Meine Lieblinge: Horror (4)

Im vorletzten Teil meines Horrorspecials kommen meine Genrelieblinge langsam aber sicher dem Treppchen näher. Wer die ersten drei Teile meiner kleinen, aber feinen Reihe verpasst hat, der findet am Fuß des Artikels sämtliche Links. Ich wünsche viel Spaß mit den Plätzen sechs, fünf und vier.

 

6 / SINISTER

USA/UK 2012 | Regie: Scott Derrickson | Darsteller:  Ethan Hawke, Juliet Rylance, James Ransone, Fred Dalton Thompson, Michael Hall D’Addario, Clare Foley, Victoria Leigh | Trailer

Die Entstehungsgeschichte von Scott Derricksons Horror-Thriller „Sinister“ ist eine ironische. Die Story um eine, von einem Dämon heimgesuchte Familie, deren Oberhaupt sich mithilfe von alten Super-8-Snuff-Filmen auf die Suche nach der Herkunft des Ungetüms macht, konnte nur mit Geschick die geldgebenden Studios von einer Produktion überzeugen. Regisseur und Drehbuchautor Derrickson legte seinen Fokus bei der Projektvorstellung hauptsächlich auf die Aufnahmen der Wackelkameras, die im Laufe des ansonsten mit hochwertiger Ausstattung gefilmten Films bloß einen Teil der Story ausmachen würden. Im Zuge des Found-Footage-Trends waren es aber vor allem jene Amateuraufnahmen, die das Studio überzeugten, Geld zu investieren. Dass der Film nicht einzig in diesem Stil gedreht wurde, sondern die verwackelten Bilder Teil der Geschichte sein würden, realisierten die verantwortlichen Geldgeber erst nach der Fertigstellung. So schaffte es ein mutiges Horrorprojekt, abseits aller Trends, in die Kinos.

Mit wenigen einfachen und dabei teils altbekannten Mitteln schafft es „Emily Rose“-Regisseur Derrickson, eine moderne Bildsprache mit bodenständigen Gruselelementen der 70er- und 80er-Jahre zu verknüpfen. Im Zusammenspiel mit den erschreckend intensiv agierenden Jungakteuren überzeugt auf der Darstellerseite vor allem Ethan Hawke, der in einem Interview zugab, das ständige Ängstlich-dreinblicken besonders genossen zu haben. Während die erste Hälfte von „Sinister“ noch nach überzeugenden aber bekannten Mustern funktioniert, läuft der horrende Thriller ab der zweiten Hälfte zu emotionaler Hochform auf und erinnert in seiner Intensität an Meilensteine wie Stephen Kings „Carrie“ und in seiner Horror-Thriller-Crime-Kombination an Gore Verbinskis „Ring“. Die überraschende Auflösung rundet dieses einzigartige Horror-Vergnügen ab und macht „Sinister“ zu einem der besten Gruselfilme des neuen Jahrtausends. Eine ausführliche Filmbesprechung findet sich zudem hier: *klick*

Dieser Film könnte dir gefallen wenn du INSIDIOUS  oder MAMA mochtest.

 

5 / HANNIBAL

USA/UK 2001 | Regie: Ridley Scott | Darsteller: Heather Donahue, Joshua Leonard, Michael C. Williams, Patricia DeCou, Bob Griffin, Jim King, Sandra Sánchez, Ed Swanson | Trailer

Sein vierfach Oscar-prämierter Vorgänger „Das Schweigen der Lämmer“ gilt als Meilenstein des modernen psychologischen Thrillers. Die einer vierteiligen Roman-Reihe des Schriftstellers Thomas Harris entstammende Schreckensfigur des kultivierten Psychologen und Kannibalen Dr. Hannibal Lecter, wurde durch seine eindrucksvolle Verkörperung von Anthony Hopkins in die Liga der angsteinflößendsten Filmbösewichter aufgenommen, die sich in „Hannibal“ nun nicht mehr die Hauptrolle mit Jodie Foster alias Clarice Starling teilen muss. Die „Lämmer“-Fortsetzung trägt nicht nur gleich den Namen des Geisteskranken, sie ist zu jeder Gelegenheit ein einzigartiges Portrait des Psychologen, der in diesem Sequel mehr zum Dreh- und Angelpunkt wird, als in allen drei anderen Teilen der Quadrologie zusammen. Nie zuvor gelang es einem Filmemacher – in diesem Fall „Alien“-Schöpfer Ridley Scott – tiefer in die Seele eines abartig-sadistischen Verbrechers einzutauchen und so gleichzeitig auch dessen Faszination zu ergründen. Nachdem erst vor einigen Wochen bekannt wurde, dass Hannibal Lecter kein reines Produkt Thomas Harris‘ blühender Fantasie ist, sondern tatsächlich ein real existierender Irrer für dessen Zeichnung Modell stand, verstärkt dieser neue Fakt das Unbehagen beim Zuschauen noch einmal um ein Vielfaches. Ganz gleich, dass es sich bei „Das Schweigen der Lämmer“, „Hannibal“, „Roter Drache“ und „Hannibal Rising“ um Fiktion und nicht etwa ein Biopic handelt.

