The Accountant

Gerade noch Batman, wird Ben Affleck in THE ACCOUNTANT zu einem Buchhalter, der in nicht ganz legale Machenschaften verwickelt wird. Doch irgendwie scheint es so, als hätte Regisseur Gavin O’Connor eigentlich viel lieber einen Superheldenfilm gedreht. Mehr dazu in meiner Kritik.
Der Plot
Christian Wolff (Ben Affleck) ist ein Mathematik-Fachmann, der mit Zahlen deutlich besser zurechtkommt als mit Menschen. Unter der Tarnung einer kleinstädtischen Steuerberatung arbeitet er als Buchhalter für einige der gefährlichsten Unterweltorganisationen der Welt. Die Steuerfahndungsabteilung des Finanzministeriums unter Leitung von Ray King (J.K. Simmons) kommt ihm auf die Spur – deshalb akzeptiert Christian den Auftrag eines legalen Kunden: einer Firma, die Pionierarbeit im Bereich der Robotik leistet: Dort hat nämlich eine Buchhalterin (Anna Kendrick) Unstimmigkeiten in Millionenhöhe entdeckt. Doch während Christian ins Labyrinth der Buchführung einsteigt und der Wahrheit immer näher kommt, steigt die Zahl der Todesfälle in seiner Umgebung.
Kritik
Ein Buchhalter ist ein Buchhalter und ein Superheld ist ein Superheld. Nur in den seltensten Fällen kommt das beides zusammen; im Falle von „The Accountant“ probiert sich Regisseur Gavin O’Connor („Jane Got a Gun“) nun aber exakt an dieser skurrilen Kombination. Nun haben die Alter Egos unserer Lieblingsheroen ja tatsächlich den einen oder anderen, ganz soliden Job, um sich abseits ihrer Weltenrettungsmissionen über Wasser zu halten. Clark Kent alias Superman ist ein Journalist, Peter Parker verdingt sich als Fotograf und Daredevil verdient sein Geld sogar als Anwalt. Allerdings haben diese ganzen DC-, und Marvel-Filme einen ganz anderen Schwerpunkt. Sie erzählen davon, was die Superhero-Tätigkeit mit den Menschen in Kostüm und Maske anstellt, sodass sich letztlich Niemand dafür interessiert, was die Kämpfer für Recht und Ordnung eigentlich tun, wenn sie gerade einmal nicht den Planeten retten müssen. Gavin O’Connor geht hingegen den umgekehrten Weg und lässt die Buchhalter-Tätigkeiten seines Protagonisten das Spannendste in seinem Leben sein. Trotzdem wäre sein Crime-Thriller „The Accountant“ tief im Inneren gern ein Superheldenfilm; von der Charaktereinführung über die technische Aufmachung bis hin zur Erzählstruktur böte der Stoff über einen am Aspergersyndrom erkrankten Super-Buchhalter genug Inhalt, um diesen Film zum ersten Teil eines Franchises über „Super-Beamten“ zu machen. Aber „The Accountant“ soll ja für sich stehen und obendrein als absolut ernst zu nehmender Wirtschaftskrimi mit Actioneinlage verstanden werden. Entsprechend unausgegoren und bisweilen einfach nur stinklangweilig ist Gavin O’Connors siebter Kino-Spielfilm dann auch geworden.
„The Accountant“ befasst sich in der ersten halben Stunde verstärkt mit der Figur des von Ben Affleck („Gone Girl“) zwischen aufopferungsvoll und lethargisch verkörperten Buchhalters Christian Wolff, dessen von Autismus geprägte Vergangenheit in den Rückblenden erzählt wird. In bester Superhelden-Manier (den einen oder anderen bedeutungsschwangeren „Entscheide dich, was Du aus Deinen Fähigkeiten machen willst“-Satz gibt es obendrauf) führt das Skript von Bill Dubuque („Der Richter – Recht oder Ehre“) aus, wie Klein-Christian schon früh unter seiner Asperger-Erkrankung zu leiden hatte, aber auch, wie er sich sein partiell hochfunktionales Gehirn an anderer Stelle umso besser zunutze machte. Seine blitzschnelle Auffassungsgabe und abnorme (Kopf-)Rechenfähigkeiten machen aus ihm einen brillanten Steuerberater und Buchhalter, der sich seine Brötchen im Hier und Jetzt auch in diesem Bereich verdient. Seine Gedächtniskünste haben ihn gar in Kreise gebracht, in denen Millionensummen fließen, die gleichzeitig von illegalen Machenschaften herrühren. Die ganze Einführungsphase rund um Afflecks Charakter gerät spannend und interessant; zumal es dem „Argo“-Regisseur gelingt, die von der Krankheit dominierten Szenen mit viel Elan an den Zuschauer heranzutragen. Wenn Christian sich daheim regelmäßig von lauter Metal-Musik und Stroboskop-Licht beschallen lässt sowie sich mithilfe eines Baseballe-Schlägers gezielt Schmerzen zufügt, um die Reizüberflutung der Welt zu kontrollieren, gibt „The Accountant“ dem Zuschauer Einblicke in ein Krankheitsbild, die man im Mainstream-Kino eher selten erhält. Der Thriller wäre um ein Vielfaches besser, würde sich Gavin O’Connor in seiner Inszenierung auf die Zugkraft seines Protagonisten verlassen. Doch für den halten Skript und Regie schon wenig später ganz andere Verwicklungen bereit.
