Pan

Joe Wright ist ein Experte wenn es darum geht, Kulissen pompös und einzigartig in Szene zu setzen. Da sollte ein Prequel zu den Abenteuern des Peter Pan doch für ihn wie geschaffen sein. Doch PAN versprüht eben nicht die Magie, mit der die Geschichte um den Jungen, der nie erwachsen werden wollte, doch eigentlich gesegnet ist. Stattdessen haben wir es hier mit einem schmuck aussehenden Retortenblockbuster zu tun, dem schon in wenigen Wochen niemand mehr hinterher krähen wird. Mehr dazu in meiner Kritik.
Der Plot
Der spitzbübische 12-jährige Peter (Levi Miller) lehnt sich gegen alles auf – doch in dem trostlosen Londoner Waisenhaus, wo er aufwächst, sind Rebellen nicht eingeplant. Eines Nachts passiert dann das Unglaubliche: Peter wird aus dem Waisenhaus weggezaubert und findet sich im fantastischen Neverland wieder, das von Piraten, indianischen Kriegern und Feen bevölkert wird. Dort erlebt Peter unglaubliche Abenteuer, während er seinen Platz im Zauberland behauptet – und er besteht lebensgefährliche Kämpfe, als er dem Geheimnis seiner Mutter auf die Spur kommt, die ihn vor langer Zeit im Waisenhaus zurückgelassen hat. Zusammen mit der kriegerischen Tiger Lily (Rooney Mara) und seinem neuen Freund James Hook (Garrett Hedlund) muss Peter gegen den skrupellosen Piraten Blackbeard (Hugh Jackman) antreten, um Neverland zu retten und sein eigenes Schicksal zu erfüllen: Er entwickelt sich zu jenem Helden, der als Peter Pan eine Legende wird.
Kritik
Unzählige Male schon musste James Matthew Barries Kinder- und Jugendroman „Peter Pan“ als Vorlage für große Leinwandgeschichten herhalten. Am bekanntesten ist wohl bis heute jene Verfilmung aus dem Hause Walt Disneys, die 1953 als vierzehnter abendfüllender Zeichentrickfilm in den Meisterwerke-Kanon des Mäusekonzerns einging. Für die spektakulären Abenteuer des Waisenjungen Peter könnte im heutigen Kinozeitalter Niemand Besseres verantwortlich zeichnen, als „Anna Karenina“-Inszenator Joe Wright, der durch seine vergangenen, vorzugsweise dem Sektor des Historien- und Kostümfilm entstammende Werken leichtes Spiel mit den visuellen Opulenzen in Nimmerland haben dürfte. Ungeachtet der technischen Mängel, die seine bislang sechste Langfilmarbeit „Pan“ birgt, kann man dem dreidimensionalen CGI-Spektakel die bisweilen hervorstechenden Augenweiden in der Inszenierung nicht absprechen. Mal wähnt man sich in ebenjener Wüste, durch die vor wenigen Monaten noch der verrückte Max in „Fury Road“ gedonnert ist, ein anderes Mal wiederum erinnern die lieblichen Kulissen an eine Symbiose aus Oz und Alices Wunderland. Doch auch die bestechende Schönheit, mit der „Pan“ zuweilen gesegnet ist, kann partout nicht darüber hinwegtrösten, dass sich Drehbuchschreiber Jason Fuchs („Ice Age 4 – Voll verschoben“) inhaltlich erstaunlich wenig Mühe gibt. Dies mag zum einen daran liegen, dass das Endergebnis immer wieder den Eindruck erweckt, sich viel zu bemüht dem Zeitgeist anpassen zu wollen, zum anderen aber auch daran, dass sich alle Beteiligten nie darüber im Klaren zu sein schienen, ob sie nun einen Film für ältere Kinder, oder für junggebliebene Erwachsene erzählen wollen. So richtig gut bedient wird sich vermutlich weder die eine, noch die andere Zielgruppe fühlen.
