He’s Out There

Über zwei Jahre nach seiner Uraufführung auf dem FrightFest in London findet Quinn Lashers Home-Invasion-Schocker HE’S OUT THERE durch Netflix zu spätem Ruhm. Ob dieser berechtigt ist, das verraten wir in unserer Kritik.

OT: He’s Out There (USA/CAN 2018)

Der Plot

Laura (Yvonne Strahovski) und ihre beiden Töchter Kayla (Anna Pniowsky) und Maddie (Abigail Pniowsky) wollen ein schönes Wochenende in einem abgelegenen Ferienhaus verbringen. Die anfängliche Idylle wird jedoch durch dunkle Vorzeichen gestört. Nach einem Ausflug der Kinder in den Wald bekommt die kleine Maddie plötzlich Fieber und kann kaum noch atmen. Laura ist entsetzt, als sie die Ursache findet: einen Zettel mit Botschaft, der sich in Maddies Speiseröhre befand! Ein maskierter Störenfried beginnt sich von draußen bemerkbar zu machen. Die Familie will flüchten, doch das Auto ist manipuliert. Zurück im Haus warten Laura und die Kinder auf ihren Ehemann und Vater Shawn (Justin Bruening). Doch vor dem maskierten Psychopathen scheint niemand sicher zu sein…

Kritik

Was auf Netflix Erfolg hat und was nicht, lässt sich ein Stückweit auch vom Streaminggiganten selbst steuern. Wenn die zahlenden Kunden über Jahre hinweg Adam-Sandler-Filme frequentieren, ist es kein Wunder, wenn der VOD-Riese den Exklusivdeal mit dem Hollywoodstar verlängert. Dass ein „The Irishman“ dank des Namens Martin Scorsese Prestige verspricht, versteht sich ebenfalls von selbst. Und auch das Who-is-Who Hollywoods wird nicht aus reiner Nettigkeit für diverse Netflix-Originale angefragt, sondern weil Stars wie Chris Hemsworth, Mark Wahlberg und Ryan Reynolds Zuschauermagneten sind. Kurzum: Netflix und Konsorten kalkulieren ihre Erfolge nicht weniger akribisch als jedes gängige Filmstudio, das sich auf massentaugliche Spielfilme spezialisiert hat. Gleichzeitig kommt es hin und wieder auch vor, dass ursprünglich kaum beachtete Produktionen durch Netflix (und das Streamingmodell „Zahle monatlich einen Preis und gucke dann so viele Filme wie du willst!“) einen zweiten Frühling erleben. So geschehen zuletzt im Falle von Christian Alvarts an den Kinokassen gescheitertem Psychothriller „Abgeschnitten“, der seit Wochen ganz oben in den Streamingcharts herumkrebst. Bei dem kanadisch-amerikanischen Home-Invasion-Horrorfilm „He’s Out There“ handelt es sich ebenfalls um einen solchen Kandidaten. Seit Anfang der Woche ist dieser nun bei Netflix abrufbar – und seither konstant unter den meistgestreamten Filmen des Anbieters.

Unheimliche Geräusche kündigen Unheil an…

Da „He’s Out There“ im Sommer 2018 zwar auf dem Londoner FrightFest präsentiert wurde, in den großen Filmnationen dieser Welt anschließend jedoch nicht den Weg ins Kino, sondern direkt auf DVD und Blu-ray fand, ist die Arbeit des bis heute keinen anderen Film verantworteten Regisseurs Quinn Lasher weitestgehend unbekannt geblieben. Und weil Netflix mittlerweile fast im Wochentakt neue Originalproduktionen raushaut, deren Sichtung qualitativ dem Griff in eine Wundertüte gleichkommt (da kann genauso gut Schund drin sein wie etwas richtig Tolles!), ist es überhaupt nicht verwerflich, sollte man auch im Falle von „He’s Out There“ im ersten Moment davon ausgehen, es hier nun also mit einem brandneuen Netflix-Horrorwerk zu tun zu haben. Dabei hätte man sich den Film bereits seit über zwei Jahren bei der Konkurrenz mit dem lächelnden Pfeil anschauen können – doch wie dem auch sei: Nun interessieren sich ganz plötzlich zahlreiche (deutsche) Genreliebhaber für einen Film, dessen Innovationswert zwar gering ausfällt, dessen Macher jedoch mit relativ simplen Mitteln langezeit eine solide Spannung aufbauen kann. Dafür bedient er sich zunächst einmal an den Grundzutaten (fast) jeden Home-Invasion-Schockers: eine Handvoll Figuren (in diesem Fall eine Mutter und zwei Kinder), ein abgeschiedener Ort mitten im Nirgendwo und eine unheimliche Bedrohung, die sich diese Idylle zu Eigen zu machen versucht – es ist also alles wie immer.