Christians Kontakt zu den finstersten Gestalten der weltweiten Unterwelt wird ihm nämlich schon bald zum Verhängnis, als er (direkt in der Eröffnungsszene) eine ganze Horde Krimineller über den Haufen schießt. Das führt durchaus dazu, dass man die moralischen Prinzipien der Hauptfigur von Anfang an infrage stellt, während es die Macher indes versäumen, näher auf diesen Aspekt der Geschichte einzugehen. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit der hier dargestellten Gewalt wird also einfach nicht gestellt. Der von Oscar-Preisträger J.K. Simmons („Whiplash“) weitestgehend emotionslos verkörperte Steuerfahnder Raymond King heftet sich mit Hilfe der hitzköpfigen Marybeth Medina (Cynthia Addai-Robinson) an Wolffs Fersen, was dazu führt, dass „The Accountant“ fortan auf zwei Ebenen stattfindet. Auf der einen Seite sehen wir Christian bei der Ausführung seines Jobs, den er mithilfe der zwar solide aufspielenden, inhaltlich aber irrelevanten Anna Kendrick („Pitch Perfect 2“) erledigt und irgendwann eben in die Schusslinie gerät. Auf der anderen Seite sind wir dazu genötigt, die Ermittlungsfortschritte gegen ihn zu verfolgen, die mitunter in viertelstündigen Monologen enden, die wenig Lichts ins Dunkel bringen und es darüber hinaus so erscheinen lassen, als würde man uns über etwaige Verwicklungen zwischen den beiden Erzählsträngen informieren wollen, die aber überhaupt nicht gegeben sind. Bis zuletzt bleibt die Relevanz großer Handlungsteile unklar und gerade in den Dialogszenen geht der Spannungsgehalt von „The Accountant“ gegen Null. Auch ein familiärer Twist, den Gavin O’Connor auf der Zielgeraden aus dem Ärmel zieht, ruft nicht de Aha-Effekt hervor, den man sich von Seiten des Drehbuchautors wohl erhofft hat.
Christian Wolff bei seinen Rechnungen zuzuschauen, hat in der Selbstverständlichkeit, mit der er dieses Kunststück vollzieht, einen großen Unterhaltungswert. Sobald sich der Buchhalter aber als physisch gestählter Nahkämpfer versucht, fehlt es den Szenen an ernsthafter Bedrohung, denn ohne Batman-Kostüm wirkt Ben Affleck überraschend verloren gegenüber seinen Gegnern. Dass er sie dennoch mit Leichtigkeit außer Gefecht setzt, trägt hier und da unfreiwillig komische Züge und auch die Andeutung einer aufkeimenden Liebelei zwischen Christian und seiner Assistentin wirken nur allzu gezwungen. Dass Anna Kendricks Figur auf halber Strecke schließlich einfach aus dem Geschehen verschwindet, stört da schon gar nicht mehr so sehr; immerhin erweckte sie von Anfang an den Eindruck, nur um ein, zwei One-Liner Willen im Film untergebracht worden zu sein. So hat „The Accountant“ abseits seiner technisch absolut souveränen Aufmachung wenig zu bieten. Nach einem starken Beginn, in dem sich die Macher vollständig auf ihren Protagonisten konzentrieren, zerfasert der Thriller als halbherzig-actionlastiger Unterhaltungsfilm mit anstrengend wirtschaftlichen Zügen und dem Versuch, bei all dem noch Interesse für die Figuren entstehen zu lassen. Wir kommen zu dem Schluss: Aus einem Schreibtischtäter wird wohl niemals ein Leidenschaftlicher Superheld…
Fazit: Nach einem starken Auftakt, der das Portrait einer spannenden Person andeutet, gerät „The Accountant“ zu einem absolut austauschbaren Actionthriller mit wenig Action und noch weniger Thrill. Ben Affleck sorgt als halbherzig agierender Held obendrein für wenig Enthusiasmus und Anna Kendrick gefällt zwar wie eh und je, nur ihre Figur braucht der Film einfach nicht.
„The Accountant“ ist ab dem 20. Oktober in den deutschen Kinos zu sehen.
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Fast der ganze Film ist ein spannender Reißer, obwohl schon ziemlich bald klar wird, dass der kleine Christian (später dann Ben Affleck) an einem Hochfunktionalen Autismus leidet. Er ist nicht das Genie oder der helle Wahnsinn, er ist ein wahnsinniges Genie mit einer Begabung für Zahlen. Sein Vater erkennt diese Fähigkeit und trainiert ihn zusammen mit seinem Bruder Braxton (Jon Bernthal) in allen möglichen Kampfsportarten. Christian arbeitet freiberuflich und findet für Großkonzerne Lücken im System mit Milliardenverlusten.
Parallel dazu laufen die Ermittlungen der Steuerbehörde unter Ray King (J.K. Simmons) und Marybeth Medina (Addai- Robinson) die Christian für einen Steuersünder halten. Sein Honorar zahlt dieser teilweise zurück, muss sich allerdings verteidigen, als die Mafia ihm eine Killergang auf den Hals hetzt. Nur die Angestellte Dana (Anna Kendrick) der Firma Robotics von John Lithgow kann Christian gedanklich folgen. Beide werden von der Mafia weiter gejagt. Am Ende treffen das autistische Genie und die Killer aufeinander und Christian muss erkennen, dass er mit deren Anführer verwandt ist.
Eine Szene im Hotel verdeutlicht das Handikap von Christian. Er kann mit Dana als Frau nichts anfangen. Hilflos rennt er davon.
Am Ende gibt es innerhalb der Behörde eine Beförderung, Christian schenkt Dana ein Bild von Jackson Pollock und will sich mit seinem Bruder treffen.
Erst nur reiner Reißer mit sozial-psychologischen Hintergrund, dann erklärende Läuterung des Helden. So gesehen eine wohltuende Mischung von knallharter Spannung und niveauvoller Unterhaltung.