The Possession of Hannah Grace

Schaut man auf gängige Filmbewertungsportale in den USA ordnet sich der Exorzismus-Horrorfilm THE POSSESSION OF HANNAH GRACE neben Filmen wie „Slender Man“ oder „Polaroid“ in die Reihe der hundsmiserablen Genrebeiträge ein, die die Welt nicht braucht. Doch woher diese Abneigung kommt, können zumindest wir uns nicht erklären. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Wenn man tot ist, ist man tot. Aber manchmal ist der Tod erst der Anfang… Ein außer Kontrolle geratener Exorzismus fordert das Leben einer jungen Frau (Kirby Johnson). Monate später, mitten in der Nachtschicht, landet der schrecklich entstellte Leichnam auf dem Tisch von Megan Reed (Shay Mitchell) in der Leichenhalle, die gerade erst angefangen hat, in ihrem neuen Job zu arbeiten und selbst mit den Dämonen aus ihrer Vergangenheit zu kämpfen hat. Gefangen in den Kellerräumen dieser gespenstischen Umgebung wird Megan von entsetzlichen und bizarren Visionen heimgesucht, die darauf hindeuten, dass der leblose Körper noch immer von einer dämonischen Macht besessen ist. Doch ist es wirklich der Leichnam, der ein bizarres Eigenleben führt, oder sind es die Folgen von Meghans psychischer Erkrankung, wegen der sie bereits Psychopharmaka genommen hat?

Kritik

Eine Leichenhalle ist schon von Natur aus ein unheimlicher Ort. Schließlich liegen hier unzähligen tote Körper herum. Und wenn man dann auch noch Nachtdienst schieben muss, um einfach nur darauf aufzupassen, dass hier nichts passiert, dann ist das ja allein schon deshalb obskur, weil man sich fragt, was denn großartig passieren soll; in der Regel können die Menschen, die erst einmal dort gelandet sind, inkeinen Muchs mehr von sich geben – oder besser gesagt: sollten. Dass das auch ganz anders geht, haben bereits Filme wie „Nightwatch – Nachtwache“ sowie sein leider unsägliches US-Remake „Freeze“, der spanische Geheimtipp „The Body“ und zuletzt „The Autopsy of Jane Doe“ bewiesen. Nun könnte man Drehbuchautor Brian Sieve (zeichnete unter anderem für die „Scream“-Serie verantwortlich) prinzipiell vorwerfen, für „The Possession of Hannah Grace“ lediglich bei bereits existenten Genrebeiträgen geklaut zu haben. Andererseits halten sich die in dieser Kulisse spielenden Filme eben auch derart in Grenzen, dass sich durchaus sagen lässt, dass es mal wieder an der Zeit ist, auf die gute alte Pathologie-Kulisse zurückzugreifen. Mit ihrem Beitrag reichen Sieve und der niederländische Regisseur Diederik Van Rooijen („Daglicht“) zwar nicht an „Nightwatch“ oder auch „The Body“ heran; dafür wird „Hannah Grace“ im letzten Drittel einfach zu sehr das Opfer gängiger Genrekonvention, die Van Rooijen auch mit seiner zuvor an den Tag gelegten, inszenatorischen Finesse nicht ausgleichen kann. Doch in den ersten 45 Minuten ist sein Film ein hochatmosphärischer Thriller, der ohne viele Jumpscares allein durch das Setting, das smarte Spiel mit Licht und Schatten und mit dem, was er andeutet, aber nicht direkt zeigt, überzeugt.

Megan (Shay Mitchell) spürt, dass in der Leichenhalle etwas nicht mit rechten Dingen zugeht…

„The Possession of Hannah Grace“ besitzt einen dramaturgischen Überbau, der zugegebenermaßen kaum überzeugt. Die von „Pretty Little Liars“-Star Shay Mitchell solide verkörperte Protagonistin Megan leidet seit einem Zwischenfall im Polizeidienst an psychischen Störungen und tritt daher als Quereinsteigerin den Dienst in der Pathologie eines Krankenhauses an. Immer wieder überkommen sie Flashbacks von besagtem Zwischenfall, auch die Einnahme von denen vorbeugenden Psychopharmaka wird angedeutet. Trotzdem wirkt der Wechsel vom Polizeidienst in eine derartige Umgebung wie eine Leichenhalle unglaubwürdig und die eingestreuten Flashbacks willkürlich sowie lediglich der Dramaturgie geschuldet. Darüber hinaus weiß man als Zuschauer aus einem Exorzismus-Prolog von Anfang an, dass es in der Welt von „The Possession of Hannah Grace“ Übernatürliches wie Dämonen gibt, sodass ab der Einlieferung der bei einer solchen Austreibung zu Tode gekommenen jungen Frau Hannah überhaupt nicht zur Debatte steht, dass in diesem Körper Böses wohnt. Die Frage, ob sich Megan all das aufgrund ihrer Vorgeschichte also doch nur einbildet, ergibt sich daher – zumindest für den Zuschauer – zu keiner Sekunde. Und auch Mitchell gibt ihren inneren Zwiespalt nicht mit genügend Nachdruck zum Besten, sodass sich dieser Subplot eigentlich auch ersatzlos streichen ließe, ohne dass die unbestreitbaren Vorzüge von „The Possession of Hannah Grace“ darunter zu leiden hätten.

