Exodus – Götter und Könige

Widmete sich Ridley Scott mit „The Counselor“ zuletzt kleineren Projekte, kehrt der Schöpfer von „Alien“ und Macher von „Gladiator“ mit der epochalen Bibelgeschichtenverfilmung EXODUS – GÖTTER UND KÖNIGE zurück zu seinen ihn bekannt machenden Wurzeln als punktgenauer Inszenator großartiger Szenerien. Dabei hat sein Film nicht unbedingt einen erzählerischen Mehrwert, doch die unglaublichen Bilder machen den Streifen zum letzten Must-See des Jahres! Mehr zum Film in meiner Kritik.
Der Plot
Rhamses (Joel Edgerton) und Moses (Christian Bale) sind die Söhne des mächtigen Pharaos Seti (John Torturro), der Ägypten mit eiserner Hand aber zur Zufriedenheit der Familie regiert. Da sein Vater Moses einst als Waise aufnahm, steht Rhamses seinem Stiefbruder missmutig gegenüber und akzeptiert ihn nur widerwillig als gleichgestelltes Familienmitglied. Als Moses eines Tages ins Land geschickt wird, um die Gründe für immer wieder aufkeimende Sklavenaufstände zu ergründen, hört er von Nun, dem Ältesten der Unterdrückten (Ben Kingsley), eine schier unglaubliche Geschichte: Nun behauptet, Moses sei Israelit, der aufgrund einer düsteren Prophezeiung des Pharaos einst versteckt wurde und nur deshalb bis heute überleben konnte. Der ungläubige Moses schenkt dem Gerede wenig Beachtung, bis sein Ziehvater und Mentor Seti unerwartet verstirbt. Ab sofort muss er sich mit Rhamses als neuem Pharao und Vorgesetzten abgeben, dem Moses als Berater dient. Als Rhamses die wahre Herkunft Moses‘ zugetragen wird, verbannt der König seinen Stiefbruder ins Exil der Wüste, wo dieser nur durch verhängnisvolle Zufälle zu überleben vermag. Nach einer Hochzeit, der Geburt eines Sohnes und einem mehrjährigen Leben eines einfachen Ziegenhirten, führt ihn eine verhängnisvolle Begegnung mit dem Allmächtigen schließlich zurück nach Ägypten, um nicht nur die Sklaven, sondern ein ganzes Land von Unterjochung und Ungerechtigkeit zu befreien.
Kritik
Religionen, heilige Schriften und deren Inhalte cineastisch aufzubereiten, kann auf ganz unterschiedliche Weisen erfolgen. Allein das fast abgeschlossene Filmjahr 2014 bot genug Diskussionsstoff ob so unterschiedlicher bibelinspirierter Streifen wie „Noah“, „Den Himmel gibt’s echt“, der nur in den USA in den Kinos gestartete „Mom’s Night Out“ oder eben auch „Exodus – Götter und Könige“, ein Film des historienfilmerfahrenen Regie-Urgesteins Ridley Scott („Gladiator“). Während christliche und aufgrund ihrer teils gefährlich fehlgeleiteten Moral zumeist kontrovers diskutierte Schmachtfetzen der Marke „Heaven is for Real“ sich nur lose auf die Bibel selbst beziehen und lieber den Glauben an sich in den Mittelpunkt einer (zumeist fiktiven) Story rücken, gibt es auch immer wieder Regisseure, die sich des bekanntesten Buches der Welt so annehmen, als das es gedacht ist: als Inspirationsquelle und Geschichtensammlung. Auch Darren Aronofsky beherzigte diesen Grundgedanken in diesem Jahr, sein krudes Fantasy-Katastrophen-Drama „Noah“ missfiel dafür an ganz anderer, dramaturgischer Stelle. Nun nimmt sich auch Ridley Scott die Zeit, die alttestamentarische Geschichte des Auszuges aus Ägypten den gängigen Sehgewohnheiten der heutigen Blockbuster-Generation anzupassen. So ist „Exodus – Götter und Könige“ für den „Alien“-Schöpfer das, was der elffach Oscar-prämierte Monumentalschinken „Ben Hur“ im Jahre 1959 für Filmemacher William Wyler wurde: ein technisch wegweisendes Meisterwerk.