„Nun interessieren sich ganz plötzlich zahlreiche (deutsche) Genreliebhaber für einen Film, dessen Innovationswert zwar gering ausfällt, dessen Macher jedoch mit relativ simplen Mitteln eine solide Spannung aufbauen kann.“

Nein, sonderlich innovativ ist das nicht. Im Gegenteil: Wenn sich schon früh ankündigt, dass sich die Ankunft des Ehemannes und Vaters um einige Stunden verspätet, ein unheimlich dreinschauender Nachbar Laura ungefragt von der Vergangenheit des Ferienhauses berichtet und die Kamera schon lange bevor überhaupt irgendein maskierter Eindringling zu sehen ist immer wieder unheilvoll in das Dickicht des nahegelegenen Waldes fährt oder aber aus der Perspektive eines Voyeurs durch die Äste hindurch das Haus filmt, geht Drehbuchautor Mike Scannell relativ ungeniert das „Wie inszeniere ich einen Home-Invasion-Horrorfilm?“-Lehrbuch durch und packt anschließend ein Versatzstück an das nächste. Doch all diese Genretropes haben sich schließlich nicht umsonst als ebensolche etabliert – effektiv ist das alles nämlich sehr wohl. Erst recht dann, wenn der „The Dark and the Wicked“-Produzent seine Geschichte anschließend um ein paar interessante neue Motive ergänzt. So gibt sich der Eindringling hier beispielsweise mit Tee und Cupcakes (!) zu erkennen, nutzt ein bekanntes Kinderbuch allegorisch für die Ankündigung seiner Taten und setzt überhaupt eine sehr lange Zeit ausschließlich auf den psychischen Terror an seinen auserwählten Opfern, eh er beweist, dass er auch körperlich zu diversen Schandtaten bereit ist.

Laura (Yvonne Strahovski) bekommt es mit einem maskierten Killer zu tun…

Erst nach einem Drittel des Films bekommt man den maskierten Widersacher überhaupt zu Gesicht – und würde sich nicht das gesamte Marketing auf die fiese Fratze des Killers konzentrieren, wäre „He’s Out There“ sogar noch effektiver, da man über eine halbe Stunde lang überhaupt nicht weiß, wer oder was da gerade Jagd auf die Mutter und ihre Töchter macht. Noch einmal eine halbe Stunde vergeht, eh der oftmals einfach nur regungslos im Dunkeln stehende, gruselige Geräusche von sich gebende und schockierende Botschaften und Bilder abliefernde Bösewicht überhaupt gewalttätig wird. Leider fällt der Beginn des sukzessiven Spannungsabfalls genau mit jenem Moment zusammen, in dem der Psychopath sein Dasein als Killer offenbart – alles was nun noch folgt, ist einmal mehr Standardkost, bestehend aus einem Mix aus versuchter Flucht, sich-gemeinsam-im-Haus-Verschanzen und der Feststellung, dass man hier draußen ganz schön einsam ist, so ganz ohne Smartphone oder funktionierende Telefonleitung. Gleichwohl umgeht Mike Scannell gekonnt die ein oder andere Plausibilitätsstolperfalle, mit denen man es im Genre häufiger zu tun bekommt. Sowohl der Killer als auch die Protagonistin stellen sich beide nicht dumm an, um dem jeweils anderen ein Schnippchen zu schlagen. Darüber hinaus gelingt es Hauptdarstellerin Yvonne Strahovski („Predator – Upgrade“) glaubhaft, die Angst vor dem Fremden und die damit einhergehende Sorge um die Kinder nach außen zu transportieren.

„Leider fällt der Beginn des sukzessiven Spannungsabfalls genau mit jenem Moment zusammen, in dem der Psychopath sein Dasein als Killer offenbart – alles was nun noch folgt, ist einmal mehr Standardkost.“

Nicht ganz so gelungen ist derweil der Versuch, dem Psychokiller eine Motivation für seine Taten zu geben. In der wohl prägnantesten Szene in „He’s Out There“, die Netflix auch nutzt, um den Film auf seiner Plattform zu bebildern, sehen wir den Eindringling auf einem Bett sitzen und über seine Beweggründe philosophieren. Diese wollen wir an dieser Stelle nicht etwa nicht verraten, weil wir euch den Spaß beim Selbstentdecken nicht nehmen wollen. Sondern deshalb, weil wir sie selbst nicht verstanden haben. Das Kinderbuch, die vom Killer verwendeten Holzpuppen und ein kurzer Einblick in dessen Vergangenheit sollen zusammengenommen vermutlich so etwas wie einen Vorzeigepsychopathen ergeben. Leider findet all das nicht plausibel zusammen – da wäre eine Nicht-Motivation wie etwa jene der „The Strangers“-Eindringlinge doch deutlich effektiver gewesen.

Fazit: „He’s Out There“ ist ein routiniert inszenierter Home-Invasion-Schocker mit einigen starken, einigen weniger starken und einigen richtig schwachen Szenen, die in erster Linie aus der lahmen Auflösung resultieren.

„He’s Out There“ ist ab sofort bei Netflix streambar und darüber hinaus auf DVD und Blu-ray erhältlich.

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