The Birth of a Nation – Aufstand zur Freiheit

Direkt nach seiner Premiere auf dem Sundance Filmfestival sah man das provokante Rassendrama THE BIRTH OF A NATION – AUFSTAND ZUR FREIHEIT schon einen Oscar nach dem anderen abräumen. Dann kam ein Skandal und übrig blieb ein Film, der ohnehin kaum die Chance auf Preise gehabt hätte. Mehr dazu in meiner Kritik.

Der Plot

30 Jahre vor Ausbruch des Bürgerkriegs, irendwo im Süden der Vereinigten Staaten von Amerika: Nat Turner (Nate Parker), ein belesener Sklave und Prediger, arbeitet auf der Plantage von Samuel Turner (Armie Hammer). Als dieser vom Bankrott bedroht wird und das lukrative Angebot erhält, Nats Fähigkeiten als Prediger dafür zu nutzen, renitente Sklaven zu domestizieren, willigt er ein. Im Zuge seiner Tätigkeit wird Nat Zeuge unzähliger Gräueltaten – am eigenen Leib bekommt er sie zu spüren, wie auch seine Frau Cherry (Aja Naomi King) und befreundete Sklaven. Als er nicht mehr weiterweiß, zettelt er einen Aufstand an – in der Hoffnung, so sein Volk in die Freiheit zu führen.

Kritik

Eigentlich sollen die weltweiten Filmpreisjurys ja nur die Qualität der eingereichten Filme bewerten. Im Regelfall gehen die ausgewählten Damen und Herren jedoch weit über die ihnen anvertrauten Kompetenzen hinaus; so wurde beispielsweise schon mehrfach der Verdacht geäußert, ein Leonardo DiCaprio hätte aufgrund seines unsteten Liebeslebens derart lange auf einen Oscar warten müssen und es kommt nicht selten vor, dass Nominierte aus Prestige- oder Altersgründen, nicht aber unbedingt für die im betreffenden Jahr erbrachte Leistung festgelegt werden. Als Nate Parkers Rassendrama „The Birth of a Nation“ bei sämtlichen Preisverleihungen der kürzlich abgeschlossenen Saison leer ausging, suchten viele Beobachter den Grund im Vergewaltigungsskandal, der nach dem Dreh von „The Birth of a Nation“ neu entflammte. Ende der Neunzigerjahre soll Regisseur und Hauptdarsteller Nate Parker („Non-Stop“) an der Vergewaltigung einer Kommilitonin beteiligt gewesen sein. Man einigte sich auf eine Summe von 17.000 US-Dollar, die dem mutmaßlichen Opfer ausgezahlt wurde. Damit war die Sache vom Tisch. Nicht so für die Presse, die den Fall noch während der Dreharbeiten wieder aufrollte und den Film somit noch vor Erscheinen ordentlich in Verruf brachte. Ob derartige Methoden im Filmjournalismus etwas zu suchen haben, soll an dieser Stelle überhaupt nicht beurteilt werden. Stattdessen geht es um den Film. Und wenn man einmal ehrlich ist, dann hätte dieser es vermutlich ähnlich unweit gebracht, wenn dieser Skandal nicht erneut zutage gefördert worden wäre.

„The Birth of a Nation“ zeigt das erlebte Grauen der Sklaven in seinen furchtbarsten Facetten.

Grundsätzlich ist es natürlich erst einmal schwer, einem Film wie „The Birth of a Nation“ guten Gewissens Schwächen aufzuzeigen. Wenn sich ein Afroamerikaner dazu entschließt, einen Film über eines der schlimmsten Kapitel der US-amerikanischen Geschichte zu drehen – die Zeit, in welcher der Sklavenhandel zu den natürlichsten Dingen der Welt gehörte – dann steckt dahinter nicht selten auch die Aufbereitung persönlicher Erfahrungen. Darüber hinaus sehen sich nach dem politischen Machtwechsel ausgerechnet die Vereinigten Staaten heutzutage wieder verstärkt mit dem Thema Rassengleichheit (und vermeintlicher Ungleichheit) konfrontiert, weshalb Filme wie „12 Years a Slave“, „Selma“ oder jetzt eben auch „The Birth of a Nation“ definitiv ihre Berechtigung haben. Dass man sich außerdem nicht länger daran aufhalten möchte, einfach nur die Schicksale einzelner Menschen nachzuerzählen, sondern auch ganz neue Perspektiven dafür auszuwählen, zeigt demnächst der phänomenale, von Kritikern weltweit zurecht gefeierte Horrorfilm „Get Out“, der zwar ein und dieselbe Thematik betrachtet, aber nicht das dafür prädestinierte Genre des Dramas wählt. Exakt so geht auch Nate Parker vor, dessen „The Birth of a Nation“ erzählerisch zwar schon an ein Drama erinnert; gleichwohl entscheidet sich der 38-jährige Filmemacher, vor allem in der zweiten Hälfte einen wesentlich rabiateren Weg einzuschlagen, als viele seiner Kollegen. Dann nämlich erinnert sein Projekt weniger an „12 Years a Slave“ denn vielmehr an das Finale aus „Django Unchained“ – und wie wir wissen, war Quentin Tarantino noch nie zimperlich, wenn es darum ging, ausgeübte Ungerechtigkeit mit dem Vergießen von Blut zu begleichen.

