Asphalt Burning

Norwegens Antwort auf „Fast & Furious“ kommt zu Netflix – und nach Deutschland! Ob ASPHALT BURNING mehr zu bieten hat als teutonische Gaststars und flitzende Autos, verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Für Straßenrennfahrer Roy (Anders Baasmo Christiansen) steht das Rennen seines Lebens bevor – wenngleich nur zur Schau. So denkt er. Roy, seine autovernarrten Freunde und seine ebenso autovernarrte Familie zelebrieren seine Hochzeit mit der streitbaren Sylvia (Jenny Skavlan) in Form eines Rennens zum idyllischen Schauplatz in Norwegens Bergen, an dem die Trauung vollzogen werden soll. Wer zuerst das Ziel erreicht, gewinnt das Anrecht auf die Vermählung. Natürlich würde aber keiner der Hochzeitsgäste wirklich Roy die Frau wegschnappen wollen. Denkt Roy. Doch dann düst Robyn (Alexandra Maria Lara) an ihm vorbei, Sylvias WG-Gefährtin (und womöglich mehr) aus ihrer Jugendzeit in Deutschland. Roy und die restliche Hochzeitsgesellschaft sind aufgebracht: Das war nicht fair! Roy verdient eine Revanche! Robyn willigt ein und verlangt, die Revanche auf ihrer Heimatstrecke auszutragen – auf dem Nürburgring! Kann Roy sein treues Lieblingsauto rechtzeitig aufmotzen, um gegen Robyn in ihrem Superporsche eine Chance zu haben?
Kritik
Die „Fast & Furious“-Reihe brachte zahlreiche Imitatoren, Trittbrettfahrer und „Na gut, dann machen wir doch auch endlich mal wieder einen autolastigen Actionfilm, nun, wo sich sowas wieder rentiert!“-Filme hervor. Einige davon wurden bereits unter den Teppich des Vergessens gekehrt, wie der deutsche Kinoflop „Autobahnraser“, ProSiebens Actionserie-die-nie-über-den-Pilotfilm-hinauskam „Fast Track: No Limits“ und die von RTL gestemmte „Crazy Race“-Saga. Und auch wenn sie im Verfasser dieser Zeilen einen großen Verteidiger haben, so gelang es weder „Collide“ mit Nicholas Hoult, Felicity Jones und Ben Kingsley (!) sowie Anthony Hopkins (!!), noch dem brillantes 3D aufweisenden „Need for Speed“ mit Aaron Paul, Dominic Cooper, Imogen Poots und Dakota Johnson, beim Publikum bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

Roy (Anders Baasmo Christiansen) und Sylvia (Jenny Skavlan) wollen heiraten. Doch bis zur Trauung ist es ein weiter Weg.
Während aber Deutschland und Hollywood wiederholt dabei scheiterten, im „Fast & Furious“-Windschatten mit einer Antwort auf diese Erfolgsgeschichte zu punkten, kann der norwegische Regisseur Hallvard Bræin zufrieden grinsen: Der „Troll Hunter“-Kameramann startete 2014 sein eigenes Action-Franchise. Mit „Borning: The Fast & The Funniest“ (so der deutsche Verleihtitel) begann er eine Actionsaga über Roy, seine Familie, schnelle Autos und seine Freunde, die für ihn wie eine Familie sind (kommt einem bekannt vor, oder?). „Borning“ kam zum genau richtigen Zeitpunkt raus: Das „Fast & Furious“-Franchise ließ seine Straßenrennen-Wurzeln nunmehr weit hinter sich, und hinterließ so eine Lücke, die Bræin schließen konnte. In Norwegen war das ein riesiger Erfolg, in Deutschland bewegte er genug Kopien im Heimkino, um auch hierzulande eine Veröffentlichung der Fortsetzung zu rechtfertigen, was zwar nicht selten, aber auch nicht selbstredend für nicht-englischsprachige Filmreihen ist.