In „Hannibal“ entführt uns Ridley Scott, dessen einzigartiger und auch in diesem Fall wieder höchst elektrisierender Inszenierungsstil das Geschehen dominiert, nach Italien. Hier fristet der flüchtige Ex-Häftling Dr. Lecter sein Dasein als Museums-Kurator,  ahnt jedoch nicht, dass sein entstelltes, ehemaliges Opfer Mason Verger (brillant und dabei kaum zu erkennen: Gary Oldman) es auf seine Ermordung abgesehen hat.

Kaum einer hätte erwartet, dass es Julianne Moore schaffen würde, in die riesigen Fußstapfen der für ihre Rolle Oscar-prämierten Jodie Foster, die Clarice Starling im ersten Teil verkörperte, so nah auf die Pelle zu rücken. Auch wenn ihr der kühle Charme einer Jodie Foster abgeht, so ist es doch ihre deutlich hervorstechende Weiblichkeit, die es in der Rolle der Clarice braucht, um vor allem im zweiten Teil nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Während Clarices Unnahbarkeit den Tonfall von „Das Schweigen der Lämmer“ prägte, ist es das langsam steigernde Interesse an Lecter, das die attraktive Clarice langsam zu verspüren vermag. Dies beruht deutlicher denn je auf Gegenseitigkeit und erhält im Roman gar eine Art „romantisches Happy End“. Damit kann „Hannibal“ nicht dienen. Der Psychothriller ist durchtrieben, hart und enthält ohne Zweifel sadomasochistische Züge. Scotts Verständnis für edle Inszenierungen, einschließlich klassischer Musikuntermalung und kunstvoll arrangierter Gewalteskapaden, macht die Story zu einem kultivierten Horrorerlebnis, welches für Menschen mit schwachem Magen jedoch schwer erträglich sein dürfte. Wer dennoch einen Blick riskiert, erhält einen nie dagewesenen Einblick in das pure Böse. Eine Ausführliche Besprechung findet ihr hier: *klick*

Dieser Film könnte dir gefallen, wenn du DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER oder OLDBOY mochtest.

 
 
4 / STOKER

USA/UK 2013 | Regie: Chan-wook Park | Darsteller: Mia Wasikowska, Nicole Kidman, Matthew Goode, David Alford, Harmony Korine, Jacki Weaver, Alden Ehrenreich | Trailer

Es ist die das Publikum vereinnahmende Eleganz, die „Stoker“ aus der Masse der horrenden Dramen herausstechen lässt. Die an Alfred Hitchcock erinnernde Erzählweise, die bis zum Ende hin nicht preisgibt, woher das Unbehagen beim Zuschauer kommt, dominiert auch die Story über das lethargische Teenager-Mädchen India. Diese verliert durch einen Autounfall ihren geliebten Vater, dessen geheimnisvoller Bruder kurze Zeit nach der Beerdigung bei India und ihrer Aristokraten-Mutter einzieht.

Dass hinter dem undurchsichtigen Charles Stoker ein Geheimnis steckt, ahnt der Zuschauer von dem Moment an, als dieser das erste Mal auf der Leinwand erscheint. Das Rätsel seiner Herkunft löst „Oldboy“-Regisseur Chan-Wook Park jedoch erst im furiosen Schlussakt auf, der schon allein von einer atemberaubenden optischen sowie erzählerischen Qualität ist. Bis es dazu kommt, liefert uns Parks Stamm-Kameramann Chung-hoon Chung berauschende Bilder im Überfluss. Nach dem Hau-drauf-Prinzip funktioniert in „Stoker“ gar nichts. Vielmehr ist die prominent besetzte Psycho-Mär ein Sammelsurium an subtilen Symboliken, die auch Altmeister Hitchcock selbst entstammen könnten. „Stoker“ ist in allen Belangen eine Verbeugung vor dem „Meister des Suspense“. Das Drehbuch von „Prison Break“-Star Wentworth Miller setzt dabei jedoch genügend eigene, moderne Akzente, um die Story vollkommen eigenständig stehen zu lassen. Die sich in einem bedächtigen Tempo vorwärts bewegende Geschichte erfährt mit jeder Sekunde neues Spannungspotential, bis sich die Szenerie in einem großen Knall entlädt. Nie war Horror eleganter. Eine ausführliche Kritik zum Film findet ihr hier: *klick* und in der aktuellen Ausgabe der DEADLINE.

Dieser Film könnte dir gefallen, wenn du DIE HAUT IN DER ICH WOHNE mochtest.

 
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