Das Letzte, was er wollte

Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Joan Didion inszeniert Dee Rees mit DAS LETZTE, WAS ER WOLLTE einen Politthriller mit fähiger Besetzung. Ob das Storytelling ebenfalls gelungen ist, verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

1984: Die erfahrene sowie ambitionierte Journalistin Elena McMahon (Anne Hathaway) schmeißt nach dem Tod ihrer Mutter bei der Washington Post hin, um ihren sterbenskranken Vater (Willem Dafoe) aufzusuchen. Dieser ist Waffenhändler und mitverantwortlich für die hitzige politische Lage in Zentralamerika. Es dauert nicht lange, bis sich Elenas Wege mit dubiosen Geheimdienstmitarbeitern kreuzen…

Kritik

Nach ihrem Kritikerliebling und Academy-Award-nominierten Film „Mudbound“ hält Regisseurin Dee Rees dem Video-on-Demand-Dienst Netflix die Treue: Noch bevor die erste Klappe für den Politthriller „Das Letzte, was er wollte“ fiel, erwarb der Streamingservice die weltweiten Rechte an der Romanadaption. Doch wer sich mit Netflix‘ Filmveröffentlichungsstrategie auskennt, ahnt schon, welcher Unterschied zwischen „Mudbound“ und Dee Rees‘ neuem Film bestehen muss. Denn „Das Letzte, was er wollte“ erhält nicht die Netflix-Luxusbehandlung, die der Megakonzern den Filmen zukommen lässt, denen er eine Präsenz bei den großen Filmpreisen zutraut, sondern wird nach einem Abstecher auf dem Sundance Filmfestival relativ unzeremoniell auf dem Streamingdienst zum Abruf bereitgestellt. Nach den vernichtenden Kritiken aus Sundance war das auch keine Überraschung mehr. Und selbst wenn die US-Festivalpresse zuweilen ungerechtfertigt auf Filmen herumtrampelt, ist „Das Letzte, was er wollte“ tatsächlich schlicht und ergreifend lahm.

Ben Affleck hat dieses Jahr immerhin noch drei weitere Filme, mit denen er überzeugen kann.

Rein theoretisch betrachtet, hat Dee Rees durchaus Respekt dafür verdient, an welchen Stoff sie sich hier herantraut: Sie ist erst die Zweite, die sich an eine Romanvorlage der Schriftstellerin Joan Didion wagt. Die Autorin ist für ihren stechenden Schreibstil ebenso berühmt wie berüchtigt, und so wurde vor „Das Letzte, was er wollte“ nur eine andere ihrer Arbeiten verfilmt – und bei „Spiel dein Spiel“ von Frank Perry war sie wenigstens selber am Drehbuch beteiligt. Im Falle von „Das Letzte, was er wollte“ hat sich Rees dagegen mit Marco Villalobos an die Vorlage gesetzt, um zu versuchen, die zahlreichen Handlungsfäden und Schauplätze der Vorlage in Filmform zu bringen. Es ist erwartungsgemäß völlig schief gelaufen – „Das Letzte, was er wollte“ ist zugleich hektisch als auch träge: Unentwegt springt der Film von Ort zu Ort, Figurenmotivationen ändern sich andauernd – doch Rees inszeniert das mit einer derartigen Beliebigkeit, dass kein erzählerischer Flow aufkommen will. Wer weiß, wie konfus das alles aussehen würde, wäre nicht Oscar-Gewinnerin Anne Hathaway in der Hauptrolle zu sehen. Hathaway gelingt es zwar nicht, der Hauptrolle glaubwürdiges Leben einzuhauchen (dafür ist Elena einfach zu undurchsichtig-uneinheitlich geschrieben), aber sie verkauft wenigstens jede einzelne der wankelmütigen Phasen der Journalistin mit großer Überzeugung.

Wie diese Frau mit großem Arbeitsethos plötzlich zur ratlosen Beobachterin werden kann und was sie wieder für ein paar Filmminuten zurück in ihr altes Ich holt und wieso sie sich dann zum Betthäschen degradieren lässt und dann dies oder jenes macht, bleibt ein Rätsel. Aber durch Hathaways Spiel wirkt Elena wenigstens nicht vollkommen konfus skizziert, sondern eher so, als wären wichtige Wendepunkte ihrer Entwicklung der Schere zum Opfer gefallen. Willem Dafoe wiederum wirkt als Elenas exzentrischer und vorurteilsbelasteter Vater wie aus einem anderen Film entliehen: Als große Karikatur eines Mannes, der unbedingt unentwegt als super-ober-über-männlich wahrgenommen werden will und dessen Beziehung zu seiner Tochter hauptsächlich aus Wettbewerb besteht, machen seine Szenen Laune, allerdings fügen sie sich nur selten in den unterkühlten, erdigen Tonfall des restlichen Films. Der Rest des Casts derweil murmelt monoton etwas vor sich hin – darunter auch Rosie Perez (derzeit in „Birds of Prey“ im Kino zu sehen) und Ben Affleck, der dieses Jahr noch drei weitere Filme vor sich hat.

Auch Willem Dafoe kann nichts an dem Desaster retten.

Das Kuriose daran: Rees scheint generell mehr Interesse an den Figuren zu haben als am politischen Unterbau dieses Politthrillers, der innenpolitische Skandale und außenpolitischen Trug der Reagan-Ära anreißt. Das würde jedenfalls die erzählerische Schwerpunktsetzung in „Das Letzte, was er wollte“ erläutern – bedauerlich nur, dass die Figurenzeichnung der größte Schwachpunkt des Films ist. Denn wenn sich die Versatzstücke eines von Atmosphäre und Plot angetriebenen Thrillers bemerkbar machen, glimmt etwas in diesem Film auf. Sei es eine kontinuierliche Kamerafahrt, die das Treiben an einem Flughafen einfängt, oder seien es energetisch geschnittene Einblicke in die verschiedenen Konflikte, die im zeitpolitischen Hintergrund der zahlreichen Schauplätze dieses Films schwellen: Dee Rees macht in „Das Letzte, was er wollte“ mehrmals ihr handwerkliches Geschick spürbar. Doch diese Sequenzen, wenn der Schnitt von Mako Kamitsuna und die Kameraarbeit von Bobby Bukowski fesseln, sind rar gesät – größtenteils plätschert „Das Letzte, was er wollte“ filmisch vor sich her, während in der Filmwelt politisch Staub aufwirbelt und sich zentrale Figuren mehrmals radikal verändern.

Fazit: Trotz vereinzelter, inszenatorisch ambitionierter Szenen und einer sich bemühenden Anne Hathaway ist „Das Letzte, was er wollte“ ein faserig erzählter Politthriller, dessen Figuren völlig konfus handeln.

„Das Letzte, was er wollte“ ist ab sofort auf Netflix abrufbar.

Und was sagst Du dazu?