Das Pubertier

Jan Weilers Roman DAS PUBERTIER wurde 2014 zu einem Bestseller. Nun hat sich Leander Haußmann des Stoffes angenommen und daraus den perfekten Film für Eltern und Jugendliche gemacht. Mehr dazu in meiner Kritik.

Der Plot

Gerade war sie doch noch so lieb, so niedlich. Doch kurz vor ihrem 14. Geburtstag mutiert Papas kleine Prinzessin plötzlich zum bockigen Pubertier. Der Journalist Hannes Wenger (Jan Josef Liefers) nimmt sich eine Auszeit, um seine Tochter Carla (Harriet Herbig-Matten) in dieser schwierigen Lebensphase zu erziehen und von Alkohol, Jungs und anderen Verlockungen fernzuhalten. Das ist aber leichter gesagt als getan, denn seine Frau Sara (Heike Makatsch) geht wieder arbeiten und Hannes ist als Vater maßlos überfordert. Ob Party, Zeltlager oder Carlas erstes Mal: Hannes tritt zielsicher in jedes Fettnäpfchen. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass auch andere Jugendliche peinliche Väter haben: Hannes’ bester Freund, der taffe Kriegsreporter Holger (Detlev Buck), lässt sich lieber im Nahen Osten beschießen als sich daheim von seinem grunzenden Pubertier in den Wahnsinn treiben zu lassen.

Kritik

Zu Pressevorführungen werden in der Regel nur geladene Journalisten zugelassen. Doch gerade bei Kinderfilmen und Komödien, die im vollbesetzten Saal einfach besser funktionieren, darf auch schon mal der ganze Anhang mitgebracht werden. Im Falle von „Das Pubertier“ schien das sogar ganz besonders wichtig, denn ein Familienfilm, der sich über Eltern und Teenies gleichermaßen lustig macht, sollte im besten Falle auch für beide Seiten konzipiert sein. Denn wie wäre einem damit geholfen, wenn sich die Heranwachsenden vor Scham im Kinosessel grämen, während sich die Mütter und Väter über das auf der Leinwand überspitzt dargebotene Verhalten ihrer Schützlinge beömmeln? Regisseur Leander Haußmann („Herr Lehmann“) hat genau das jedoch vermieden. Seine Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Jan Weiler dürfte nur den allzu zart besaiteten Zuschauern die Schamesröte ins Gesicht treiben. In erster Linie ist Haußmanns Film nämlich ein Garant für Lachtränen. Dem Filmemacher mit dem unverwechselbaren Stil, der die Überzeichnung ebenso liebt, wie die emotionale Erdung, gelingt der Spagat zwischen genau diesen beiden Extremen einmal mehr mühelos. Damit ist „Das Pubertier“ gleichermaßen auch ein filmisches Experiment, irgendwo zwischen satirischem Anti-Arthouse-Kino der Marke „Einsamkeit und Sex und Mitleid“, den verspielten Meta-Komödien aus Detlev Bucks „Bibi & Tina“-Reihe und klassischem, deutschem Familienkino. Wenn das ZDF Ende des Jahres mit der sechsteiligen Primetime-Serie auf Sendung geht, die ebenfalls auf Jan Weilers Buch basiert, wird es das Format schwer haben, gegen den unverwechselbar-experimentellen Charme dieses Kinobeitrages zu bestehen.

Hannes (Jan Josef Liefers) und Carla (Harriet Herbig-Matten) treffen auf ihrer gemeinsamen Shopingtour Freund Holger (Detlev Buck).

Das dem Film zugrunde liegende Buch ist eigentlich nur eine Aneinanderreihung von Kurzgeschichten, die wiederum auf der gleichnamigen Stern-Kolumne von Jan Weiler basiert. Für Leander Haußmann ergaben sich dadurch natürlich jede Menge Freiheiten, denn der Regisseur und Drehbuchautor konnte gleichermaßen diese episodenhafte Struktur übernehmen und trotzdem eine Art roten Faden drum herum spinnen, um das Ganze wie einen zusammenhängenden Spielfilm wirken zu lassen. Trotzdem behält „Das Pubertier“ dadurch etwas sehr Sprunghaftes bei, was auf einer Metaebene wiederum den unberechenbaren Gemütszustand der titelgebenden Pubertiere einfängt. Ob das gewollt, oder aber ein Zufall ist, wissen wir nicht. Aber irgendwie gelingt es Haußmann, diese Holprigkeit zu seinem ganz eigenen Rhythmus zu machen. Dass er manchen Etappen dabei weniger Aufmerksamkeit schenkt als anderen, spielt nur in Ausnahmefällen eine Rolle. Eine aus dem Ruder laufende Geburtstagsfeier als Kernstück der Handlung hätte gern um rund fünf Minuten gekürzt werden dürfen, während man sich indes mehr Einblicke in einen gemeinsamen Shoppingausflug von Vater Hannes und seiner Tochter Carla wünscht. Doch im Großen und Ganzen funktioniert dieser Erzählstil wirklich gut, denn so richtig große, die Story ausbremsende Längen können durch die vielen kurzen Kapitel gar nicht entstehen. Und auch der Einfallsreichtum in Bezug auf das, was in „Das Pubertier“ alles ausgehandelt wird, ist enorm.

