Meine Cousine Rachel

Ein diffuses Dickicht aus Ungewissheit, Spannung und Verführung umwabert Rachel Weisz in der edlen Romanverfilmung MEINE COUSINE RACHEL, in der bis zuletzt die Frage im Raum steht: „War sie’s, oder war sie’s nicht?“ Mehr Infos zum Film findet Ihr in meiner Kritik.

Der Plot

Im englischen Cornwell des 19. Jahrhunderts lebt der junge naive Philip Ashley (Sam Claflin), der nach dem Tod seiner Eltern bei seinem wohlhabenden Cousin Ambrose (Deano Bugatti) aufwuchs. Dieser ist oft auf Reisen und heiratet in Italien die schöne Witwe Rachel (Rachel Weisz), die gleichzeitig die Cousine der beiden Männer ist. Ambrose schreibt seinem Cousin regelmäßig Briefe, in denen er seine Befürchtungen schildert, Rachel wolle ihn langsam vergiften, um so an sein Hab und Gut zu gelangen. Als Ambrose einige Monate später tatsächlich verstirbt, schmiedet Philip einen geheimen Plan: Er will Rachel ermorden und sich so für den Tod seines Cousins und Mentors rächen. Doch als sich Philip und Rachel persönlich kennenlernen, gerät der junge Mann schon bald selbst in den Bann der geheimnisvollen Frau und vergisst, dass hinter der schönen Fassade vielleicht eine kaltblütige Mörderin stecken könnte…

Kritik

„Hat sie, oder hat sie nicht?“ – Mit dieser Frage beginnt und endet „Meine Cousine Rachel“, die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Daphne Du Maurier. Die Autorin, die schon die Vorlagen zu solchen Meisterwerken wie „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ und „Die Vögel“ verfasste, erzählt in ihrem Buch – je nach Sichtweise – entweder eine Liebes-, oder aber eine Kriminalgeschichte. Denn ob Hauptfigur Rachel nun „hat“ oder nicht – nämlich ihren Mann vergiftet – das löste schon die Vorlage nicht auf und Regisseur Roger Michell („Morning Glory“) hält an dieser Unsicherheit fest. Sein Film ist ein subtiles Spiel mit Sympathien, in dem Figuren wie durch Zufall plötzlich ihre Gesinnung ändern können. Sie alle sagen sich vom klassischen Pro- und Antagonistenschema los. Die Ausgangssituation ist klar: Ein Mann will aus Rache jene Frau umbringen, die seinem Ziehvater das Leben nahm. Doch mit der Zeit offenbaren sich nicht nur auf beiden Seiten finstere Abgründe, die Gründe für und gegen die Ermordung des Opfers Ambrose werden nach und nach immer weniger greifbar. Ist die titelgebende Rachel nun eine kühl-kalkulierende Manipulatorin, die nicht bloß den ahnungslosen Philip nach und nach um den Finger wickelt, sondern auch das Publikum? Oder ist sie das arme Opfer, dem nicht nur Philip, sondern auch der Zuschauer Unrecht tut?

Rachel (Rachel Weisz) und der ihr verfallene Philip (Sam Claflin).

Eines ist klar: „Meine Cousine Rachel“ wird keine Auflösung liefern. Bis zuletzt lässt sich das prächtig ausgestattete Drama in beide Richtungen deuten und genau hieraus zieht der Film seinen Reiz. Schon in der technischen Aufmachung erkennt man den Fokus auf die Doppelbödigkeit und Düsternis der Prämisse: Während sich Kameramann Mike Eley („Der wunderbare Garten der Bella Brown“) einerseits weitläufig an der Kulisse der britischen Steilküste labt, wodurch „Meine Cousine Rachel“ zusätzlich etwas Beklemmendes (da örtlich Beschränktes) erhält, konzentriert er sich auf der anderen Seite voll und ganz auf abgegriffene, aber immer noch funktionierende Symboliken: Spiegelungen, das Spiel mit bestimmten Winkeln und Schattierungen sowie eine Reduktion des Lichteinfalls sorgen für Desorientierung und betonen die Ambivalenz sämtlicher Charaktere, insbesondere Rachel. Schon das Filmplakat lässt uns die schöne Frau in zweifacher Ausführung betrachten, doch wann sie in „Meine Cousine Rachel“ wirklich ihr wahres Gesicht zeigt, lässt sich kaum erkennen. Das muss (und will) man aber auch gar nicht, denn tatsächlich ist es viel spannender, Rachel Weisz („Verleugnung“) und Sam Claflin („Love, Rosie – Für immer vielleicht“) dabei zuzusehen, wie das unkonventionelle Pärchen umeinander herumstolziert, sich gegenseitig austestet und schließlich einander verfällt – oder ist das doch alles Taktik der kalkulierenden Rachel?