Wie „Pan“ die inhaltlichen Schwächen mit inszenatorischem Bombast vielerorts ausgleichen kann, ist eine Wissenschaft für sich. Zur Veranschaulichung genügt die Szene, in welcher der skrupellose Pirat Blackbeard (herrlich ironisch und wunderbar böse: Hugh Jackman) erstmals in die Geschichte involviert wird. In einem riesigen Canyon schmettert Blackbeards Gefolgschaft in einer musicalgleichen Gänsehaut-Performance den Nirvana-Song „Smells Like Teen Spirit“ – eine Idee, die trotz ihrer anachronistischen Idiotie hervorragend funktioniert. Die Inszenierung steckt voller Herzblut, ist präzise ausgearbeitet und entfaltet in ihrem Zusammenspiel aus spektakulärem Gesang, der atemberaubenden Kulisse und der einnehmenden Attitüde Blackbeards eine ungeheure Wucht, die weit über den alleinigen Schauwert hinausgeht. Doch sie steht gleichzeitig eben auch ausschließlich für sich alleine in einem derart guten Licht da, denn sie steht stellvertretend für das Prinzip, nach welchem der gesamte Film aufgebaut ist. Während die Geschichte nicht nur voller Ungereimtheiten innerhalb ihres Ablaufs steckt – gerade im Hinblick auf die Original-„Peter Pan“-Geschichte dürfte sich fachkundiges Publikum hier und da die Augen reiben – sondern darüber hinaus auch kaum von den Figuren neben Blackbeard getragen wird, reißt es die schwungvolle Aufmachung der Situation stets wieder das heraus, was der Film auf anderen Ebenen – pardon – verbockt. Trotz seiner ausufernden Länge von rund zwei Stunden fühlt sich „Pan“ nie zu lang an und lebt von jeder Menge spektakulärer Gore-Verbinski-Gedächtnisszenen, durch deren Dynamik schließlich auch der Film zu einem angenehmen Fluss findet.
Überhaupt wirkt in „Pan“ vieles zusammengeklaut. In diesem Fall gilt immerhin: Gut geklaut ist besser, als schlecht selbstgemacht. So schaut sich das Fantasyabenteuer wie eine Mischung aus „Indiana Jones“, „Fluch der Karibik“ oder gar „Mad Max: Fury Road“ und wird obendrein von einem Score umhüllt, den man – wüsste man es nicht besser – ungefragt der Komponistenlegende Hans Zimmer zuordnen würde (der eigentliche Verantwortliche: John Powell). Um dem Film jedoch zu einem Alleinstellungsmerkmal zu verhelfen, hat Joe Wright aber immerhin noch seine Darsteller. Jungmime Levi Miller („A Heartbeat Away“) hat einen großen Sympathiebonus, schafft es aber nicht vollständig, die Handlung auf seinen Schultern zu tragen und wirkt gerade in den Actionszenen bisweilen überfordert. Rooney Mara („Verblendung“) geht es hier ähnlich, die grazile Gestalt der Tiger Lily nimmt man ihr jedoch ohne Weiteres ab. Der Charmebolzen des Films ist allerdings Garrett Hedlund („Unbroken“), der sich durchaus als „Indiana Jones“-Nachfolger beweist. Technisch geht „Pan“ hingegen durch Höhen und Tiefen. Neben makellosen Fluganimationen des kultigen Piratenschiffs Jolly Roger ist der Einsatz von Greenscreen an mehreren Stellen deutlich zu erkennen. Auch einer Schar Riesenvögeln ist die Herkunft aus dem Computer an der Schnabelspitze anzusehen. Dafür erweist sich der 3D-Effekt als stimmige Abrundung des Seherlebnisses und ist durchaus den erhöhten Ticketpreis an der Kinokasse wert.
Fazit: Licht und Schatten bei dieser Neuverfilmung der Nimmerland-Abenteuer rund um Peter Pan. Joe Wrights „Pan“ ist ein modernes 3D-Märchen im hübschen Design, mit einem fulminant aufspielenden Hugh Jackman und dem besten Hans-Zimmer-Score, der nie von Hans Zimmer komponiert wurde. Darüber hinaus erweist sich der Film jedoch als zu beliebig, um im blockbusterübersättigten Markt einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Und für die ganz kleinen Zuschauer ist „Pan“ dann doch ohnehin eine Spur zu düster. Von Magie keine Spur!
„Pan“ ist ab dem 8. Oktober bundesweit in den Kinos zu sehen – auch in 3D!
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