Ice Age – Kollision voraus!

Es soll der letzte Teil der Reihe sein und angesichts der Qualität von ICE AGE – KOLLISION VORAUS! hoffen wir für alle Beteiligten, dass dieses Versprechen auch tatsächlich in die Tat umgesetzt wird. Weshalb sich die Animationsfilmreihe endgültig totgelaufen hat, verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Scrat stößt bei seiner endlosen Jagd nach der unerreichbaren Nuss in neue Dimensionen vor: Er wird ins Universum katapultiert, wo er versehentlich eine kosmische Kettenreaktionen auslöst, in deren Folge die Gefahr besteht, dass sich die „Ice Age“-Welt verändert oder gar zerstört wird. Sid (deutsche Stimme: Otto Waalkes), Manni (deutsche Stimme: Thomas Nero Wolff) und der Rest der Herde verlassen notgedrungen ihre Heimat und begeben sich auf eine Reise voller Spaß und Abenteuer. Dabei durchqueren sie exotische Länder und begegnen einer Vielzahl von neuen schillernden Charakteren.
Kritik
Die Welt ist dem Untergang geweiht. Ein Blockbusterregisseur, der etwas auf sich hält, lässt mindestens einmal in seiner Laufbahn eine scheinbar unvermeidliche Katastrophe auf den Blauen Planeten los. So richtig konsequent war dabei bislang Niemand. Lediglich in der Horrorsatire „The Cabin in the Woods“ tritt das Unglaubliche ein und eine höhere Macht beschließt, dass der Untergang der Menschheit ein für allemal gekommen ist. Dieser Spaß am nahenden Weltuntergang macht auch vor dem Kinder- und Familienkino nicht halt. Allein in diesem Jahr stand in Filmen wie „Ratchet & Clank“, „Einmal Mond und zurück“ und jetzt eben „Ice Age – Kollision voraus!“ mal eben unser aller Existenz auf dem Spiel. Ein Zyniker würde nun behaupten, dass angesichts der ausnahmslos miserablen Qualität dieser drei genannten Computertrickfilme der Super-GAU vielleicht nicht die schlechteste Idee wäre. Der fünfte Teil der rund um den Erdball beliebten Animationsreihe „Ice Age“ schafft das schier Unmögliche, und rangiert qualitativ auf einer Stufe mit der von uns schon früh als Bodensatz der diesjährigen Animationsfilmgarde ausgemachte PlayStation-Game-Verfilmung „Ratchet & Clank“. Dass sich der Nostalgie (und Bequemlichkeit?) wegen nicht um ein technisches Angleichen an die Qualität gängiger Genreproduktionen gekümmert wurde und man sich nach wie vor an den Animationsmodellen von vor über zehn Jahren orientiert (zum Vergleich: Pixar entwickelte für das „Findet Nemo“-Sequel „Findet Dorie“ auch sämtliche bereits vorhandene Figuren ein zweites Mal), sei „Ice Age – Kollision voraus!“ in gewisser Weise noch verziehen. Doch spätestens wenn sich die Macher über Hashtag-Witze, sexuelle Anspielungen der nur noch nervigen Faultieroma und das ach so schlüpfrige Wörtchen „Glied“ beömmeln, wird klar: Dem Franchise täte der tatsächliche Einschlag das nahenden Meteoriten wohl am besten.
Wenn es Szenendieb Scrat in der Eröffnungssequenz mithilfe eines UFOs in entfernte Galaxien verschlägt, in denen er seinem Image als Tollpatsch des Jahrhunderts alle Ehre macht und schließlich dafür sorgt, dass ein Meteorit ungebremst auf die Erde zusteuert, offenbart diese Szene sofort, wo das generelle Problem bei „Ice Age – Kollision voraus!“ liegt. Das kultige Urzeithörnchen ist als kurzfilmfüllender Slapstickexperte immer noch ein Garant für jede Menge Lacher. Doch ähnlich der Minions macht auch Scrat nur in kleinen Dosen so richtig viel Spaß. In „Ice Age 5“ reizen die Macher die kurzen Einschübe um Scrats Nuss-Eskapaden bis zum Anschlag aus. Die Konsequenz folgt auf dem Fuß: Schon innerhalb des Prologs, also noch lange bevor überhaupt die Titeleinblendung stattfindet, wird aus dem amüsanten Nager ein nervenzerrender Quälgeist. Die Macher haben nicht mehr drauf, als das Sequel-bewährte „Höher, schneller, weiter!“-Credo, wodurch die minimalistisch-kreative Attitüde vom Beginn des Franchises den Szenen um Scrat nun vollends abgeht. Die Folge: Selbst der Part der „Ice Age“-Reihe, der uns zuletzt in den von Teil zu Teil immer schwächer werdenden Fortsetzungen noch am meisten Spaß bereitet hat, hat mit „Kollision voraus!“ nun endgültig seinen Zenit überschritten. Und wenn dieses Urteil schon beim einst über alle Kritik erhabenen Publikumsliebling Scrat zutage tritt, wie soll es sich dann erst bei den eigentlichen Hauptfiguren verhalten?
