Deadpool

Vorbei sind die rosigen PG-13-Zeiten aus dem Hause Marvel. Mit DEADPOOL kommt jetzt die Bastard-Antwort auf Iron Man, Captain America und Co. in die Kinos, in denen sich ein entstellter Rächer mit nicht ganz so heldentauglichen Ansichten anschickt, die Welt zu retten – in erster Linie aber seinen knackigen Hintern. Mehr zu diesem frech-blutigen Spektakel lest Ihr in meiner Kritik.Deadpool

Der Plot

Schwerenöter Wade Wilson (Ryan Reynolds) verdient sich sein Geld nach seiner Zeit als Special Forces Agent damit, schmutzige Deals für zahlungsfreudige Kunden abzuwickeln. Dabei geht der Söldner, der immer einen kessen Spruch auf den Lippen hat, gern einmal über moralische wie körperliche Schmerzgrenzen hinaus, doch genau dafür lieben ihn seine Auftraggeber. Für seine große Liebe Vanessa (Morena Baccarin) stellt Wade jedoch eines Tages seinen blutigen Gerechtigkeitssinn hintenan und genießt ungezügelt sein kurzes Glück. Der junge Mann erkrankt unheilbar an Krebs und ist damit das perfekte Opfer einer gefährlichen Untergrundorganisation, die Wade verspricht, ihn zum Superhelden zu machen. Unter der Leitung des brutalen Folteres Ajax (Ed Skrein) muss Wade schmerzhafteste Misshandlungen über sich ergehen lassen, bis aus ihm schließlich ein entstelltes Monster wird. Um aus seiner Situation das Beste zu machen, sich an seinen Peinigern zu rächen, vor allem aber, um seine scheußliche Visage zu verbergen, schlüpft Wade in einen Superheldenanzug, nennt sich fortan Deadpool und beginnt, seine Feinde in bester Wade-Wilson-Manier zu massakrieren.

Kritik

Das hätte auch gewaltig schiefgehen können! Blickt man auf die Marvel-Superheldenfranchises, bei denen die Rechte derzeit (noch) beim Studio 20th Century Fox und nicht bei der Konkurrenz Disney liegen, dann fallen vor allem die qualitativen Schwankungen auf. Mit „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ gelang den Verantwortlichen einer der besten Filme seines Genres, während das vergangene Jahr mit „Fantastic Four“ das komplette Gegenteil ablieferte. Überhaupt könnten beide Reihen unterschiedlicher kaum sein. Wurden die Leinwandeskapaden der Fantastischen Vier immer schon belächelt, erreichten die starbesetzten Mutanten bei aller Kritik immer ein gewisses Grundniveau. Trotzdem liegen die ganz großen Kassenschlager mittlerweile beim Mäusekonzern, der mit den „Avengers“ und den „Guardians of the Galaxy“ das Gros der Marvel-Heroen unter sich vereint, während Warner Bros. sich den düsteren DC-Adaptionen widmet. Für die Verfilmung der „Deadpool“-Comics wären angesichts der polarisierenden Vorlage also durchaus beide Extreme möglich gewesen. Erst recht, wenn man die Resonanz auf die Verpflichtung von Ryan Reynolds („The Voices“) berücksichtigt, der nach seinem Stelldichein in „The Green Lantern“ lange Zeit damit verbrachte, seinen guten Ruf in Hollywood wiederherzustellen. In einem Kurzauftritt in „X-Men Origins: Wolverine“ durfte Reynolds seine Deadpool-Kompatibilität bereits unter Beweis stellen. Jetzt füllt der erklärte Liebhaber dieser schrägen Figur einen abendfüllenden Spielfilm rund um diesen komisch-bösen Charakter aus, was hervorragend funktioniert. Kleine Schwächen innerhalb der „Deadpool“-Inszenierung basieren eher auf dem Drehbuch.

Deadpool

Es ist schwer, genau einzuordnen, wie genau man eine Figur wie Wade Wilson alias Deadpool definieren sollte. Mit einem klassischen Superhelden hat man es hier zumindest nicht zu tun. Das bemerkt man als Zuschauer auch, wenn es die Hauptfigur und Macher nicht in fortlaufender Regelmäßigkeit betonen würden. Deadpool ist der Drecksack unter den Marvel-Figuren. Er schießt (im wahrsten Sinne des Wortes) quer, flucht, säuft, hat viel Sex und tötet zu unser aller Überraschung tatsächlich auch aus purem Vergnügen. Damit disqualifiziert sich der Kerl im Grunde von vornherein für eine Zugehörigkeit zu den hier immer wieder zitierten und in Teilen auch auftauchenden X-Men, die versuchen, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Gleichzeitig entsteht hieraus ein interessanter Subplot: Zum ohnehin stetig stattfindenden Kampf zwischen Gut und Böse gesellt sich hier auch noch die innere Auseinandersetzung der Hauptfigur, bei der sich die Frage stellt, zu welcher Seite sie denn überhaupt gehört. Leider schöpfen die Autoren Rhett Reese und Paul Wernick („Zombieland“) hier nicht ganz aus den Vollen. Anstatt die moralische Grauzone auszuspielen, lassen sie den Protagonisten immer wieder zwischen beiden Seiten changieren. So deutlich, dass sein Verständnis für Moral zu jeder Zeit ersichtlich, wenn auch flexibel ist. Mal gibt sich Deadpool als gebrandmarkter Rächer, dann wiederum zelebriert er seine Tötungskünste mit viel Wonne. Das ist visuell abwechslungsreich, dramaturgisch kommt diese Ambivalenz leider nur selten zum Tragen.