Natürlich bediente sich schon Jan Weiler für seine Vorlage an vielen Klischees. Doch bereits die Tatsache, dass viele der von ihm erzählten Geschichten einfach nur nacherzählte (wenn auch karikiert geschilderte) Erlebnisse aus seinem privaten Umfeld sind, erkennt man einmal mehr, dass in jedem Klischee immer auch ein Fünkchen Wahrheit steckt. Wenn Hauptfigur Hannes im Film an seinem Haus hochklettert, um durch das Fenster ins Zimmer seiner Tochter zu starren, ist das natürlich absolut überspitzt. Genauso wie ein zeitgleich stattfindendes Telefongespräch von Carla mit ihrer besten Freundin sowie Carlas Verehrer Edward und dessen bestem Freund, die sich jeweils Tipps dafür einholen wollen, wie sie damit umgehen sollen, gerade gemeinsam mit einer Person des anderen Geschlechts in einem Zimmer zu sein. Wie dieses Gespräch – insbesondere auf der männlichen Seite – vollkommen aus dem Ruder läuft, driftet ins absolut Absurde ab, erhält durch die auch in Wirklichkeit existierenden Ängste von Jugendlichen jedoch immer die notwendige Erdung. Wirklich übertreiben tut Leander Haußmann eigentlich nur dann, wenn er Dinge in die Handlung einflechtet, die nur für den billigen Gag stattfinden – so macht es etwa überhaupt keinen Sinn, dass der ohnehin schon am Rande der Glaubwürdigkeit agierende Hannes auf seinem nächtlichen Streifzug über das Dach seines Hauses auch noch auf eine Waschbärenfamilie trifft.

Die Geburtstagsfeier von Hannes‘ Tochter Carla ist leicht aus dem Ruder gelaufen…

Die episodenhafte, durchaus an „Er ist wieder da“ erinnernde Erzählung erhält durch kleine Kabinettstückchen in der Inszenierung einen ganz besonderen Anstrich. Jan Josef Liefers („Desaster“), der genauso wie die Teenager im Film hervorragend zwischen echter Emotion und karikaturesker Überdrehtheit balanciert, fungiert in „Das Pubertier“ auch als Erzähler, der sich in regelmäßigen Abständen direkt an den Zuschauer wendet und in dessen Vorstellung sich schon mal die kühnsten Abenteuer abspielen. Haußmann findet feine, symbolhafte Bilder, um das Leinwandgeschehen aufzupeppen und fährt in den entscheidenden Momenten wieder zurück, um zu betonen, dass er die Ängste, Sorgen und Nöte seiner Hauptfiguren trotzdem ernst nimmt. Das beste Beispiel dafür bildet der von Detlev Buck exzellent hysterisch verkörperte Kriegsreporter Holger, der dem ganz normalen Alltagswahnsinn ein Gesicht gibt und gleichzeitig immer durchscheinen lässt, wie sehr er sich doch um seinen Sohn sorgt. Heike Makatsch („Rico, Oskar und der Diebstahlstein“) als aufopferungsvolle Mutter mag dagegen zwar nicht die auffälligste, wohl aber eine der wichtigsten Rollen innehaben, denn ihre Sara beäugt das Geschehen mit so einer entspannten Coolness, dass selbst die Zuschauer, die weder Teenie, noch Eltern sind, immer noch einen Ankerpunkt erhalten. Am Ende geht es in „Das Pubertier“ dann nämlich doch gar nicht darum, die Zeit der Pubertät zu belächeln, sondern um den Respekt, den man seinem Gegenüber in jeder Lebensphase entgegen bringen sollte. Nicht umsonst ist der Film gleichermaßen „unseren Kindern“ und „unseren Eltern“ gewidmet.

Fazit: Leander Haußmanns „Das Pubertier“ gewinnt den Zuschauer erst über den Respekt für Eltern und Teenager und lässt dann ganz unverblümt Wahnsinn auf der Leinwand walten. Liebevoll, absurd und wirklich hinreißend – von diesem Film haben alle was.

„Das Pubertier“ ist ab dem 6. Juli bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

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