Ein Dorf sieht schwarz

Noch nie war der Drang nach einem friedlichen Zusammenleben verschiedener Ethnien so groß wie heute. Daher wundert es auch nicht, dass aktuell überdurchschnittlich viele Filme mit dieser Thematik erscheinen. Ob der französische Beitrag EIN DORF SIEHT SCHWARZ zu den guten, oder zu den weniger guten Vertretern gehört, das verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Frankreich 1975: Seyolo Zantoko (Marc Zinga) ist ein erfolgreicher Arzt und stammt aus dem Kongo. Als er einen Job als korrupter Leibarzt ausschlägt und stattdessen eine Stelle in einem kleinen Kaff nördlich von Paris angeboten bekommt, beschließt er, mit seiner Familie umzuziehen. Sie erwarten das noble Pariser Stadtleben, treffen aber stattdessen auf skeptische Dorfbewohner, die zum ersten Mal in ihrem Leben einem afrikanischen Arzt begegnen und alles tun, um den „Exoten“ das Leben schwer zu machen. Aber wer mutig seine Heimat verlassen hat und einen Neuanfang in einem fremden Land wagt, lässt sich so leicht nicht unterkriegen und so beschließen die Zantokos, das Beste aus der Situation zu machen.

Kritik

Welche Themen in der Popkultur verhandelt werden, hängt immer auch stark vom aktuellen Zeitgeschehen ab. Entsprechend häufig kommt es in letzter Zeit vor, dass wir auf Filme stoßen, die sich mit dem Thema Flüchtlingen, Fremdsein und der Annäherung unterschiedlicher Ethnien befassen. Das geht im großen Stil („Willkommen bei den Hartmanns“), auf dem albernen Weg („Alles unter Kontrolle“), sehr pessimistisch („Volt“) oder, wie im Falle von „Ein Dorf sieht schwarz“, auch einfach nur sehr nüchtern und realistisch. Denn die Geschichte, die Regisseur Julien Rambaldi („Les meilleures amis du monde“) hier auf die Leinwand bringt, ist so tatsächlich passiert und erweckt diesen Eindruck auch zu jeder Sekunde. Es geht um den Culture-Clash zwischen den Einwohnern einer französischen Provinz und einer schwarzafrikanischen Familie, die versucht, sich so gut wie möglich in das Dorfleben zu integrieren. Doch auch, wenn sich das Drehbuch oberflächlich auf den Konflikt zwischen schwarz und weiß beschränkt, geht es in „Ein Dorf sieht schwarz“ auch noch um ganz andere Dinge. Im Grunde ist die Hautfarbe der Neuankömmlinge nämlich gar nicht das Problem, sondern die Furcht vor Veränderungen. Hier hätte es so ziemlich jeder Arzt schwer, seine neuen Patienten von sich zu überzeugen.

Die Dorfgemeinschaft beäugt ihren neuen Arzt kritisch…

Gleichwohl geht es nicht ausschließlich darum, wie zurückhaltend und bisweilen feindsinnig die auf den ersten Blick so rückständig anmutende Dorfgesellschaft auf ihren neuen Doktor reagiert. Die recht klischeehaft in Szene gesetzten Momente wie dieser, in welchem die Eltern der Schulkinder tuscheln und gaffen, als eines Morgens die gut gelaunte Anne (Aïssa Maïga) über das Schulgelände läuft, halten sich zum einen in Grenzen und liefern zum anderen ausgleichende Gegensatzmomente. So wird Anne etwa von der Schulleiterin mit offenen Armen empfangen und die beiden Kinder wissen sich gegen die Sticheleien ihrer Mitschüler ordentlich zur Wehr zu setzen, ohne zu verleugnen, dass ihnen der Außenseiterstatus doch nahe geht. „Ein Dorf sieht schwarz“ führt vom Titel her tatsächlich in die Irre, denn es geht überhaupt nicht darum, große Barrieren in den Köpfen der Dorfbewohner aufzuzeigen. Hier wie überall anderswo existiert die Furcht vor Neuem, die aber noch lange nicht bei allen gleich stark ausgeprägt ist. So findet Seyolo Zantoko in manchen Bewohnern tatsächlich schnell Freunde und Bekannte, während andere sich wiederum nicht einmal dann von ihm behandeln lassen wollen, wenn sie bereits in den Wehen liegen. Julien Rambaldi gelingt es gut, sich von einer schwarz-weiß denkenden Inszenierung loszusagen und schafft so das Abbild einer wahrhaftigen Lebenssituation. Mit all ihren guten wie schlechten Facetten.

