The Wrong Missy

Adam Sandler gehört zu den größten Erfolgsgaranten in der Welt der Netflix-Originalfilme. Im Falle von THE WRONG MISSY überlässt er die Bühne jedoch lieber befreundeten Kollegen. Ob das trotzdem Spaß macht, das verraten wir in unserer Kritik.

OT: The wrong Missy (USA 2020)

Der Plot

Tim Morris (David Spade) hat ein Blind-Date aus der Hölle: Noch bevor er sich zusammen mit Melissa alias Missy (Lauren Lapkus) an ihren Tisch gesetzt hat, provoziert sie einen Streit mit anderen Restaurantbesuchern, bald darauf stellt sie unangenehme Fragen und macht furchteinflößende Kommentare. Tim kennt daher nur eines: Den Fluchtgedanken. Kurz darauf lernt Tim eine andere Frau namens Melissa (Molly Sims) kennen, mit der er sich dagegen bestens versteht – weshalb er beschließt, sie einzuladen, ihn auf einen Firmenausflug auf Hawaii zu begleiten. Als er im Flugzeug auf seine Traumfrau wartet, kommt dann eine Überraschung, die sich gewaschen hat: Nicht Model-Melissa gesellt sich neben ihn, sondern die durchgeknallte Blind-Date-Melissa – denn Tim hat die Urlaubseinladung an die falsche Missy getextet!

Kritik

Wenn Adam Sandler in einem neuen Netflix-Film aufkreuzt, dann wird weltweit wie wild auf den Titel geklickt: Seine blamable Western-Farce „Die lächerlichen Sechs“ war laut Angaben des Video-on-Demand-Dienstes eine Zeit lang der meistgesehene Netflix-Originalfilm überhaupt. Allein bis April 2017 soll die Netflix-Kundschaft über 500 Millionen Stunden damit verbracht haben, Adam-Sandler-Filme auf der Plattform zu streamen. Im Sommer vergangenen Jahres krallte sich letztlich „Murder Mystery“ den Rekordtitel des erfolgreichsten Netflix-Films der Geschichte – ein Titel, den der Streamingdienst mittlerweile zwar „Tyler Rake: Extraction“ zuschreibt. Dessen ungeachtet bleibt die (von Netflix behauptete) Erfolgsreihe der Adam-Sandler-Produktionsfirma Happy Madison beeindruckend. Neben Adam-Sandler-Vehikeln stellt das Label für Netflix auch gelegentlich Filme her, in denen der Comedystar aussitzt und befreundeten Kollegen die Bühne überlässt – wie nun in „The Wrong Missy“ seinem häufigen Co-Star David Spade und (in einer kleinen Nebenrolle) seinem jahrelangen Kumpel Rob Schneider.

Zwischen Missy (Lauren Lapkus) und Tim (David Spade) stimmt die Chemie so gar nicht.

In der Titelrolle agiert wiederum ein Neuzugang in der Sandler-Arbeitsfamilie: „Jurassic World“– und „Holmes & Watson“-Nebendarstellerin Lauren Lapkus – und mit ihr steht und fällt die Prämisse des Films. Denn ihr kommt die Aufgabe zu, eine vollkommen wahnhafte, sprunghafte, überdramatische Person zu spielen, die Tim glaubhaft verschreckt und die den „Was, wenn du deinen Traumurlaub planst – und unverhofft die denkbar schlimmste Partnerin dabei hast?“-Gedanken des Films bedient – und dennoch darf sie nicht derart grauenhaft und nervig sein, dass es den Film verätzt. Denn es ist das Dilemma vieler, vieler Happy-Madison-Filme und der Grund dafür, weshalb Adam Sandler gegen Ende seiner Kinokarriere mehr berüchtigter Star war denn berühmter Publikumsmagnet: In Filmen wie „Der Chaos-Dad“ oder „Jack & Jill“ spielte Sandler ätzende Nervensägen auf zwei Beinen, die keinerlei Mitgefühl für ihr Umfeld haben und sich mit schriller Stimme und peinlichen Macken in den Mittelpunkt wirklich jeden Moments drängen müssen – und mit diesen Leuten sollen wir dann auch noch mitfühlen. „The Wrong Missy“ nimmt die Sandler-Formel und bittet nun Lauren Lapkus darum, sie umzusetzen – denn das Drehbuch von Chris Pappas und Kevin Barnett (schrieben zusammen bereits das Skript zu „The Do-Over“) könnte mit wenigen Anpassungen auch ein typischer Sandler-Film werden, in dem der „Der schwarze Diamant“-Mime das nervtötende Date einer unbedarften Frau spielt, dem sie nach und nach verfällt.

