Natural Born Killers

Böse, böse, böse!“ In dem obskuren Action-Thriller NATURAL BORN KILLERS von Oliver Stone („Wall Street“, „World Trade Center“) beschimpft Juliette Lewis in ihrer Rolle als Mallory Knox ihren Lover Mickey, nachdem dieser einen für ihre Verhältnisse sinnlosen Mord begangen hat. Doch gleichzeitig ist dieses eine Wort das passendste Résumée, das man zu diesem Film ziehen kann. Denn das Meisterwerk um das durch die USA ziehende Mörderpärchen, das für mehr als eine Kontroverse sorgte, ist genau das: böse! Auf eine ungeheuer brutale Weise schwankt der Film zwischen rabiatem Actionfeuerwerk und weit über’s Ziel hinausschießender Mediensatire. Mutig oder geschmacklos? Das ist hier die Frage, die ich in meiner neusten Kritik beantworte.

Der Plot

Mallory und Mickey lernen sich zufällig bei Mallory zuhause kennen. Mickey ist Fleischlieferant und bei einer Lieferung an Mallorys Vater (Rodney Dangerfield) verliebt sich das ungleiche Paar auf ersten Blick ineinander. Da die junge Frau nichts in ihrem Zuhause hält, wo sie täglich gedemütigt und von ihrem Vater missbraucht wird, ziehen beide in dem gestohlenen Wagen von Mallorys Vater los. Viel zu schnell kommt ihnen jedoch die Polizei auf die Spur, die Mickey wegen Autodiebstahl festnimmt. Doch schnell kann er fliehen und nachdem sie zu zweit Mallorys Familie ausgelöscht haben, ziehen beide, mittlerweile verheiratet, durch die USA und ermorden, was ihnen vor die Fäuste, Klappmesser und Gewehrläufe kommt. Zwar ist ihnen die Polizei schnell auf den Fersen, doch das Knox-Paar ist ihr immer einen Schritt voraus. Dies führt dazu, dass das Mörderpärchen zu den Idolen einer ganzen Generation avanciert. Schnell werden die zwei nicht mehr nur von der Polizei, sondern auch von den Medien gejagt. Allen voran der Sensationsreporter Wayne Gale (Robert Dawney Jr.), der es sich in den Kopf setzt, das Exklusiv-Interview seines Lebens zu drehen – mit Mickey und Mallory Knox vor der Kamera.

„Ich bin von Natur aus der geborene Killer!“

Kritik

Dass „Natural Born Killers“ mehr ist, als ein 0 8/15-Actionfilmchen, wurde bereits zu Premierenzeiten im Jahre 1994 deutlich. Der hohe Gewaltgrad und noch viel eher die überdeutliche Gewaltverherrlichung sorgten schnell dafür, dass der Streifen, dessen Original-Drehbuch von niemand geringerem als Quentin Tarantino stammt, in vielen Ländern auf den Index gesetzt wurde. Doch es ist weniger die Literanzahl an Kunstblut, die in den 117 Minuten von „Natural Born Killers“ vergossen wird, als vielmehr die fast schon brachiale Verehrung zweier kaltblütiger Killer, die aus Oliver Stones Werk das machen, was es ist: ein Skandal!

Es beginnt mit der Darstellung der beiden Hauptakteure. Würde man sie als Protagonisten bezeichnen, wäre es nicht falsch, zugleich würde es die Kontroverse des Films untermauern. Man griff auf Woody Harrelson („No Country for Old Men“, „Zombieland“) in der männlichen Hauptrolle zurück. Er ist brillant besetzt in seiner Rolle des schmierigen, widerwärtigen Typen. Ein Killer, wie er im Buche steht, zeitgleich jedoch unheimlich sensibel, im wahrsten Sinne des Wortes. Seine Liebe gegenüber Mallory ist grenzenlos und enthält teilweise Ansätze von wahnhaften Zügen. Selbiges gilt für Mallory, wenn auch sie offener mit eventuellen Konfliktherden wie Eifersucht und Misstrauen umgeht. So ist sie häufig diejenige, die Streits über den Zaun bricht, die zum Großteil auf Missverständnissen zwischen den beiden beruhen. Juliette Lewis („From Dusk til Dawn“, „Starsky und Hutch“) legt ihre Rolle als Mallory wesentlich zerbrechlicher an, als Harrelson es bei Mickey tut. Umso eindringlicher ist daher ihre Darstellung der mordlüsternen Killerin. Doch vor allem ihre Familiengeschichte und die unangenehm ausgeführte Darstellung selbiger beleuchten ihre gegensätzlichen Charakterzüge insofern, als dass Mallory nie zu einer Figur wird, deren Handeln im Kern widersprüchlich ist.

