Die Qual der Wahl

Dank des „Hangover“-Franchises avancierte der US-Amerikanische Schauspieler Zach Galifianakis über Nacht zum Kult-Komiker. Zusammen mit seinem Comedykollege Will Ferrell liefert sich Everybody’s Darling nun eine wilde Schlammschlacht vor der Kulisse einer Präsidentschaftswahl in North-Carolina. Das macht Spaß, hätte aber bissiger ausfallen können. Warum, das lest ihr in meiner neusten Kritik.

Der Plot

Seit fünf Jahren ist Cam Brady (Will Ferrell) bereits Kongressabgeordneter für North Carolina. Dies ist nicht schwer: immerhin war er in dieser Zeit der Einzige, der sich zur Wahl stellte. Bis jetzt! Da Brady den Plänen der millionenschweren Motch-Brüder im Wege steht, heuern sie den dümmlichen Tourismusmanager Marty Huggins (Zach Galifianakis) an, sich als Gegenkandidat aufstellen zu lassen. Gesagt, getan! Huggins unterzieht sich diversen Schönheitsbehandlungen und bekommt den charismatischen Polit-Berater Tim Wattley (Dylan McDermolt) an die Seite gestellt. Schon sehr bald buhlen Huggins und Brady um die Gunst des politikinteressierten Volkes. Dabei gehen die beiden Konkurrenten nicht gerade zimperlich miteinander um. Von der Streuung übelster Gerüchte, über Prügel für Hund und Kind bis hin zu einem ganz privaten Sex-Video zeigen die beiden Kontrahenten keine Scheu, dem Ruf des Anderen zu schaden. Ganz nach dem Motto: Der bessere Verlierer gewinnt!

Kritik

Regisseur Jay Roach („Meine Braut, ihr Vater und ich“, „Dinner für Spinner“) hätte sich für das Erscheinungsdatum seiner Komödie „Die Qual der Wahl“ keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, als die Wochen und Monate kurz vor den Präsidentschaftswahlen in den USA. Gleichzeitig schürt er damit unbewusst eine Erwartungshaltung, der die Komödie nicht gerecht wird und schlussendlich gar nicht gerecht werden kann. Denn Roach schuf mit „The Campaign“, so der Originaltitel, keine bissige Politsatire, wie man es vermuten könnte, sofern man den Augenblick der Veröffentlichung mit der aktuellen Wahlthematik überhaupt in Verbindung bringen möchte. Er suchte sich dieses Thema lediglich als Szenerie für eine insgesamt zwar gelungene, aber trotzdem recht konventionelle Komödie aus, die ihr volles Potential leider nicht ausschöpfen kann.

Zu weiten Teilen zieht der Streifen seinen Humor aus dem Alleinunterhaltungswert der beiden Protagonisten. Zach Galifianakis („Hangover“, „Stichtag“) muss mittlerweile kaum noch große Sprüche reißen oder in Slapstick-Manier durch die Gegend trotteln. Allein seine sich durch sämtliche Komödien ziehende Unbeholfenheit und die daraus resultierende Sympathie reichen aus, um dem Kinopublikum einen zarten Applaus zu entlocken. So ist das mit Kultfiguren: Sind sie erst einmal Kult geworden, verzeiht man ihnen auch gröbere Stümper auf der professionellen Ebene; oder übersieht wie in Galifianakis‘ Fall schlichtweg die Tatsache, dass der Darsteller mit seinen Leistungen nicht immer an die seiner Glanzauftritte anknüpfen kann. Letzteres zeigt sich in „Die Qual der Wahl“ leider überdeutlich: Die Figur des Marty Huggins erreicht zu keinem Zeitpunkt den knuddeligen Charme eines Alan, der frech-tollpatschigen Figur des „Hangover“-Franchises. Huggins stellt zwar eine recht ähnlich angelegte Figur dar – die des von der Umwelt stiefmütterlich behandelten Trottels –, gibt dabei jedoch eine äußerst eindimensionale Figur ab. Während sich Alan aus „Hangover“ stets am Rande der geistigen Zurechnungsfähigkeit befand und durch eine ausgewogene Mischung aus Selbstmitleid, Vorwitz sowie Dreistigkeit immer zwischen „zum Liebhaben“ und „zum Auf-den-Mond-schießen“ schwankte, fehlt es Marty an Alans beispielhafter Vielschichtigkeit. Außer, dass der aufstrebende Politiker absolut nichts mit dem Job anfangen kann, von Außenstehenden als Außenseiter wahrgenommen wird und er sich in seiner Rolle gefällt, beließ man es bei einer schemenhaften Figurenzeichnung. Konkreter mochten die Macher die trotz allem zum Publikumsliebling avancierende Figur von Galifianakis nicht charakterisieren. Das ist okay, verhindert aber, dass die tolldreisten Gags das Publikum nicht nur zum Lachen animieren, sondern in entscheidenden Momenten zum Nachdenken anregen könnten. Hierfür benötigt man eine Figur, die das Publikum einlädt, sich mit ihr zu identifizieren. Doch ein Marty gibt hierfür zu wenig Eigenheiten preis.