Die Antwort: noch schlimmer! Während Scrat wenigstens „nur“ zum Opfer immer dämlicher werdender Slapstick-Fantasien seiner Regisseure Mike Thurmeier (inszenierte auch die beiden Vorgänger) und Galen T. Chu (Kurzfilm „Surviving Sid“) wird, müssen sich die von vielen Zuschauern lieb gewonnenen Hauptfiguren Manni, Sid und Co. mit dem auseinandersetzen, was das vierköpfige Autorenteam um Michael Berg (schrieb bis auf Teil zwei sämtlicher Drehbücher zur „Ice Age“-Saga) hier als Story präsentiert. Abgesehen davon, dass sich der Plot in „Kollision voraus!“ nur marginal von jenem in „Die Dinosaurier sind los“ unterscheidet, ist das Skript vollgepackt mit Subplots, die den Film ebenso beliebig wie ungeordnet wirken lassen. Das fängt bei der Figurenanzahl an (selbst Sid kommt beim Zählen der elfköpfigen Herde nicht mehr hinterher), geht weiter bei der Tatsache, dass hier so ziemlich jeder irgendein privates Problem zu lösen hat, und endet schließlich bei sketchartig aufbereiteten Stationen, die die Herde auf ihrem Weg von A nach B zu durchlaufen hat. Konsequenzen für ihre Handlungen sucht man dabei ebenso vergebens, wie die Relevanz der Krisenherde für den Handlungsverlauf. Wenn sich Manni und seine Frau mit dem Gedanken auseinander setzen müssen, dass ihre Tochter das Paar bald gemeinsam mit ihrem Ehemann verlassen wird, steckt darin immerhin noch die Klischeebotschaft darüber, dass nur, wer loslassen kann, wirklich glücklich sein wird. Wenn schließlich Dinosaurier-Vögel als Antagonisten etabliert werden (von denen der von YouTuber FreshTorge gesprochene Jüngling mit Identitätskrise das einzige Highlight des ganzen Films darstellt), die aus abstrusesten Gründen der Herde ans Leder wollen, hat das ebenso wenig Folgen, wie die Tatsache, dass sich Sid plötzlich als Weddingplaner verdingt. Auch sein Versuch, endlich eine Frau fürs Leben zu finden (notfalls über eine Dating-Plattform), die Reibereien zwischen Manni und seinem zukünftigen Schwiegersohn, sowie die unverblümten Äußerungen von Sids Granny, die sich trotz ihres hohen Alters als nimmersatter Lustmolch präsentiert, sollen das Geschehen auflockern, rauben dem einst so harmlos-liebevollen Franchise jedoch jedweden Charme unter der Bemühung, auf Teufel komm‘ raus am Puls der Zeit zu sein.
Wie eingangs erwähnt ist „Ice Age – Kollision voraus!“ auch technisch kein Burner, orientiert sich der Stil des fünften Teils doch ausnahmslos an allen vier Vorgängern. Unter dem Gesichtspunkt, dass es sich so einfacher in die bereits bekannte Welt eintauchen lässt, wäre das völlig okay; die „Ice Age“-Filme sind seit jeher nicht das Non plus Ultra moderner Animationskunst. Das Problem: Abgesehen von der minimalistischen, fast schon altbackenen Optik hat „Ice Age 5“ Defizite, die auch dann nicht existieren dürfen, wenn der rückständige Style zum Markenzeichen des Franchises erklärt wird. Besonders in den dynamischer inszenierten Szenen sind die Bewegungen nicht flüssig. Durch den Verzicht auf Selbstverständlichkeiten wie etwa Schattenwurf oder natürliche Bewegungen innerhalb des Hintergrunds erweckt „Kollision voraus!“ nicht etwa einen nostalgischen, sondern in vielen Momenten regelrecht dilettantischen Eindruck. Nicht jedes Animationsstudio kann (und muss!) auf dem Niveau von Disney, Pixar oder Illumination agieren. Doch so, wie sich die Blue Sky Studios hier präsentieren, ist das ganze Unterfangen fast schon als Blamage zu werten. Ungerecht ist das so ziemlich jeder Zielgruppe gegenüber. Die Liebhaber der Reihe, die über die Jahre hinweg ein Fansein gegenüber „Ice Age“ aufgebaut haben, dürften darüber erschrocken sein, dass man aus der einst so liebevoll inszenierten Eiszeitsaga mit billigsten Gags inszeniertes Stückwerk gemacht haben, das seinen Figuren zu keinem Zeitpunkt gerecht wird. Die jüngeren Zuschauer können mit Sicherheit über den temporeichen Slapstick lachen, doch haben es sich nicht erst recht die Einsteiger in die Kinowelt verdient, die Faszination Film von Anfang an von ihrer besten Seite zu erleben?
Fazit: Wenn es reicht, dann reicht’s: Die „Ice Age“-Reihe hat mit dem fünften Teil „Kollision voraus!“ endgültig ihren Zenit überschritten. Inhaltlich greifen die Macher auf eine krude Mischung aus billigem Slapstick und noch billigeren Kalauern zurück, während die animationstechnischen Qualitäten auf einem Niveau zu finden sind, das sogar noch vor dem des ersten Teils liegt. Wenigstens den Sprechern ist nichts anzukreiden. Die geben in der deutschen Fassung unüberhörbar ihr Bestes.
„Ice Age – Kollision voraus!“ ist ab dem 30. Juni bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen – auch in 3D!“
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