Ein solch ausladendes Spiel mit Unklarheiten reißt bisweilen an den Geduldsfäden: „Meine Cousine Rachel“ ist mit seinen 106 Minuten kein überlanges Unterfangen, doch hier und da driftet Roger Michell in Redundanz ab. Gerade weil sich irgendwann herausstellt, dass es weniger darum geht, die wahren Hintergründe zu erkennen, als vielmehr, dem Katz-und-Maus-Spiel der beiden Hauptfiguren beizuwohnen, dürfte sich die Geschichte für alle jene Zuschauer zäh gestalten, die auf eine Art Erkenntnis oder Ziel hoffen. „Meine Cousine Rachel“ unterliegt nicht einmal einer klassischen Dramaturgie, sondern versteht sich vielmehr als still beobachtende Charakterstudie zweier Menschen, die gleichsam die vollständige Aufmerksamkeit für sich verbuchen. Die wenigen relevanten Nebenfiguren haben gegen das starke Hauptdarstellerduo und insbesondere die überragende Rachel Weisz keinerlei Chance, zu bestehen. Selbst Sam Claflin scheint mit seiner starken Co-Darstellerin bisweilen überfordert; die 47-jährige Britin spielt Rachel bravourös undurchsichtig und stößt den Zuschauer trotzdem nie vor den Kopf. Im Gegenteil: Der locker 15 Jahre jünger aussehenden Witwe nimmt man jede Regung, jedes Gefühl und jede (vorgegaukelte?) Emotion ab, sodass es zu keinem Zeitpunkt verwundert, dass der naive Philip nicht hinter die Absichten seiner Cousine steigt.

Was führt die geheimnisvolle Rachel im Schilde?

Dass die Unsicherheit Sam Claflins nicht auf die Auslegung seiner Rolle zurückzuführen ist, sondern auch mit einer sichtbaren Überforderung von Seiten des Schauspielers, ist schade. Gleichwohl verleiht es „Meine Cousine Rachel“ auch an Authentizität, denn dass ein zarter Mittzwanzigjähriger von der starken Präsenz einer Hollywood-Grandseigneurin eingeschüchtert wird, wirkt auf einer Meta-Ebene fast schon wieder zum Stoff passend. Klar ist so aber auch, dass der Film dadurch an Berechenbarkeit gewinnt und obwohl das Finale am Wir-verraten-den-Ausgang-nicht-Konzept festhält, rückt die schwammige Darstellung des Philip den Film von der Aussage her in eine Richtung, die nicht ganz so offen anmutet, wie einst im Roman. Das beraubt „Meine Cousine Rachel“ an Aha-Effekt; am Ende bleibt Rachel zwar eine geheimnisumwitterte Frau, doch gegen den unbeholfenen Philip erscheint sie fast schon übermenschlich, was den Ausgang der Geschichte weitaus theatralischer, wohl aber auch weniger bodenständiger macht. Am Ende ist der Film daher mehr Tragödie als Drama – und darauf muss man als Zuschauer erst recht Lust haben.

Fazit: „Meine Cousine Rachel“ gefällt als geheimnisvolles Katz-und-Maus-Spiel zwischen Mann und Frau, das – je nach Auslegung – mit einer fehlenden Auflösung punktet, oder aber enttäuscht. Die hohe Qualität der Ausstattung und eine famose Rachel Weisz machen das Drama so oder so sehenswert.

„Meine Cousine Rachel“ ist ab dem 7. September in den deutschen Kinos zu sehen.

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