Ganz richtig: „The Birth of a Nation“ mutiert in der zweiten Hälfte zu einem waschechten Rachethriller. Wurde vorher schon Menschen mit Hammer und Meißel Zähne ausgeschlagen, werden fortan Äxte in Menschenkörper gerammt und Köpfe abgetrennt. Experimentell und mutig ist das allemal. Zumal Nate Parker in seiner Aussage äußerst provokantes Terrain begeht. Wenn er seinen Nat Turner einen bewaffneten Aufstand anzetteln lässt, in dessen Folge ein wütender Menschenmob mordend von Haus zu Haus zieht, dann katalysiert sich zwar der vorab zu Recht aufgestaute Hass und die damit einhergehende Hilflosigkeit gegenüber so viel Unrecht von Seiten der Sklavenhalter. Gleichwohl entscheidet sich Nate Parker bewusst dafür, Hinweise für die gegenteilige Interpretationsmöglichkeit zu streuen: Rechtfertigt noch so brutal ausgeübte Gewalt tatsächlich Gegengewalt? In „The Birth of a Nation“ gehen die Macher sogar so weit, zu betonen, dass auch Unschuldige zum Opfer von Nate und seiner Truppe gehören könnten, womit der Film ganz bewusst das Moralverständnis der Zuschauer prüft. Normalerweise forcierten Filme über die Apartheit sowie die Gräueltaten zu Zeiten der Sklavenhaltung gezielt den ohnehin selbstverständlichen Hass gegenüber den weißen Machthabern. In diesem Fall lässt Nate Parker neben dem befreienden „Endlich kommt ihr dazu, euch zu rächen!“-Gedanken auch noch eine gehörige Portion Skepsis anklingen – erst recht im Hinblick darauf, wie die Ereignisse von einst tatsächlich ausgegangen sind.

Aja Naomi King und Nate Parker spielen gut, doch das Skript legt ihnen Steine in den Weg.

Bis hierhin liefert „The Birth of a Nation – Aufstand zur Freiheit“ tatsächlich einen höchst interessanten und vor allem neuen Gesichtspunkt auf das schon vielfach erzählte Thema und erst recht der Wechsel vom schweren Drama hin zu dem Teil des Films, indem plötzlich die aus Rache ausgeübte Gewalt regiert, gerät überraschend unholprig. Wer vorab daran zweifelte, dass der Übergang zwischen dem „12 Years a Slave“-Part hin zur „Django“-Variation ja überhaupt nicht gelingen könne, wird aufgrund einer stark inszenierten Flashback-Montage vom Gegenteil überzeugt. Als deutlich weniger gelungen stellt sich hingegen die emotionale Balance heraus. In das ohnehin tragische Abbild der damaligen Zeit flechtet Regisseur Nate Parker jede Menge religiösen Symbolismus mit ein. Das soll  „The Birth of a Nation“ vermutlich um eine Erzählebene ergänzen, doch in Wirklichkeit ergießt sich der Film ausgerechnet hierdurch zu oft in melodramatischen Oberflächlichkeiten. Man möchte fast von Kitsch sprechen, wenn Nat Turner seiner auf dem Anwesen kennengelernten Freundin Cherry im Mondlicht einen Heiratsantrag macht und dabei nicht umher kommt, noch einmal die traurigen Lebensumstände zu betonen, in denen sie und ihre Kinder aufwachsen werden. Auch eingeschobene Signalbilder von spielenden Kindern in Zeitlupe, von denen das schwarze einen Strick um den Hals trägt, untermalt Parker lieber mit hochdramatischer Musik (Score: Henry Jackman), anstatt sie einfach für sich stehen zu lassen. Wenn dann zu guter Letzt auch noch verstärkt auf Engelsvisionen zurück gegriffen wird, können Darsteller wie Armie Hammer („Free Fire“) oder der einen Großteil des Films auf seinen Schultern stemmende Nate Parker noch so überzeugend sein: Gegen die anstrengende Überstilisierung von Bildern, die auch schon so für sich sprechen würden, können selbst sie nichts unternehmen.

Fazit: Regisseur Nate Parker lässt die Geschehnisse in seinem äußerst brutal inszenierten „The Birth of a Nation – Aufstand zur Freiheit“ nicht für sich sprechen, sondern verlässt sich auf diverse Stilmittel, die das Gezeigte eher verwässern anstatt es zu unterstreichen. Trotz eines interessanten Erzählansatzes ist sein Film leider nur Durchschnitt.

„The Birth of a Nation – Aufstand zur Freiheit“ ist ab dem 13. April in den deutschen Kinos zu sehen.

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