Videoabend: Martyrs U.S.

Kino ist teuer, mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden und wer generell nicht gern unter Leute geht, der muss die Stoßzeiten meiden, um einen Film in Ruhe und ohne Störungen genießen zu können. Wenngleich die Videotheken nach und nach vom Online-Streaming verdrängt werden, geht doch nichts über einen gemütlichen Filmeabend auf dem heimischen Sofa. Obwohl die Auswahl riesig ist und Kinofilme immer schneller nach ihrem Start auch auf DVD und Blu-ray Disc erhältlich sind, lohnt sich sich ab und zu, einen Blick auf den Direct-to-Video-Markt zu werfen. Manchmal finden sich hier nämlich echte Perlen, ebenso sehr wie solche, die sich erst im Nachhinein als Rohrkrepierer erweisen. In meiner Rubrik VIDEOABEND möchte ich Euch jede Woche einen Film vorstellen, der es hierzulande nicht oder nur sehr limitiert ins Kino geschafft hat.

Diese Woche widme ich mich dem US-Remake des französischen Terrorfilms „Martyrs“, das seit dem 3. November 2016 auf DVD und Blu-ray Disc im Handel erhältlich ist.

Martyrs U.S.

Die 10-jährige Lucie kann aus einem einsam gelegenen Schuppen entkommen, in dem sie gefangen gehalten wurde. Tief traumatisiert kommt sie in ein Waisenhaus, wird aber permanent von schlimmen Alpträumen heimgesucht. Nur Anna, ein Mädchen in ihrem Alter, kann ihr dort Sicherheit bieten. Fast ein Jahrzehnt später kann Lucie (Troian Bellisario), noch immer von Dämonen verfolgt, die Familie aufspüren, die sie so gequält hat. Mit Annas (Bailey Noble) Hilfe kommt sie der qualvollen Wahrheit näher – und ihre Alpträume werden plötzlich ganz real. Lucies Pein von einst ist nämlich nur ein winziger Teil eines Experiments, anhand dessen eine Gruppe aus fanatischen Forschern versucht, hinter die Frage zu kommen, was auf der Schwelle zwischen Leben und Tod auf uns wartet. Und Lucie war den Qualen damals schon so nah, dass es sich die Täter nicht nehmen lassen können, dort anzusetzen, wo so einst aufgehört haben…

Tiberius Film bewirbt ihn wie folgt:

The Ultimate Horror Movie!

Kritik

Der französische Horrorfilm „Martyrs“ von Pascal Laugier gehört erwiesenermaßen zu den härtesten Produktionen, die es jemals auch nur in irgendein Kino geschafft haben. In Deutschland landete der Film direkt auf dem Index; frei erhältlich ist mit dem Erscheinen des US-Remakes allenfalls eine um sechs Minuten gekürzte Fassung ohne Jugendfreigabe. Wer allerdings das zweifelhafte Glück hatte, einmal in den noch viel zweifelhafteren „Genuss“ des von Verächtern irrtümlich dem Torture Porn zugeordneten Film gekommen zu sein, der wird so schnell nicht das Bedürfnis gehabt haben, ihn noch einmal zu sehen. Stellvertretend sei dafür gar nicht die Szene aller Szenen genannt, in der eine am ganzen Leib gehäutete (!) Frau an einem Kreuz aufgehangen wird; würde man diesen Moment nehmen, um das französische Original zu beschreiben, würde man den Kern des Projekts nämlich gar nicht erfassen. Viel schlimmer und deshalb eben absolut nicht erträglich, sind vor allem die dem voran gehenden Folterungen, die anders als in „Saw“ und Co. nicht mit irgendwelchen abstrusen Maschinen vorgenommen werden (woraus sich ja dann auch ein nicht zu leugnender Spaß beim Zuschauer ergibt), sondern durch Schläge, Essensentzug und Einzelhaft. Damit ist der europäische „Martyrs“ in der Aussage so etwas wie eine moderne Version von Michael Hanekes „Funny Games“, die da lautet: „Gewalt ist nicht konsumierbar“. Und da das US-Remake genau diese Botschaft mit Füßen tritt, die gezeigte Gewalt sehr wohl konsumierbar macht und das dann noch nicht einmal zeigt, um den Schwerpunkt dadurch woanders zu setzen, schlägt „Martyrs U.S.“ von den Gebrüdern Kevin und Michael Goetz auf ganzer Linie fehlt.

Die Krux an „Martyrs U.S.“ ist nämlich vor allem die, dass die beiden Regisseure zwar versuchen, ihren Film mit mehr inhaltlicher Substanz zu unterfüttern, als einen „normalen Torture Porn“, an Intensität gewinnt das Projekt dadurch aber nicht. Dafür sind die Dialoge und der Versuch, die Hintergründe des Grauens nachzuzeichnen, viel zu banal und eintönig. Zudem schaffen es die beiden Hauptdarstellerinnen in Ermangelung an Erfahrung nicht, das körperliche, vor allem aber das psychische Leid ihrer Figuren glaubhaft an den Zuschauer heranzutragen. Wenn Lucie vor Schmerzen schreit, weil man ihr bei lebendigem Leib ein Stück Haut aus dem Körper schneidet, erkennen wir in dem Zusammenhang natürlich die dahinter steckenden Qualen. Doch die das Geschehen ja erst so abgründig machende Zeit, die für das Brechen der Seele aufgewendet wird, wird in „Martyrs U.S.“ nicht aufgebracht. Auf eine lange Rückblende folgt das Aufeinandertreffen mit den Peinigern; erst in den letzten zwanzig Minuten wird das, wofür Pascal Laugier in seinem Film satte 100 Minuten aufgebracht hat, im Eilverfahren abgehandelt. Natürlich tun die Gewaltspitzen auch in diesem US-Remake beim Hinschauen weh. So einprägsam wie das französische Original kann er aber durch diese Form der Inszenierung nicht geraten. Da hilft es auch nicht, dass man hier erneut dazu übergeht, den dreckigen Look des europäischen Terrorkinos auf Hochglanz zu polieren.

MARTYRS U.S. stammt von Kevin Goetz und Michael Goetz, das Drehbuch schrieb Mark L. Smith. Der Cast besteht unter anderem aus Kate Burton, Troian Bellisario, Bailey Noble und Elyse Cole. Bei dem Film handelt es sich um einen Horrorfilm, produziert in den USA aus dem Jahr 2015. Der Film ist hierzulande ungekürzt auf DVD und Blu-ray Disc erhältlich und ab 18 Jahren freigegeben. Die Länge beträgt 86 Minuten.

Fazit

Das Original war in seiner Drastik, der anklingenden Perversion und der dahinter steckenden Entmystifizierung des Torture Porn ein Meilenstein des knallharten Terrorkinos. Das US-Remake ist nun weder ein auf die breite Masse abgestimmter Horrorfilm – dafür passiert innerhalb der knapp 90 Minuten einfach viel zu wenig. Noch trägt der hohe Dialoganteil etwas dazu bei, dass „Martyrs U.S.“ so etwas wie Substanz hätte. Somit ist „der ultimative Horrorfilm“ weder für Gewaltfetischisten einen Blick wert, noch für die Leute, die hoffen, dass die Macher den Kern des Originals auch nur im Ansatz irgendwie erfasst hätten. Finger weg!

Mein Tipp: muss man wirklich nicht sehen!

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