The Gentlemen

Nach Ausflügen ins Big-Budget-Hollywoodkino kehrt Guy Ritchie zu seinen Wurzeln zurück, um sich im selben Atemzug von ihnen zu verabschieden. Vorab zeigt er sich mit THE GENTLEMEN allerdings noch einmal von seiner besten Seite. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Smart, knallhart und mit genialem Gespür fürs Geschäft hat sich der Exil-Amerikaner Mickey Pearson (Matthew McConaughey) über die Jahre ein millionenschweres Marihuana-Imperium in London aufgebaut und exportiert feinsten Stoff nach ganz Europa. Doch Mickey will aussteigen, endlich mehr Zeit mit seiner Frau Rosalind (Michelle Dockery) verbringen und auf legalem Weg das Leben in Londons höchsten Kreisen genießen. Ein Käufer für die landesweit verteilten – und dank des chronisch geldknappen Landadels gut versteckten – Hanf-Plantagen muss her. Auftritt: Matthew Berger (Jeremy Strong). Der exzentrische Milliardär bietet eine hohe Summe, will jedoch Garantien sehen. Und das ausgerechnet in dem Moment, in dem sämtliche Groß- und Kleinkriminellen der Stadt Wind von Mickeys Plänen bekommen haben – von Triaden-Boss Lord George (Tom Wu) über den durchgeknallten Emporkömmling Dry Eye (Henry Golding) bis hin zum schmierigen Privatdetektiv Fletcher (Hugh Grant). Während Mickeys rechte Hand Ray (Charlie Hunnam) seinem Boss den gröbsten Ärger vom Hals hält, überbieten sich alle Beteiligten mit Tricks, Bestechung, Erpressung und anderen fiesen Täuschungen und lösen eine folgenschwere Lawine aus…
Kritik
Guy Ritchie begann seine Karriere mit dreckigen Kleinganovenfilmen wie „Bube Dame König grAs“ und „Snatch – Schweine und Diamanten“, eh ihn das Schicksal vieler anderer Filmemacher ereilte: Große Hollywoodstudios wurden auf ihn aufmerksam. Und eh er sich’s versah, durfte er mit Multimillionenbudgets zwei „Sherlock Holmes“-Filme, eine sündhaft teure (und noch viel sündhafter gefloppte) König-Artus-Verfilmung und schließlich die Disney-Realfilmadaption von „Aladdin“ verantworten. Unglücklicherweise kamen ihm dabei über die Jahre Teile seiner markigen Handschrift abhanden. Im Falle von „Aladdin“ erinnerte gar überhaupt nichts mehr an die dynamisch-kecke Regieführung des gebürtig aus Hatfield stammenden Auteurs, sodass man nur hoffen konnte, dass sich Ritchie langsam, aber sicher wieder von der Traumfabrik entfernen würde. Und das tat er jetzt auch. Mit seiner beschwingten Krimi-Komödie „The Gentlemen“ begibt sich der Regisseur und Autor in Personalunion zurück zu seinen Wurzeln, nur um sich gleichzeitig endgültig davon loszusagen. Mithilfe einer metahumoristischen Rahmenhandlung über das Filmemachen an sich kokettiert Ritchie gekonnt mit seinem eigenen Image, ohne sich selbst zu parodieren und lässt gen Ende hin offen, ob man ihn jemals wieder so in seinem Element sehen dürfen wird. Für den Fall, dass nicht, hat er mit „The Gentlemen“ immerhin einen famosen Schwanengesang abgeliefert.

