Jackie

Aktuell scheint sie die Einzige zu sein, die Emma Stone den Oscar als „Beste Hauptdarstellerin“ streitig machen könnte. Natalie Portmans Leistung im First-Lady-Portrait JACKIE ist einfach eine Wucht. Genauso wie der ganze Film. Mehr dazu in meiner Kritik.Jackie

Der Plot

Sie ist eine First Lady wie aus dem Märchen: elegant, kultiviert, populär. Und schon zu Lebzeiten eine Legende. Als Präsidentengattin verwandelt sie das Weiße Haus in einen glamourösen Ort, an dem sich die High Society trifft. Das ist schlagartig vorbei, als Präsident John F. Kennedy am 22. November 1963 in Dallas erschossen wird. Jackie Kennedy (Natalie Portman) verliert alles – ihre Liebe, ihre Aufgabe, ihr glitzerndes Leben. Geschockt und traumatisiert durchlebt sie die folgenden Tage, ergreift aber bald die Initiative und kümmert sich um das Vermächtnis ihres Mannes…

Kritik

Sie war eine der schillerndsten Persönlichkeiten der US-amerikanischen Politszene und steigerte ihren ohnehin unermesslichen Bekanntheitsgrad noch einmal, als ihr Ehemann, der Präsident John F. Kennedy, im Jahre 1963 auf offener Straße erschossen wurde. Seither rankten sich Legenden und Mythen um die damalige First Lady. Ihren Charakter vermochten Medienmacher und Journalisten bis zu ihrem Tod im Mai 1994 nie komplett zu entschlüsseln; Jacqueline Kennedy war zugleich die glamouröseste Präsidentengattin der Vereinigten Staaten, aber auch diejenige, von der die meisten Geheimnisse ausgingen. Damit ist ihre Person gleichsam wie geschaffen dafür, um im Rahmen eines prestigeträchtigen Hollywood-Biopics aufbereitet zu werden – und wenn nicht in der Oscar-Saison, wann dann? In die Rolle der 64 Jahre alt gewordenen Southamptonerin schlüpft Natalie Portman. Wer dachte, mit ihrer mit einem Acadamy Award ausgezeichneten Performance in Darren Aronofskys Ballettthriller „Black Swan“ hätte die Schauspielerin schon früh ihr Optimum erreicht, der irrt gewaltig. In „Jackie“ liefert die heute 35-Jährige die bislang fesselndste und eindringlichste Darbietung ihrer Karriere ab. Kein Wunder: Denn obwohl „Jackie“ lediglich von einem Produzentenposten aus von Darren Aronofsky beaufsichtigt wurde, wird man doch die ganze Zeit das Gefühl nicht los, der „Requiem for a Dream“-Macher hätte hier auch gleich die Regiearbeit übernommen.

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Natalie Portman in der Hauptrolle der Jacqueline Kennedy.

Man kann es gar nicht anders sagen: Visuell und inszenatorisch ist „Jackie“ ein Horrorfilm. Die Art, wie Regisseur Pablo Larraín („El Club“) die von Kameramann Stéphane Fontaine („Captain Fantastic“) kreierten Bildkompositionen zu einem großen Ganzen zusammenfügt und mit einer Musik unterlegt, die in ihrer beharrlichen Bedrohung direkt aus „Shining“ zu stammen scheint, erwecken den Eindruck, aus der frisch gebackenen Witwe Jackie Kennedy könnte im nächsten Moment ein Monster werden. Beständig folgt die Kamera Portman auf Schritt und Tritt, schaut ihr verwackelt über die Schulter („Black Swan“ lässt grüßen!), lugt unheilvoll um die Ecken der unendlich erscheinenden Gänge des Weißen Hauses und verharrt für Minuten in aussagekräftigen Stillleben; der anschwellende Score und die beißenden Streicher (Komponist: Mica Levy) verheißen unterdessen nie wirklich etwas Gutes. Selbst das Abspielen eines eigentlich heiteren Musicalsongs ist im Kontext voll von herbem Zynismus. „Jackie“ seziert eine Frau in ihren dunkelsten Stunden – und innerlich verwandelt sich die stets so adrett gekleidete Dame irgendwann tatsächlich in ebenjenes grässliche Monster, vor dem sich vor allem einer fürchtet: Jackie selbst. So subtil bedrohlich, voll von unterschwelligem Suspense und betonter Melancholie dieses Drama auch ist, bei aller Schwermut nimmt es sich doch die Freiheit heraus, auch die Ambivalenzen in Jacqueline Kennedys Leben aufzuzeigen. Pablo Larraín macht aus der Präsidentengattin keine bemitleidenswerte Heroin, sondern eine streitbare, nie bösartige aber doch von Selbstzweifeln geplagte Persönlichkeit, zu der ein glattgebügeltes Filmportrait gar nicht gepasst hätte. „Jackie“ ist ein Drama, gehüllt in das dunkle Gewand eines Psycho-Horrorfilms, wie ihn wohl nur der eingangs bereits erwähnte Darren Aronofsky noch besser hinbekommen hätte.