Die Geschichte selbst hat für die vermeintlich vorhersehbaren Banalitäten einer Origin-Story erstaunlich viel Tiefgang. Wenn Wade Wilson zu ironisch untermalenden Evergreens und unter den zynisch-kalten Augen des beeindruckend aufspielenden Ed Skrein („The Transporter Refueled“) diverse Foltermethoden über sich ergehen lassen muss, gehen Entertainment und der unterschwellige Kommentar auf die Perversität derartiger Strafen, wie sie in einigen Ländern heutzutage immer noch vorkommen, Hand in Hand. Für einen Blockbusterbeitrag dieser Sorte sind derartige Szenen mutig und unterstreichen einmal mehr die Sinnhaftigkeit der FSK-Freigabe ab 16, die sich „Deadpool“ vermutlich nur mit viel gutem Willen von Seiten des Bewertungsgremiums erarbeitet hat. Der Film ist auch in seinen Actionszenen äußerst brutal, zeigt das Einschlagen von Gewehrkugeln in diverse Körperteile, bricht vor den Augen des Publikums allerhand Extremitäten und inszeniert harte Einstellungen fast beiläufig. Für die klassische Marvel-Zielgruppe ist das zu viel, selbst der ebenfalls vergleichsweise heftig inszenierte „Kingsman: The Secret Service“ fuhr da noch eine Spur zurückhaltender. Um voyeuristisch zu sein, ist „Deadpool“ allerdings nicht dreckig genug. Die Action wirkt genau durchgeplant und trotz ihres makellosen Arrangements scheinen die Macher nicht vollends das ausgeschöpft zu haben, was sie sich für das Endergebnis gewünscht hätten. Immerhin: Die Figuren nehmen kein Blatt vor den Mund und fluchen zum Teil weit unterhalb der Gürtellinie. Auch das hat man bei einem Marvel-Film so vorher noch nicht gesehen.

Deadpool

„Deadpool“ ist ein Drahtseilakt. Der Film changiert zwischen Extremen, die alle für sich genommen funktionieren, im Großen Ganzen allerdings zum Teil untergehen. Ja, der Film ist sehr brutal, die Härte in der Inszenierung wird durch die glattpolierte Hochglanz-Optik allerdings zum Teil verwässert. „Deadpool“ ist in seinem Humor äußerst gewagt, stellt sich offen Problematiken wie dem in Action-Abenteuern stattfindenden Sexismus und liefert obendrein ein regelrechtes Feuerwerk an popkulturellen Meta-Kommentaren und selbstreferenziellen Gags ab. Die durch und durch auf Fans des Genres zugeschnittene Produktion ist ein Fest für die Liebhaber der Kinokultur, doch abseits derartiger Kommentare geht auch manch ein Gag daneben, wenn dieser sich gerade in Bezug auf die angedeutete Schlüpfrigkeit der Dialoge als „zu viel des Guten“ erweist. Das ist definitiv Meckern auf hohem Niveau, denn alles in allem ist „Deadpool“ ein mit viel Liebe zum erwachsenen Detail inszenierter Actionfilm, ohne Rücksicht auf Verluste. Doch für eine nachhaltige Wirkung wie sie zuletzt etwa „Kingsman“ besaß, fehlt es diesem Genrebeitrag hier am letzten Quäntchen Mut zur bedingungslosen Originalität, denn obwohl sich Regisseur Tim Miller und sein Team sichtlich dagegen sträuben: Die Story selbst folgt dann doch recht konstant gängigen Genre-Konventionen.

In Bezug auf die Besetzung hat man diese auf jeden Fall bereits aufgebracht. Angefangen bei Ryan Reynolds, für den der Zug in Richtung Superhelden-Franchise bereits abgefahren schien, über Schönling Ed Skrein als perverser Bösewicht über die ebenso toughe wie kluge Morena Baccarin („Homeland“) bis hin zur Neuentdeckung Brianna Hildebrand („First Girl I Loved“), die nicht nur äußerlich einen hohen Wiedererkennungswert besitzt, sondern gerade durch ihre zurückhaltende Art viel Humor generiert, ist das Casting der Hauptrollen beeindruckend authentisch geraten. Sämtliche Darsteller übertragen ihren Spaß am Projekt auf das Spiel der Rollen und lassen im Zuschauer das Gefühl aufkommen, dass hier Fans am Werk sind. Dasselbe gilt auch für den Film selbst. Als Figur lässt uns der sich in der Geschichte immer wieder direkt ans Publikum richtende Rächer an einem Blick auf die Story teilhaben, wie ihn nur Liebhaber der Materie aufbringen können. Das ist originell und bereitet besonders auf dieser Meta-Ebene einen enormen Spaß. Dafür ist neben der ordentlichen, für viel Übersicht sorgenden Kameraarbeit von Ken Seng („Disconnect“) auch die Musikausstattung zuständig, die sich zu gleichen Teilen aus standardisierter Instrumentalmusik (Junkie XL, „Mad Max: Fury Road“und allerhand Rap- und Hip-Hop-Sounds zusammensetzt, die das Geschehen stets ironisch kommentierend untermalen.

Mit den richtig fiesen Schurken kann es Deadpool dann doch nicht ganz allein aufnehmen.

Fazit: Für Fans ein Muss, für alle anderen eine Empfehlung mit kleinen Abstrichen. „Deadpool“ ist der brutal-komische Drecksack unter den Marvel-Blockbustern mit einem hervorragend aufgelegten Ryan Reynolds in der Hauptrolle. Auf der Zielgeraden fehlt es dem inhaltlich doch recht konventionell erzählten Film allerdings doch ein Stück weit an Mut, um dauerhaft den Wiedererkennungswert zu besitzen, den sich die Macher für dieses Projekt wünschen.

„Deadpool“ ist ab dem 11. Februar bundesweit in den Kinos zu sehen.

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