„Lauren Lapkus kommt die Aufgabe zu, eine vollkommen wahnhafte, sprunghafte, überdramatische Person zu spielen, die Tim glaubhaft verschreckt und dennoch darf sie nicht derart grauenhaft und nervig sein, dass es den Film verätzt.“

Lapkus gelingt jedoch, was Sandler im Laufe seiner Karriere verlernt hat, weshalb er nunmehr zumeist gemäßigte Comedy-Rollen spielt: Sie schafft es, dass die schrille, schräge, schauderhafte Missy zwar als Nervensäge für ihr Umfeld glaubhaft ist, aber als vollkommen unberechenbare, aufgedrehte Filmfigur amüsiert. Von Lapkus geht selbst in Momenten des größten Wahns eine verspielte, unschuldige Ausstrahlung aus, weshalb Missy, wenn sie mit riesigen Messern herumwedelt, nicht wie eine potentiell tödliche Irre wirkt, sondern wie eine Exzentrikerin, die einen makaberen Humor hat und ihn sprunghaft-theatralisch zur Schau stellt. Dieser Drahtseilakt gelingt bei Weitem nicht durchweg – Regisseur Tyler Spindel („Vater des Jahres“) weiß öfters nicht, wann genug ist und eine Szene enden sollte, bevor sie von derb-komisch zu krass-ätzend kippt. Und das Drehbuch-Duo Pappas & Barnett stellt sich im ersten Filmdrittel sogleich mehrmals ein Bein, indem es Missy unverzeihliche Straftaten begehen lässt, die mit ein paar Dialogzeilen als Happy-Madison-esk derbe, oberpeinliche, aber auch krass-humorige Missverständnisse neukontextualisiert wären. Dagegen kann auch Lapkus nicht anspielen – trotzdem schafft sie es im weiteren Filmverlauf, Missy graduell zu humanisieren. Etwa, indem sie Missys anfangs manisch wirkendes, weites Augenaufreißen nach und nach sanfter einsetzt und so als cartoonige, aber menschelnde mimische Macke bei Überraschungen oder ungelenken Pointen umdeutet.

Ob zwischen Tim und Melissa (Molly Sims) was geht?

Hilfreich ist aber auch, dass David Spade („Sandy Wexler“) seine Rolle eher schluffig denn angewidert und schockiert anlegt, sodass der unvermeidliche, vorhersehbare Handlungsbogen, in dem Tim sukzessive Missy verfällt, zwar noch immer nicht glaubwürdig gerät – aber wenigstens für Happy-Madison-Verhältnisse plausibel. Mit „Scrubs“-Star Sarah Chalke als Tims freundliche Ex-Flamme, die auch auf Hawaii abhängt, und Geoff Pierson als augenzwinkernd-großkotziger Boss Tims sind zudem die zentralen Nebenrollen gefällig besetzt. Darüber hinaus hat es auch im Jahr 2020 noch immer einen anderen Beigeschmack, wenn nicht schon wieder in einer derben Komödie ein ulkiger, lauter, auffälliger Typ eine gesittete Frau so lange anbrüllt und blamiert und hemmungslos angräbt, bis sie ihm verfällt, sondern die Rollen vertauscht sind. „The Wrong Missy“ daher als Happy-Madison-Selbstdekonstruktion zu bezeichnen, ginge zu weit. Dafür werden zu viele erzählerische Nebenschauplätze zu formelgerecht aufgelöst und zu selten wird gezielt gegen die Studiorezeptur geschossen.

2Regisseur Tyler Spindel weiß öfters nicht, wann genug ist und eine Szene enden sollte, bevor sie von derb-komisch zu krass-ätzend kippt.“

Dennoch sind tatsächlich Versatzstücke einer Selbstkritik (oder wenigstens einer Selbsterkenntnis) vorhanden – etwa, wenn ein dramatischer, mit schwelgender Musik untermalter Kuss durch einen Umschnitt als etwas gezeigt wird, das sonst wirklich niemanden interessiert. Für einen guten Film hätte man noch viel mehr da rausholen können und müssen – aber gemessen an der graduellen „Sandlers Crew will sich ihren Urlaub an einem wunderschönen Ort finanzieren lassen, indem sie dort einen Film dreht – und sie steht dazu“-Skala ist „The Wrong Missy“ tatsächlich schon einer der engagierteren Genreeinträge.

Fazit: Obszön, laut und grell – und getragen von einer Hauptdarstellerin, die sich redlich bemüht, aus dem halbgaren Skript etwas zu machen: Bei „The Wrong Missy“ hapert es zwar szenenweise gewaltig, doch im großen Ganzen ist diese Komödie eine der gefälligeren Happy-Madison-Netflix-Filme.

„The Wrong Missy“ ist ab sofort auf Netflix streambar.

Und was sagst Du dazu?