Plötzlich steht der schmierige Fletcher (Hugh Grant) bei Ray in der Küche und unterbreitet ihm ein unmoralisches Angebot.
Auf Guy Ritchies eigene Vita geblickt, ließe sich „The Gentlemen“ wohl am ehesten als mit dem Stilbewusstsein eines „Codename U.N.C.L.E.“ inszeniertes „Snatch“ bezeichnen. Ein wenig weiter ausgedehnt, deutet der Film indes an, was aus einem exzentrischen Franchise wie „Kingsman“ wohl geworden wäre, hätte nicht Ritchies Kollege Matthew Vaughn hier Regie geführt, sondern Ritchie selbst. Denn wo Vaughn um die ungeschriebenen Gesetze des Agenten- und Spionagekinos à la „James Bond“ und Co. ganz genau weiß, damit er die Erwartungen des Publikums am Ende mit Schmackes und Irrsinn unterwandern kann, geht Ritchie im Falle von „The Gentlemen“ ähnlich vor: Den erzählerischen Rahmen des Films bildet ein Treffen zwischen dem praktisch veranlagten Ray und dem schlitzohrigen Privatermittler Fletcher, der Ray in Rückblenden und unter Zuhilfenahme filmischer Mittel den Status Quo erläutert. Er etabliert Protagonisten, Dramaturgie, Akte und Twists mit Ankündigung, sodass der überraschungsreiche Plot in den Händen Guy Ritchies gar nicht mehr so überraschend, sondern in erster Linie sich dem Publikum kalkulierend anbiedernd anmutet; und damit dann eben doch wieder überrascht. Ritchie legt in „The Gentlemen“ selbstbewusst seine handwerklichen Skills offen. Die von Hugh Grant („Paddington 2“) kongenial schmierig verkörperte Detektiv-Figur wird zum augenzwinkernden Mitwisser, sodass sich das Zusammenspiel zwischen ihm und dem sukzessive genervteren Ray (Charlie Hunnam beweist das erste Mal überhaupt ein beachtliches Talent für komisches Timing) mit der Zeit als klares Filmhighlight entwickelt.
In den einen Großteil des Films ausmachenden Rückblenden dröselt sich nach und nach das große Figurengeflecht auf, in dessen Zentrum der von Oscar-Preisträger Matthew McConaughey („Dallas Buyers Club“) verkörperte Drogenbaron Mickey Pearson steht. Dieser möchte vor seinem Ausstieg aus der Szene noch rasch seine Schäfchen ins Trockene bringen und sucht daher einen geeigneten Nachfolger für sein Business, um sich mit (weitestgehend) sauberen Fingern zur Ruhe zu setzen. Die Drecksarbeit erledigt derweil sein Handlanger Ray, der seinen Job gleichsam gewissenhaft wie elegant vollzieht – sofern man in diesem Geschäft denn überhaupt von elegant reden kann. Doch „The Gentlemen“ hört nicht umsonst auf diesen Namen. Kämpfen in „James Bond“, „Kingsman“ und Co. ehrenwerte Gentlemen-Spione um die Sicherheit der Welt, sind es in diesem Film eben die Kleinkriminellen und Ganoven, die sich ihrer Feinde zwar effektiv aber wenn möglich auch ohne viel Brutalität und Aufsehen entledigen wollen. Da wird schon mal der Schwerkraft die Schuld für den Tod eines aus dem Fenster gestürzten Bösewicht gegeben. Und bevor ein Feind eine Kugel in den Kopf geschossen bekommt, erklärt ihm der Schütze lang und breit in Form einer metaphorischen Geschichte, weshalb nun ausgerechnet er dran glauben muss. Das kann man auf der einen Seite pseudocool finden, wird von sämtlichen Darstellern aber eben mit solch einem Charme und Verve vorgetragen, dass man nie das Gefühl bekommt, Autor Guy Ritchie wolle einfach nur möglichst viele potenziell kultverdächtige One-Liner in seinem Film unterbringen. Die Zeitgenossen hier reden ganz einfach wirklich so. Und genau das ist es auch, was an „The Gentlemen“ so einen Spaß bereitet.

Mickey (Matthew McConaughey) würde gern aus dem Geschäft aussteigen. Gattin Rosalind (Michelle Dockery) befürwortet das.
Auch inszenatorisch spielt Ritchie mit dem Clash unterschiedlicher Klientel. Auf einen hochgestochenen Dialog über vertane Chancen und den Sinn und Unsinn illegaler Machenschaften folgt eine rasante Verfolgungsjagd, an dessen Ende der in einen eleganten blauen Mantel gehüllte Ray einfach mal ein Maschinengewehr hervorholt und wild um sich ballert. Die Lust am Überdrehen konterkariert Guy Ritchie dabei immer mit einer im Kern bodenständigen Geschichte über Drogenhandel und Konkurrenzdenken, der sich die allesamt hervorragend aufgelegten Darsteller optimal anpassen. Wo der eine nah an der Karikatur agiert – einfach weil das Business von ihm ein derartiges Auftreten verlangt, wie zum Beispiel vom völlig frei drehenden Colin Farrell („Widows – Tödliche Witwen“) – lassen die auf der Seite der Widersacher agierenden Henry Golding („Last Christmas“) oder Eddie Marsan („Fast & Furious: Hobbs & Shaw“) niemals Zweifel daran, dass mit ihnen (wenngleich auf völlig unterschiedliche Art und Weise) nicht gut Kirschen essen ist. Selbst wenn sich „The Gentlemen“ zum Ende hin immer weiter zuspitzt und die Ereignisse regelrecht hanebüchene Züge annehmen, bleibt das Geschehen immer so weit in der Realität verortet, dass sich der Film zu gleichen Anteilen als Crime-Comedy sowie als Nachdichtung derselben verstehen lässt. Und wie viel Methode dahinter steckt, erahnt man spätestens dann, wenn plötzlich ein „Codename U.N.C.L.E.-Plakat mitten im Film auftaucht; Guy Ritchie weiß ganz genau, welcher Knöpfe er wann drücken muss, damit am Ende ein Film entsteht, wie ihn sich Privatdetektiv Fletcher – vielleicht auch ein Stückweit Alter Ego von Ritchie – vorstellt.
Fazit: Straßenköter in Maßanzügen – „The Gentlemen“ ist Guy Ritchies Antwort auf „Kingsman“, ein Spagat zwischen „Snatch“ und „Codename U.N.C.L.E.“, vielleicht ein Abschied vom Genre, aber auf jeden Fall eine hoch unterhaltsame Crime-Comedy , die von ihrem Style, ihrem Humor, ihren Schauspielern und jeder Menge Widersprüchen lebt.
„The Gentlemen“ ist ab dem 27. Februar in den deutschen Kinos zu sehen.