In The Middle of The River

Autorenfilmer Damian John Harper charakterisiert mit seinem rauen Drama IN THE MIDDLE OF THE RIVER die Spirale der Gewalt am unteren Rande der US-amerikanischen Gesellschaft. Wie mitreißend ihm dies gelingt, erfahrt ihr in unserer Kritik.

Der Plot

New Mexico in der Gegenwart: Der junge Irakkriegsveteran Gabriel (Eric Hunter), will sich wieder stärker um seine Familie kümmern. Kürzlich starb seine Schwester unter mysteriösen Umständen, wobei für den Choleriker Gabriel der Schuldige außer Frage steht. Es muss sein gewalttätiger Großavter Laurence (Max Thayer) gewesen sein – unklar ist bloß das Motiv. Dessen ungeachtet will Gabriel Blutrache für seine Schwester verüben, zumal die Indizien ein unaussprechliches Verbrechen andeuten. Als Gabriel für seinen Mordplan einen ganzen Tag mit seinem Opa verbringen muss, erkennt er jedoch, dass sein Großvater zwar ungehalten, aber längst nicht so schlimm wie gedacht ist. Oder ist das alles nur ein Schauspiel eines alten Mannes, der weiß, dass sein Enkel ihm auf die Schliche gekommen ist?

Kritik

Der Ethnologe und Autorenfilmer Damian John Harper ist unter anderem für seine deutsch-mexikanische Koproduktion „Los Ángeles“ bekannt. Der 97-minütige, komplett mit Laiendarstellern besetzte Film erzählt mit viel Einfühlungsvermögen von Mexikanern, die vom Leben in Los Angeles träumen und dafür allerlei auf sich nehmen. Auch „In the Middle of the River“ ist von deutschen Geldern mitfinanziert worden, blickt jedoch auf den Süden der USA, namentlich auf das in der mehrfach preisgekrönten Hitserie „Breaking Bad“ porträtierte New Mexico. Schon der moderne Serienklassiker riss in späteren Episoden die unvermeidliche Präsenz faschistischer Gruppierungen an – und die in Trumps Amerika angesiedelte, deutsch-US-amerikanische Koproduktion „In the Middle of the River“ unterstreicht diese Bedrohung doppelt. In diesem ernüchternden Stück filmischen Lokalkolorits lassen sich Jugendliche rechte Kodierungen auf den Bauch stechen, proklamieren stolz „Make America great again!“ und beschimpfen Mitmenschen als „Buschneger“, denen sie es so richtig zeigen werden – und selbstredend wird mit geladenen und entsicherten Schusswaffen herumgewedelt, als seien es Fliegenklatschen.

Gewalt als Antwort auf alles: In New Mexico wird nur geredet, wenn nichts anderes zur Hand ist.

Dass sie selbst nicht-weiße Vorhaben haben, ist den blindem Hass folgenden Teenagern gleich. Doch zur Milieustudie der Unterschicht im heutigen New Mexico gehört noch viel mehr als Jugendliche, die sich in ihrer Wut auf alles und jeden Trump-Slogans und Nazisymbolen hergeben. Harper entwirft vor den Augen seines Publikums eine wüste (Teil-)Gesellschaftsskizze aus Drogenhandel und Drogenmissbrauch, unablässigen Verbalattacken, verhärteten Clan-Feindschaften, ständiger Misogynie, der Ausgrenzung von Minderheiten sowie deren Reaktion darauf  – oft in Form von Überkompensation. So entsteht ein steter Strom aus Hass, Wut und Gewalt – niemand in diesem Film lässt irgendwen ausreden, andauernd werden aus kleinsten Theorien die wildesten Mutmaßungen gemacht, die mit starrköpfiger Überzeugung verteidigt werden. Es wird gekeift, gejault, randaliert und zugeschlagen – ein stetes Gewaltpotential, das auch durch die Kameraarbeit symbolisiert wird.

Harper setzt auf eine raue Kameraführung, lässt Kameramann Bogumil Godfrejow (arbeitete auch bereits an deutschen Produktionen wie „Was bleibt“ und „Tabu – Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden“ mit) das Geschehen per Handkamera einfangen, wobei er den Ereignissen in langen Takes förmlich hinterherhetzt. Das ist entfesselt, erhöht den Authentizitätsgrad… und ist in der Intensität, mit der Harper dies durchführt, vollauf übertrieben. Er versetzt das Publikum nicht mitten in einen sprichwörtlichen, reißenden Fluss der Missverständnisse, der mangelnden Kommunikation und brodelnden Brutalität. Er schmeißt es förmlich in einen Strudel und Godfrejows hektische Wackelbilder lenken durch ihre völlige Aufgeregtheit selbst in halbwegs entspannten Sequenzen mehr vom Inhalt ab, als dass sie die Grundtonalität unterstreichen.

Liebendes Familienmitglied, das sich nach Frieden sehnt oder Gewaltopfer, das den Täter verteidigt? Gabriel (Eric Hunter) sieht überall Gründe, seinen Opa zu töten

Auch Lajos Wienkamp-Marques‘ Filmmusik trägt zuweilen arg dick auf und übertönt somit das aggressiv-lebensnahe Spiel der Laiendarsteller, die alles, was ihnen an mimischer Finesse mangelt, durch spürbarer Identifikation mit den hier geschilderten Ängsten und Ärgernissen wett machen. Vor allem Max Thayer („Brothers in Arms“), mit 40 Mini-Credits in seiner Vita zugegebenermaßen vielleicht schon kein Laie mehr, überzeugt als vor Frust brodelnder Großvater, der von Krieg und Ausgrenzung gezeichnet ist und nun die Hassspirale durch seinen ungeheuerlich kurzen Geduldsfaden weiter antreibt. Aber auch Eric Hunter, für den „In the Middle of the River“ die erste große Leinwandarbeit darstellt, gefällt in der Hauptrolle des wohlmeinenden, jedoch ungehaltenen Protagonisten, der durch sein Handeln droht, alles nur noch schlimmer zu machen – zumindest, bis er einen längeren Monolog halten muss. Doch nicht nur er als Mime stößt an seine Grenzen, sondern auch das Drehbuch: Harper legt dem ungehobelten, einfach gestrickten und vor blinder Wut glühenden Ex-Soldaten Gabriel im dritten Akt eine poetische, eloquente Rede in den Mund, in der er eine berührende Metapher über sein Befinden zeichnet. Das sprengt den durch alle Hysterie und gegen Schluss so bequemen Zufällen eh schon strapazierten Rahmen des Glaubwürdigen und zieht dem harschen Milieuporträt seine Schneidezähne.

Fazit: „In the Middle of the River“ ist eine intensive, aber auch arg bemühte Milieustudie, dessen Gesamteindruck die Wackelkamera und das gegen Ende in Klischees abrutschende Drehbuch schwächen.

„In the Middle of the River“ ist ab dem 16. August in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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