Zu diesen gehört zum Einen die von Kirby Johnson („6150“) verkörperte „Titelheldin“ Hannah Grace. Diese macht dank spektakulärem Effekt-Make-Up nicht bloß einen bemerkenswert toten Eindruck, auch ihre Art der Fortbewegung, die es so aussehen lässt, als befände sich in ihrem Körper kein einziger Knochen, sowie ihr irrer Blick machen die wandelnde Leiche zu einem unkonventionellen Eyecatcher mit ordentlich Gruselpotential. Doch nicht nur Hannah Grace selbst sorgt beim Zuschauer für reichlich Gänsehaut. Diederik Van Rooijen hat zwar letztlich bloß das kleine Einmaleins des Horror- und Thrillerkinos verinnerlicht, lässt es seinen Kameramann Lennert Hillege („Retrospekt“) aber so gekonnt in Szene setzen, dass „The Possession of Hannah Grace“ in der ersten Dreiviertelstunde ganz einfach sehr, sehr unheimlich ist. Dafür benötigt es nur vereinzelte Jumpscares (von denen einer so vorhersehbar ist, dass er im Kontext fast schon wieder als Gag zu verstehen ist). Viel wichtiger als diese billig erhaschten Schockeffekte ist jedoch das stimmungsvolle Spiel mit Licht und Schatten sowie Schärfen und Unschärfen. So ist es in der Pathologie beispielsweise stets dunkel. Lediglich die Bewegungsmelder sorgen dafür, dass die Deckenbeleuchtung für einen kurzen Moment anspringt, wenn sich Jemand in dem jeweiligen Gang bewegt. Das eröffnet natürlich diverse Möglichkeiten, Grauen anzukündigen, ohne dafür direkt in die inszenatorischen Vollen gehen zu müssen.

Megans Ex-Freund glaubt der jungen Frau nicht, als diese behauptet, eine „ihrer Leichen“ würde noch leben…

Hier springt mal eine Tür auf, dort sieht man einen Schatten im Fahrstuhl verschwinden – innovativ ist all das natürlich nicht, aber es besticht durch seinen minimalistischen Aufbau, ebenso wie durch die erzählerische Logik und die klugen Handlungen der Hauptfiguren – an Genrestandards gemessen natürlich. Dass eine psychisch labile Ex-Polizistin wieder zurück ins Leben finden will, indem sie nachts auf eine ganze Reihe toter Menschen aufpasst, muss man als Konzept natürlich erst einmal schlucken. Hat man das getan, verhalten sich die für die Handlung relevanten Figuren in „The Possession of Hannah Grace“ allerdings durchaus clever. Megan interagiert mit ihrem Umfeld stets besonnen, gerade weil sie in Betracht zieht, dass die unheimlichen Vorkommnisse auch ihrer Einbildung entstammen könnten. Dasselbe gilt für die Nebendarsteller, die den Aussagen der jungen Frau natürlich erst einmal wenig Aufmerksamkeit schenken und dann gemeinsam mit ihr an ihrem Verstand zu zweifeln beginnen, als sich die Beweise verdichten, dass hier tatsächlich etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Als es schließlich an den Punkt kommt, an dem an der Existenz von Dämonen keinerlei Zweifel mehr besteht, geht „The Possession of Hannah Grace“ leider spürbar die Luft aus. Nicht nur, dass die Computereffekte im Finale ganz so aussehen, als wäre das Budget an dieser Stelle bereits komplett verbraucht gewesen, es passt schlicht nicht zur unaufgeregten ersten Stunde, in der sich das Grauen ganz subtil an die Protagonistin heranzuschleichen vermochte. Das drückt den Gesamteindruck des Films leider noch einmal, der jedoch im Großen und Ganzen deutlich besser ist, als aus Übersee behauptet.

Fazit: Die erste Dreiviertelstunde von „The Possession of Hannah Grace“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich mit wenigen Mitteln eine glaubhaft beklemmende Atmosphäre kreieren lässt. In der zweiten Hälfte verläuft sich der Film leider in einem standardisierten Krawall-Finale – trotzdem bleibt er bis zuletzt ein solider Schocker.

„The Possession of Hannah Grace“ ist ab dem 31. Januar in den deutschen Kinos zu sehen.

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