Self/Less – Der Fremde in Mir

Tarsem Singh, Macher von „The Cell“ und „The Fall“, ist zurück und mit ihm der Science-Fiction-Thriller SELF/LESS – DER FREMDE IN MIR, der als ethisch angehauchter Blockbuster hohe Ansprüche verfolgt, diese jedoch nicht im Ansatz einhalten kann. Technisch ist die Geschichte um einen Mann, der nach Unsterblichkeit strebt, ein ansehnliches Unterfangen, doch mit der Zeit gerät das ambitionierte Genreprojekt in immer durchschnittlichere Gefilde. Mehr zum Film lest Ihr in meiner Kritik. Self/Less - Der Fremde in Mir

Der Plot

Auch immenser Erfolg und Reichtum bieten ihm keine Garantie für ein langes, gesundes Leben: Als der milliardenschwere Unternehmer Damian (Ben Kingsley) erfährt, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist, begibt er sich in die Hände einer geheimen Organisation unter der Leitung von Albright (Matthew Goode). Um seine Lebenszeit zu verlängern, lässt er sein Bewusstsein in einen anderen, jüngeren Körper übertragen. „Shedding“ nennt sich das ebenso geheime wie teure Verfahren. Das Experiment glückt und der wieder junge Damian (Ryan Reynolds) beginnt unter seiner neuen Identität „Edward“ und in einer anderen Stadt, die gewonnene Zeit in vollen Zügen zu genießen. Doch die neue Welt bekommt Risse, als er von wirren Träumen geplagt wird – Erinnerungen an ein Leben, das nicht sein eigenes ist. Als Damian diesen Visionen auf den Grund geht, muss er erneut um sein Leben fürchten, denn Albright und seine Organisation sind nicht bereit, ihr lukratives Geheimnis kampflos aufzugeben…

Kritik

Nach dreijähriger Leinwandabstinenz hat Tarsem Singh („The Cell“) endlich wieder einen Film gemacht. Der Regisseur, der für extravagante Stoffe bekannt ist, fährt seinen überbordenden Ideenreichtum darin erstmals auf visueller Ebene zurück und konzentriert sich auf eine ebenso provokante wie innovative Ausgangslage. Vollkommen neu ist diese nicht, denn gerade im Science-Fiction-Genre ist die Prämisse des Körpertauschs ein immer wieder gern genommenes Motiv. Doch „Self/Less“ kündigt früh an, auf inhaltlicher Basis so etwas wie philosophische, vielleicht sogar ethische Grundsatzfragen aufzuwerfen oder es zumindest vorzuhaben. Es ist also ein durchaus mutiges Unterfangen, mit dem Singh seine Kinoabwesenheit beendet. Um die Bedeutsamkeit jenes zu unterstreichen und ein möglichst großes Publikum von seinen Ambitionen zu überzeugen, holte er sich sogleich eine namhafte Besetzung ins Boot. Wenngleich mit Ben Kingsley („Iron Man 3) zwar vehement geworben wird, fungiert jener nur als schablonenhafte Nebenfigur eines durchschnittlich frustrierten Snobs. Die eigentliche Hauptrolle wird Ryan Reynolds zuteil, dem es zu verdanken ist, dass „Self/Less“ über seine gesamte Laufzeit interessant bleibt. Denn trotz der großen Pläne kann Singh sein Versprechen nicht halten. Was so ambitioniert beginnt, wird mit der Zeit zu immer formelhafterem Sci-Fi-Einheitsbrei.