Eingebettet wird der Hauptplot rund um die Stunden und Tage nach dem Präsidenten-Attentat in eine Rahmenhandlung. Diese besteht aus einem (so tatsächlich passierten) Gespräch zwischen Jackie Kennedy und einem namenlos bleibenden Journalisten (Billy Crudup), der sie Wochen nach der Tragödie bei sich zuhause besucht. In einer Mischung aus Machtkampf und gemeinsamer Geschichtsaufbereitung geraten diese Szenen vor allem deshalb so intensiv, weil Portmans Figur bei aller Exzentrik eine unbestreitbare Faszination ausstrahlt. Mit ihrem Duktus und Gestus, den sich die Schauspielerin 1:1 von der Realvorlage Jacqueline Kennedy angeeignet hat, verleiht sie ihrer Figur eine Unnahbarkeit, mit deren Hilfe auch diese vermeintlich langweiligen Dialogszenen mitreißend geraten. „Knackt er sie oder knackt er sie nicht?“ – diese Frage steht vor allem dann im Raum, wenn sich Jackie Kennedy wiederholt seelisch entblößt, nur um im Anschluss an die von ihr in Rückblenden geschilderten Ereignisse festzustellen, dass nichts von alldem an die Öffentlichkeit gelangen wird. Mit der Hauptfigur warm zu werden, ist keine Selbstverständlichkeit. Vor allem in der ersten halben Stunde könnte sich manch einer an der befremdlich (da äußerst aufgesetzt) wirkenden Attitüde Jacqueline Kennedys stören. Erst wenn sich das affektierte Lächeln und das arg naive Gebären als Unsicherheit der First Lady erweisen, macht es die Figur dem Zuschauer leichter, sich für sie und ihr seelischen Entwicklungen zu interessieren.

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Natalie Portman spielt in „Jackie“ die Rolle ihres Lebens.

Wem Natalie Portman es dagegen gar nicht einfach macht, ist der Rest des Casts. Trotz vollkommen solide aufspielenden Namen wie Greta Gerwig („Maggies Plan“), Peter Sarsgaard („Die glorreichen Sieben“) oder John Hurt („Hercules“) kann mit dem alles überragenden Spiel der Hauptdarstellerin keiner so recht mithalten. Da „Jackie“ sehr gezielt auf seine weibliche Hauptfigur zugeschnitten ist, ist es wenig relevant, dass das Ensemble um sie herum nicht ebenjene Wichtigkeit erhält. Für prägende Akzente sorgt in erster Linie Billy Crudup („Spotlight“) als auf der Rasierklinge von Jackie Kennedys Gunst tanzender Journalist. Davon abgesehen räumen die Darsteller den Platz für die auch optisch nah am Original befindliche Natalie Portman. Die zweite Hauptrolle spielt indes die Inszenierung, denn obwohl „Jackie“ die bekannten äußeren Umstände des (später auch noch recht explizit gezeigten) Mordanschlags kaum variiert, gewinnt das Publikum doch einen ganz neuen, intimen Blick hinter die Kulissen. So wirken selbst die spektakulären Szenen des Trauerzuges für John F. Kennedy plötzlich zerbrechlich und nichtig; wann immer es geht, begibt sich Pablo Larraín auf Augenhöhe mit der Hauptfigur, was sich auch in der Kameraarbeit wiederspiegelt. Das Skript von Noah Oppenheim („Die Bestimmung – Allegiant“) verurteilt nicht, sondern nimmt Jacqueline Kennedy die Maske ab, die bis zum damaligen Zeitpunkt für die Außenstehenden sichtbar war. „Jackie“ begründet Entscheidungen, erklärt Ängste und macht aus der unantastbaren Präsidentengattin einen Menschen. Und als solchen muss man Jacqueline Kennedy vielleicht nicht mögen, aber um Interesse für ihr Schicksal aufzubringen, dafür birgt ihr Charakter genug Ecken und Kanten für einen Film – für diesen hier auf jeden Fall.

Fazit: „Jackie“ ist der Film, den die ambivalente Person Jacqueline Kennedys verdient hat. Ein düster-elegantes Meisterwerk, das ganz tief in die Seele eines Menschen blickt, der gerade seine dunkelsten Stunden durchlebt. Damit präsentiert Pablo Larraín ein Biopic-Drama im Gewand eines Horrorfilms. Überragend!

„Jackie“ ist ab dem 26. Januar in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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