Dem aufkeimenden Gedanken, Ridley Scott widme sich mit seiner ersten Verfilmung einer Glaubensgeschichte womöglich vorzugsweise an ein religiöses, vielleicht sogar ausschließlich christliches Publikum, schiebt der zuletzt für seinen unterschätzten Thriller „The Counselor“ gescholtene Filmemacher schon direkt nach der standardisierten Bibelverseinblendung einen Riegel vor. Trotz der bis in die Nebenrollen hochkarätigen Besetzung ist in „Exodus – Götter und Könige“ jemand ganz anderes der Star. Kameramann Dariusz Wolski („Prometheus – Dunkle Zeichen“) rückt die Wucht der epischen Setdesigns von der ersten Szene an in den Mittelpunkt und hält sich – erzählerisch unfokussiert – auch in den wenigen Dialogpassagen nur selten an den Darstellern auf. Gedreht auf Fuerteventura und Almeria, Südspanien, setzten die Verantwortlichen atemberaubende Bombastsets in Szene, um diese mit Unmengen an Statisten und Schauspielern mit Leben zu füllen. Von so viel handgemachtem Detailreichtum kann sich der ungeahnte Zuschauer bisweilen tatsächlich erschlagen fühlen. Denn nicht nur die karge Wüstenlandschaft mit ihren wunderschönen Felsformationen und den rauen Strandgebieten zieht das Publikum alsbald wie ein Sog in ihren Bann. Erst das Bewusstmachen dieser unglaublichen Regieleistung seitens Ridley Scott, den man wie einen Marionettenspieler über jeder einzelnen Szenerie wähnt, lässt einen im wahrsten Sinne des Wortes den Mund offen stehen. Dabei schwelgen die Verantwortlichen jedoch nicht lapidar in einer Form des rauschhaften Exzesses. Die Geschichte „Exodus“ nutzt schlicht die Tatsache, dass sich die Vorlage ohnehin an traumhaften Orten abspielte, perfekt aus, um mithilfe höchster technischer Standards ein visuell nie da gewesenes Filmerlebnis zu kreieren.
Auf der einen Seite fallen während der gesamten, mit über zweieinhalb Stunden ähnlich epochal ausfallenden, Laufzeit die vielen verschiedenen Formen der lebensechten Computer-Tricktechnik ins Auge, welche haushohe Wellen, blutrote Meere und angsteinflößende Heuschreckenschwärme unaufdringlich in die ansonsten so bodenständige Szenerie integrieren. Gleichsam schaut sich „Exodus – Götter und Könige“ wie eine Ode an klassisch handgemachte Hollywoodaction, die ein Statement für die Art von CGI setzt, wie sie einst eingeführt wurde: Sobald sich die angedachte Szene „von Hand“ nicht mehr so inszenieren lässt, wie es das Drehbuch erfordert, greift man auf den klassischen Computereffekt zurück, der die Fantasie – und sei sie noch so absurd – wahr werden lässt. Mit Ausnahme eines recht grobmotorisch anmutenden Alligatorenangriffs, der als einziger Tiefpunkt aus dem sonst so perfekten Repertoire an allerhand aufwändiger CGI-Animation heraussticht, hat „Exodus – Götter und Könige“ nicht nur ein stechend scharfes 3D mit optimaler Tiefenwirkung und punktuell in Szene gesetzten Pop-Outs zu bieten, sondern setzt ganz neue Maßstäbe im Blockbusterkino. Dazu passt es auch, dass zu den Highlights des Filmes nicht bloß ebenjene Momente gehören, in denen sich von Seiten der Effektspezialisten besonders Mühe gegeben wurde (zugegebenermaßen stellt der Schlussakt einhergehend mit der Teilung des Roten Meeres tatsächlich das packendste Seherlebnis dar). Wenn Ridley Scott Heerscharen an berittenen Kriegern im Galopp über weites Feld preschen lässt, entfalten auch derartige Szenenbilder eine nicht minder überwältigende Wucht. Umso mehr sei an dieser Stelle noch einmal das ästhetische Verständnis des Regisseurs hervorgehoben, der seinen Kameramann dazu anhält, im Schlachtengetümmel ein ausgewogenes Maß aus ferner Beobachtung und naher Detailarbeit einzuhalten.
