. „Bleed for This“ ist in dieser Hinsicht wirklich hart; dass die FSK den Film ab 12 freigab, mutet im Anbetracht des Gezeigten (und mit dem Wissen, dass „Southpaw“ einst eine Freigabe ab 16 erhielt) nicht unbedingt selbstverständlich an. Und es ist hier lange Zeit auch nicht unbedingt der berauschende Kampfgeist, durch welchen viele Sportlerfilme ihr bekanntes „Gib niemals auf!“-Flair erhalten. Stattdessen regiert „Bleed for This“ in der ersten Hälfte purer körperlicher Schmerz. Vom Ehrgeiz und dem Willen, wieder ganz nach oben zu kommen, ist hier weit und breit noch nichts zu spüren.
Für die notwendige Aufbruchstimmung sorgt in der zweiten Hälfte die Resignation aus Vinnys Umfeld. Das Skript von Ben Younger lässt immer wieder die besorgten Familienmitglieder zu Wort kommen und versucht nicht nur aufzuzeigen, wo die Grenze zwischen ehrlichem Mitgefühl und geheucheltem Mitleid verläuft, sondern auch, ab wann sich die permanente Emotionalisierung der Ereignisse negativ auf den Erkrankten auswirkt. Mitunter geraten derartige Momente ein wenig zu plakativ. Etwa wenn Vinny Besuch von seiner Liebschaft bekommt, die nach einigen missratenen Kussversuchen zu dem Schluss kommt, mit dem Gestell um Vinnys Kopf plötzlich Probleme zu haben. Doch „Bleed for This“ findet den richtigen Absprungpunkt, um die aufgestaute Resignation Vinnys schon bald in glaubhaften Ehrgeiz (und nicht etwa Größenwahn) umzukehren. Mit dafür verantwortlich ist vor allem der Charakter des Trainers. Eine Szene, in welcher Vinny und Kevin bei Vinnys Familie am Tisch sitzen und sich kurz nach der Planung der bis dato noch geheim gehaltenen, kommenden Trainingseinheiten verstohlen zugrinsen, sagt viel aus und etabliert nicht nur das starke Band zwischen den beiden Freunden, sondern grenzt den Wahnwitz hinter dieser Aktion auch gezielt von der realistischen Umgebung ab. Tatsächlich fühlt sich „Bleed for This“ geerdeter, realistischer und damit eben auch pessimistischer an, als viele andere Filme dieses Kalibers. Trotzdem wirkt gerade dadurch der langsam aufkeimende Optimismus und sich zwischendurch entwickelnde Witz besonders authentisch. Schade ist nur, dass Ben Younger diese inszenatorischen Pluspunkte nicht auch auf die Geschichte selbst überträgt. Erzählerisch findet sich sein Film nämlich schon bald auf derselben Spur wie die meisten derartigen Genreproduktionen.
Punkten kann dagegen Miles Teller („War Dogs“). Dessen kraftvolle Berserker-Performance sticht im Kontrast zur fast dokumentarisch anmutenden, technischen Inszenierung umso stärker heraus. Schon in „Whiplash“ gab der 30-jährige Schauspieler einen vom Erfolg besessenen Zeitgenossen zum Besten. In „Bleed for This“ hat er sich darüber hinaus die nötigen Muskeln angeeignet und verkörpert den verbissenen Sportler bis in die Fingerspitzen. Aaron Eckhart („Sully“) gibt an Vinnys Seite den nicht minder motivierten, aber auch skeptischen Trainer ab, der in jeder Lebenslage zu seinem Schützling steht und trotzdem versucht, nicht gegen seine Prinzipien zu verstoßen. Im Duo stehlen die beiden Darsteller alle anderen die Show, was in „Bleed for This“ aber auch kein Problem darstellt. Der Rest des Casts erfüllt lediglich seinen soliden Job als Randnotiz und treibt allenfalls den Plot an Stellen voran, wo Einwirkung von außen nötig ist. Womit sich Ben Younger betont von der Konkurrenz abgrenzt, ist die fast schon beiläufige Inszenierung der prägnanten Schlüsselszenen. Sowohl der Autounfall, als auch der finale Schlusskampf verzichten auf pathetische Zeitlupensequenzen, bedeutungsschwangere Musiken oder andere Effekthascherei. „Bleed for This“ verlässt sich vollständig auf das Schicksal seiner Hauptfigur. Und da dieses ziemlich einprägsam ist, gerät der Film bei aller Austauschbarkeit immer noch überraschend sehenswert.
Fazit: Ein Boxerdrama nach bekannten Mustern, in dem der Schmerz regiert – „Bleed for This“ punktet mit starken Darstellerleistungen und einer Entzauberung des typischen „Gib niemals auf!“-Gedanken. Doch bis zuletzt bleibt Ben Youngers Arbeit zu geradlinig, um auch nur irgendwie zu überraschen.
„Bleed for This“ ist ab dem 13. April in den deutschen Kinos zu sehen.