Da letzterer Part fehlt, bewegt sich „Die Qual der Wahl“ überdeutlich vom Status der Politsatire weg, hin zur durchschnittlichen Komödie.

Im Zusammenspiel mit einem gewohnt souveränen Will Ferrell („Die etwas anderen Cops“, „The Office“) gelingt es Galifianakis allerdings, sein komödiantisches Talent vollständig auszuschöpfen. Auf einer platteren Ebene zwar, aber lässt man sich darauf ein, dass „Die Qual der Wahl“ eben kein fies-intelligenter Polit-Kommentar sein will, funktioniert der Streifen vorzüglich auf der Comedy-Schiene. Die oberflächliche Zeichnung der beiden Protagonisten ist gespickt mit Gegensätzen. Dies beginnt bei der optischen Erscheinung der beiden: Während der große, durchgestylte Cam Brady den typisch geleckten Vorzeigepolitiker abgibt, der sich ohne Ecken und Kanten durch die politischen Umstände aalt, ohne für das Volk sichtbar irgendwo anzustoßen, stellt Huggins das genaue Gegenteil dar: Ein bisschen zu klein, ein bisschen zu dick ein bisschen zu normal. Wie Yin und Yan eben. Allein aus diesem Bild ergeben sich an mehreren Stellen hübsche Lacher: etwa wenn Brady seinen Konkurrenten bereits mit einem festen Händedruck aus der Fassung zu bringen scheint. Leider sind diese Umstände stellenweise auch Basis für uninspirierte und schon zigmal woanders dargebrachte Gags: Als Beispiel sei das viel zu hoch eingestellte Mikrophon für den viel zu kleinen Sprecher zu nennen.

Doch auch in der Art der Interaktion zwischen den beiden Kontrahenten wird schnell deutlich: Die Macher hinter „Die Qual der Wahl“ gaben sich alle Mühe, jeder Rolle ihren deutlichen Stempel aufzudrücken. Leider auf Kosten von Innovation.

Dennoch entwickelt sich an vielerlei Stellen auch eine gefällige Eigendynamik, die in ausgewählten Momenten anarchische Ausmaße annimmt. Die gehen zwar allzu gern auf Kosten des augenscheinlich angestrebten Niveaus, etwa wann sie sich mit niedergeschlagenen Säuglingen oder gewöhnungsbedürftigem Sex-Talk zufriedengeben, sind aber immer noch vollkommen vertretbar – wenn auch oftmals zu offensichtlich konstruiert und damit unglaubwürdig. Das gilt vor allem für den Handlungsstrang, der versucht, in der flachen Comedy-Story ein wenig Tiefgang unterzubringen. Während sich die beiden Protagonisten durch den verrückten Wahlkampf kämpfen, der gekonnt (!) auf dem schmalen Grat zwischen ironisch und übertrieben wandelt, versuchten die Macher mithilfe einer aktuellen Wirtschaftsthematik auch die Feingeister unter den Kinogängern anzusprechen. Was zu Beginn noch auf einen netten Kontrast zu den Absurditäten des Wahlkampfes schließen lässt, wird im weiteren Verlauf der Handlung jedoch nur noch angerissen, nahezu mit Samthandschuhen angefasst und schlussendlich in Nullkommanichts aufgeklärt. Hätte man diesen Part weggelassen, so wäre „Die Qual der Wahl“ wohlmöglich noch absurder, gaglastiger und anarchischer ausgefallen – und damit den Eindruck losgeworden, der Streifen führe auch in den Tempospitzen immer noch mit angezogener Handbremse.

Fazit: Sofern man hinter „Die Qual der Wahl“ kein raffiniertes Satirefilmchen vermutet – nur weil es zur Endphase der US-Wahlen erscheint – ist man vor allem dann gut bedient, wenn man mit flotte Komödien etwas anfangen kann, die dem Zuschauer nicht allzu viel Grips abverlangen. Fans von „Hangover“-Alan werden überrascht sein: Nicht nur, dass man Galafianakis aufgrund eines komplett neuen Stylings kaum erkannt, vor allem besitzt seine Rolle nicht den Wiedererkennungswert, den andere seiner Figuren besitzen. Dennoch gefällt er im Zusammenspiel mit Ferrell und versorgt die Komödie Dank seiner immerzu herzlichen Ausstrahlung mit eine Extra-Dosis Charme. Leider meint es „Die Qual der Wahl“ schlussendlich ein wenig zu gut mit der Moral: Während diese zwischenzeitlich gänzlich in den Hintergrund der mal mehr, mal weniger geglückten Anarcho-Momente rückt, verlischt sie innerhalb der letzten fünf Minuten nahezu sang- und klanglos in einem zweiminütigen Dialog, der weder den Zuschauer zufriedenstellt, noch die Antagonisten befriedigt zurücklassen dürfte. Somit ist die Qual der Wahl schwierig: Anschauen, oder nicht? Kurzum: Dank wenig Konkurrenz im derzeitigen Komödienbereich darf man auf den sympathischen Film durchaus einen Blick riskieren.

„Die Qual der Wahl“ erscheint am 04. Oktober 2012 in den hiesigen Kinos.