Nur zwei Jahre nach dem Original, in dem Protagonist Roy im Zuge eines Straßenrennens die Bindung zu seiner Tochter repariert, kam „Børning 2: On Ice“ heraus. Obwohl Bræin darin der Formel des Vorgängers treu bleibt und von einem Straßenrennen erzählt, bei dem Roy nicht nur seine väterliche Seite feinschleift, sondern auch sein Liebesleben kittet, so gelang es dem Regisseur zudem, dem „Fast & Furious“-Franchise ein Schnippchen zu schlagen: Ein Jahr, bevor F. Gary Gray in „Fast & Furious 8“ Dom Toretto, Luke Hobbs und Co. über zugefrorenes Wasser düsen lassen sollte, ergötzte sich bereits Bræin an einer Auto-Actionsequenz auf dickem Eis. Der dritte Teil der Reihe, „Asphalt Burning“ (in Deutschland nimmt man es bei dieser Filmreihe nicht so genau mit kontinuierlicher Schreibweise), schaltet nun einen Gang zurück: Statt „Fast & Furious“-mäßig den Vorgänger mit noch wahnsinnigeren Setpieces zu überbieten, wird im neuesten Part wieder brav und physikalisch plausibel auf Asphalt gebrettert. Naja, weitestgehend: Eine vollkommen hirnrissige, die tonalen Gesetze des restlichen Films zerberstende Actionszene mit physikalisch unmöglichen (und grottig am Computer animierten) Tricks hat sich Bræin nicht verkneifen können. Abseits dessen bleibt die „Borning“/„Børning“/„Burning“-Reihe bei ihren Leisten als humorige Autorenn-Actionreihe über Zusammenhalt in einer Motornarren-Familie:
„Statt „Fast & Furious“-mäßig den Vorgänger mit noch wahnsinnigeren Setpieces zu überbieten, wird im neuesten Part wieder brav und physikalisch plausibel auf Asphalt gebrettert. Naja, weitestgehend: Eine vollkommen hirnrissige, die tonalen Gesetze des restlichen Films zerberstende Actionszene mit physikalisch unmöglichen Tricks hat sich Bræin nicht verkneifen können.“
Der neue Film besteht aus einem den Plot ins Rollen bringenden Rennen, dieser setzt sich mit einem Rennen gegen die Zeit fort (Roy und Co. müssen rechtzeitig den Nürburgring erreichen), wird durch kleine Rennen zwischendurch unterbrochen (Roy und Co. begegnen deutschen Straßenrennclans, die sie herausfordern) und wird letztlich in einem großen Rennen abgewickelt. Was eine schnörkellose, vom schleppenden Pathos einiger „Fast & Furious“-Teile befreite Erzählung werden könnte, ist jedoch in der gebotenen Umsetzung ein derart seichtes Skript, dass jegliche Spannung im Keim erstickt wird.
Im neuesten Film rund um Autofreak Roy lassen die für das Drehbuch verantwortlichen Christopher Grøndahl & Kjetil Indregard kläglich das missen, was vor allem Teil eins so unterhaltsam machte: Der Beginn dieser Filmreihe war so konstruiert, dass das zentrale Autorennen nachvollziehbar als gemeinsame, Vater und Tochter näher bringende Unternehmung skizziert wurde – und somit sein Verlauf an Bedeutung zulegt. Im zweiten Teil war die Figurenzeichnung schon etwas fahriger, dennoch hatten die Actionpassagen eine gewisse emotionale Fallhöhe. Nicht mehr so in „Asphalt Burning“: Die Figuren sind nur noch dünne Abziehbilder – und wer die ersten zwei Teile nicht kennt, dürfte arge Probleme haben, einem Großteil der wiederkehrenden Nebenfiguren überhaupt irgendeinen Charakterzug zuzuschreiben. So verkommt das Figurenpersonal zu einer anonymen Masse – und der zentrale Konflikt ist daher auf haarsträubende Weise egal. Mit dem Vorwissen aus den ersten beiden Teilen lässt sich jedoch wenigstens die Ausgangssituation erklären: Nein, das ist kein Machoritual, bei dem die Frau als Preis ausgeschrieben wird. Es ist eine Ausflucht für diese „Familia“ (um es mit Dom Torettos Worten zu sagen), um an einem Festtag ordentlich aufs Pedal zu drücken. Platter wird es, sobald Roy seine Verlobte zurückgewinnen muss, denn Alexandra Maria Laras Schurkin Robyn kreiert ein derart tumbes Eifersuchtsszenario, das daraufhin mit völlig dämlichen Missverständnissen aufrecht erhalten wird, dass die Figuren dumm und unsympathisch wirken, weil sie die Probleme nicht durchschauen.
„Die Figuren sind nur noch dünne Abziehbilder – und wer die ersten zwei Teile nicht kennt, dürfte arge Probleme haben, einem Großteil der wiederkehrenden Nebenfiguren überhaupt irgendeinen Charakterzug zuzuschreiben.“
Durch diese sehr lahme Ausflucht für die folgenden Actionsequenzen und die nun völlig verwässerte Figurenzeichnung bleibt das Spannungselement verschwindend gering. Es gibt kaum Gründe, mitzufiebern – auch wenn Bræin und Kameramann Askild Edvardsen die Raserei in klar ausgeleuchteten, gestochen scharfen Bildern einfangen, ist das Spektakel nicht groß, originell oder temporeich genug, um den Film allein zu schultern. Einzelne Autostunts wie haarscharfe Überholmanöver geben „Asphalt Burning“ genug Daseinsberechtigung, um eingefleischte Genrefans für die Dauer der rund 100 Filmminuten bei der Stange zu halten, und für hiesige Zuschauer:innen ist das Schaulaufen aus Stars von Ralf Kabelka über Milan Peschel bis Wenche Myhre ein kleiner „Huch, was suchen die alle hier?“-Boni. Trotzdem bleibt eine Actionkomödie über, die ihren Vorgängern nicht gerecht wird, wahrscheinlich Antiwerbung für sie betreiben wird, und obendrein nach einem soliden Finale so abrupt (und Konflikte hängen lassend) endet, dass es an Arbeitsverweigerung grenzt.
Fazit: „Asphalt Burning“ ist die mit Gaststars bespickte enttäuschende Fortsetzung einer Action-Geheimtipp-Filmreihe – lieber Teil eins und zwei nachholen als unvorbereitet mit Teil drei starten!
„Asphalt Burning“ ist ab sofort bei Netflix streambar.