Bei so viel visueller Opulenz muss zwangsläufig etwas auf der Strecke bleiben. Der Ansatz, den das Autorenteam um Jeffrey Caine („Der ewige Gärtner“) und Steven Zailian („Verblendung“) mit ihrem Drehbuch verfolgt, ist durchaus ein lohnenswerter. „Exodus – Götter und Könige“ funktioniert lange Zeit als klassischer Brüderkonflikt, der kritische Töne zu den Themen Familienverständnis sowie dato moderner Regierungsformen anschlägt und die Existenz eines allmächtigen Gottes gar über den Großteil der Laufzeit infrage stellt. So weigert sich Scott zwar direkt, seinen Film einer religiösen Wertung zu unterziehen, gleichsam erschließt sich sein Mammutprojekt so zwangsläufig einer größeren und durchaus kritischen Zielgruppe. Darüber hinaus vergisst der passionierte Geschichtenerzähler jedoch den Wert ausgereifter Charaktere. Die zweifelsohne hochkarätige Besetzung, die sich bei solch geschichtsträchtigem Stoff nicht zwingend anbietet und hart an der Authentizität kratzt, hat es im Anbetracht der äußerst oberflächlich gezeichneten Figuren nicht leicht, ihr ganzes Herzblut in die Verkörperung ihrer Rollen zu legen. Rhamses und Moses fungieren als klar erkennbare Gegenpole. Doch mit Ausnahme eines angerissenen familiären Hintergrundes bleibt das genaue Verhältnis beider Brüder für mit der Materie nicht vertrautes Publikum im Dunkeln. Szenen mit „Breaking Bad“-Gesicht Aaron Paul als Moses beschattender Joshua erfahren sogar überhaupt keine Auflösung und die Anwesenheit Sigourney Weavers („The Cabin in the Woods“) registriert man fast einzig durch die schriftliche Einblendung ihrer selbst. Einen erzählerischen Wert hat „Exodus – Götter und Könige“ somit nicht, was jedoch nicht zwingend dazu führt, dass die einzelnen Sequenzen zwischen den groß auffahrenden Bombastszenen unangenehmen Leerlauf annehmen. Ohne sein hier dargebrachtes Erscheinungsbild würde sich Scotts Film vermutlich ziehen. So jedoch erfüllt die oberflächliche Geschichte ihren Zweck als Bindeglied zwischen Schlachtengetümmel und Plagenkatastrophe und trägt somit einen Großteil zur Kurzweil von „Exodus“ bei.

Ridley Scott inszenierte die beeindruckenden Schlachtszenen mit mehreren hundert Pferden und Reitern.
Fazit: „Exodus – Götter und Könige“ ist weniger ein Film denn ein Erlebnis, das auf der großen Leinwand genossen werden möchte. Auch wenn die Intensität der Geschichte zu wünschen übrig lässt, weiß Ridley Scotts Bombastinszenierung diesen Minuspunkt zu jeder Sekunde auszugleichen. Diese Bilder wird man so schnell nicht vergessen!
„Exodus – Götter und Könige“ ist ab dem 25. Dezember bundesweit in den Kinos zu sehen – auch in 3D!
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