Robert Downey Jrs („Iron Man“, „Sherlock Holmes“) Darbietung in seiner Rolle als Skandalreporter Gale ist überaus eindringlich. Seine überspitzte Darstellung eines sensationsgeilen Journalisten ist rabenschwarze Satire par excellence. Zwar droht Downey Jrs Rolle ab und an ein wenig an ihrer Komik zu ersticken und den satirischen Kern aus den Augen zu verlieren, überwiegend gelingt dem „Iron Man“-Darsteller jedoch der schwierige Spagat zwischen dem sinnbildlichen Schlag ins Gesicht des Publikums und der fiesen Komik, den seine Figur birgt.  Auch all die anderen mehr oder weniger großen Nebenrollen sind ähnlich angelegt wie die des Wayne Gale. Oberflächlich komisch mit einem äußerst ernsten Kern. Einzig Jack Scagnetti, die Rolle des sadistischen Polizisten, gespielt von Tom Sizemore („Black Hawk Down“, „Pearl Harbour“), hat genau das Problem, welches sich bei Downey Jrs Rolle bereits andeutete: seine Darstellungen sind zum Großteil eine Spur zu krass, sodass seiner Rolle die Düsterness abhanden kommt und der humoristisch oberflächliche Teil in vielen Fällen für sich alleinstehend bleibt. Doch ein grandioser Rodney Dangerfield („Casper“, „Little Nicky – Satan Junior“), der als bitterböser Vater von Mallory Knox so eindringlich spielt, dass es einem die Kehle zuschnürt, gleicht die kleinen Ungereimtheiten in Sizesmores Rolle wieder aus.

Durch was „Natural Born Killers“ jedoch am meisten ins Auge springt, ist eine an Musikvideos und Comics erinnernde Schnittweise, die auch gestandenen Actionfans, die bei den „Crank“-Filmen gähnten oder „Planet Terror“ zum Einschlafen fanden die Schuhe auszieht.  Während andere Filme zu einem Großteil der Laufzeit einfach drauf halten, so springen die Bilder in „NBK“ nur so hin und her. Länger als zehn Sekunden hält sich eine Einstellung nicht und um dieser schnellen Schnittart noch eine Extra-Spur Crazyness einzuhauchen, ließ man sich nicht nur die Ansichten, sondern vor allem die Sichtweisen abwechseln. Das Bild wechselt mehrmals pro Minute von einer Farbgebung zur nächsten. Das klassische Farb-Bild wird in der nächsten Einstellung schwarz-weiß – Schnitt! Anschließend folgt ein unangenehm aufdringlicher Rotfilter – Schnitt! Von Rot wechselt man zu Grün, zwischendurch ein gezeichneter Comic-Strip. Das Tempo, in welchem sich diese Stilmittel abwechseln, ist halsbrecherisch. Ein genaues Betrachten der Bilder ist nicht möglich. Vielmehr haut Oliver Stone dem Betrachter hier die Bilder nur so um die Ohren, die zu verarbeiten man erst nach dem Abspann versuchen sollte.

Eine derartige Achterbahnfahrt findet man vielleicht ansatzweise bei Mark Neveldines und Brians Taylors anarchischem „Crank 2“, in dem ein Auftragskiller in bester Videospieloptik durch die Straßen L.A.s hetzt, um mithilfe von Elektroschocks und anderen technischen Spielereien sein künstliches Herz am Schlagen zu erhalten versucht. Dennoch bestach dieses Actionfeuerwerk mehr noch durch seine insgesamt wahnsinnig hohe Geschwindigkeit. „NBK“ hingegen zieht das Tempo nicht derart an, wie man es vielleicht durch die schnelle Schnittfolge annehmen mag. Eine Hektik entsteht nur durch die rasanten Bildabfolgen. Nicht durch ein hohes Erzähltempo. Gerade hierdurch wirken die Bilder auf unangenehmere Weise abgehetzt, als durch reine Tempoanzüge. Dass hierdurch allerdings zu keinem Zeitpunkt Längen entstehen, ist selbstredend, wenn auch dem Streifen einige Verschnaufpausen nicht unbedingt schlecht zu Gesicht gestanden hätten. So wurde „Natural Born Killers“ zu einem Actionfilm, dem man sich, einmal begonnen, nicht abwenden kann, da einem einfach keine Gelegenheit dazu gegeben wird.

Neben der Farbgebung und Schnittweisen im Allgemeinen sind es vor allem die auf Biegen und Brechen vollgepackten Bilder, die „Natural Born Killers“ von bereits gesehenem Filmmaterial abheben. So fallen zum Beispiuel ins Nirgendwo projizierte Filmfetzen auf, die aus ansatzweise realistischen Szenerien wieder absolut absurde Traumsequenzen machen, von denen man nie weiß, was sie zu sagen haben, geschweige denn, ob sie für die Handlung überhaupt von Belangen sind. Was bleibt, sind viele Fragezeichen über den Köpfen der Betrachter. Filmfreunde, die sich hinter jeder Szenerie eine nachvollziehbare Daseinsberechtigung wünschen, die sollten um diese kreativen Ergüsse von Oliver Stone einen großen Bogen machen.