Self/Less - Der Fremde in Mir

Es ist ein idealer Stoff, dem sich der visuell auffällige Filmemacher mit „Self/Less“ annimmt. Im Grunde ist er wie vorgefertigt für die überbordenden Bildgewalten des Urhebers von „Spieglein, Spieglein“ und „The Fall“, doch erstmals scheint es dem Regisseur vorzugsweise um die genaue Ausarbeitung der Geschichte sowie der Charaktere zu gehen. Dies bedeutet jedoch noch lange nicht, dass „Self/Less“ optisch unauffällig wäre. Das durchgestylte Design und das von Kameramann Brendan Galvin („Blood and Chocolate“) elegant eingefangene Setting erinnern bisweilen an die visuellen Spielereien eines Joseph Kosinski („Oblivion“), die in der ersten Hälfte von „Self/Less“ zugleich auch den inszenatorischen Tonfall und das Tempo vorgeben. Mit stakkato-artigen Schnitten und einem dazu pulsierenden Sound (Dudu Aram und Antonio Pinto) ist Singhs Regiearbeit durch und durch modern und ergötzt sich vielfach an ihrer durchgeplanten Optik. Dem fügt sich der in diesem Jahr so etwas wie ein Comeback feiernde Ryan Reynolds („The Voices“) hervorragend und funktioniert perfekt in der Rolle des versnobten Edelmannes, der mit gutaussehenden Frauen ins Bett geht und prollige Luxuskarossen fährt.

Die erste Phase von „Self/Less“ bietet ansprechendes und neuartiges Unterhaltungskino der Marke „Focus“, doch wie auch schon der Anfang des Jahres erschienene Heist-Movie mit Will Smith hat auch Singhs Arbeit dasselbe Problem mit der zweiten Hälfte. Ab dem Moment, in welchem sich Reynolds Figur aufmacht, das Geheimnis seiner Herkunft zu ergründen, geht das Drehbuch von David und Alex Pastor („Carriers“) nur noch allzu beliebig vor und der Höhepunkt – eine Bildmontage von Damians neuem Lebensstil – findet bereits auf der Hälfte der Laufzeit statt. „Self/Less“ verliert sich anschließend in einem herkömmlichen Sci-Fi-Plot mit immer wieder interessanten Einschüben, denn verliert sich doch mal ein Plottwist in die ansonsten recht vorhersagbare Story schlägt dieser schließlich auch mit voller Wucht ein. Das Grundgerüst verfährt jedoch nach typischen Genre-Mustern und auch der zu Beginn angestrebten, philosophisch-ethischen Aussage hinter „Self/Less“ wird gen Ende kaum mehr Bedeutung beigemessen. Gen Ende dominiert leidenschaftslos gefilmtes Blockbuster-Standardwerk das Geschehen. Ob Verfolgungsjagden oder Explosionen: Singh fackelt das Gros der Durchschnitts-Popcornunterhaltung mit Vergnügen ab, vergisst dabei aber seine eigenen Ansprüche. So ist „Self/Less“ Stückwerk mit schmucken Ideen, aber ohne jene eigene Handschrift, mit der Tarsem Singhs Filme sonst gesegnet sind.

Damian alias Edward (Ryan Reynolds) lässt Madeline (Natalie Martinez) im Unklaren darüber, was mit ihm passiert ist.

Damian alias Edward (Ryan Reynolds) lässt Madeline (Natalie Martinez) im Unklaren darüber, was mit ihm passiert ist.

Fazit: Mit „Self/Less – Der Fremde in mir“ präsentiert sich Regievirtuose Tarsem Singh erstmals überraschend zurückhaltend und konzentriert sich auf einen Plot, dessen Prämisse schon eher der überschwänglich Fantasie des Regisseurs entspricht. Anfangs findet Singh noch eine erfrischende Balance zwischen Style und Substance, doch mit dem Style geht auch der Substance schließlich verloren. „Self/Less“ sei dadurch auf keinen Fall ein gewisser Unterhaltungswert abgesprochen. Doch mit der eingangs angekündigten Genre-Revolution hat der Film letztlich wenig zu tun. Immerhin: Nach „Die Frau in Gold“ und „The Voices“ dürfte sich Ryan Reynolds seinen guten Ruf endlich wieder hergestellt haben.

„Self/Less – Der Fremde in mir“ ist ab dem 20. August bundesweit in den Kinos zu sehen.

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