Insofern könnten sich all jene Zuschauer enttäuscht zeigen, die sich mit dem Kauf eines Kinotickets eine eineinhalbstündige Komödie erhoffen. Denn auch, wenn einige Szenen gezielt darauf ausgelegt sind, sich die angestaute Unsicherheit nach langer Zeit endlich mal wieder von der Seele zu lachen, ist „Ein Dorf sieht schwarz“ alles andere als eine der zahlreichen Franco-Comedys und lässt sich stattdessen eher in einem Topf mit „Monsieur Chocolat“ verorten. Gerade in der zweiten Hälfte packt Julien Rambaldi nämlich Themen aus, die der Genreherkunft (und den wahren Ereignissen!) zufolge zwar positiver enden, als in vielen Fällen des wahren Lebens, doch wenn es plötzlich um den Irrsinn der (französischen) Bürokratie geht, um eine im Raum stehende Scheidung und darum, wie sehr die Fremde an den Nerven der Familie Zantoko zerrt, dann geht der Regisseur und Autor alles andere als blauäugig oder gar verklärend vor. Den Optimismus, trotz aller Widerstände vielleicht doch noch sein Ziel zu erreichen, lässt der Filmemacher zwar durchklingen, lässt dabei aber nie die Erdung vermissen, die der durchschnittlichen französischen Feelgood-Kino ein ums andere Mal abgeht. Da verzeiht man es Rambaldi auch gern mal, wenn manch ein Gag dann doch zu ausladend ausfällt (Stichwort: Schweigeminute).

Seyolo (Marc Zinga) und seine Frau Anne (Aïssa Maïga) bei einer Schulaufführung ihrer Kinder.

Dazu passend zeichnet Rambaldi auch die Hauptfiguren angenehm komplex. In „Ein Dorf sieht schwarz“ spielt nämlich nicht bloß eine Rolle, dass sich die Dorfgemeinschaft mit den Neuankömmlingen schwer tut, sondern auch, dass die Familie Zantoko von ihrem neuen Heim alles andere als geschlossen begeistert ist. Als Seyolo ankündigt, mit Frau und Kindern nach Paris ziehen zu wollen, erweckt er in den Köpfen seiner Familie damit sogleich die Wunschvorstellung von einem noblem Leben in der Nähe des Eiffelturms, womit die Dorfidylle in dem Pariser Vorort kaum etwas gemein hat. Rambaldi fängt die Zweifel und Leiden der Familie ebenso gnadenlos ein, wie die aufkeimende Hoffnung, als Seyolo Zantoko nach und nach als Arzt akzeptiert wird. Um aufzuzeigen, wie sehr sich die beruflichen Unsicherheiten auch auf das Familienleben auswirken, dafür nimmt sich der Regisseur ebenfalls genug Zeit – und das ist auch gut so. „Ein Dorf sieht schwarz“ ist zu gleichen Teilen eine liebevoll-ehrliche Familiengeschichte ohne gefühlsduseligen Schnickschnack und die Auseinandersetzung mit dem Thema Fremdsein. Das Ende mutet dann fast einen Tick zu märchenhaft an, spiegelt aber nur wieder, dass eine Geschichte nicht für alle ideal ausgehen muss, um zu guter Letzt ein positives Fazit ziehen zu können. Und das ist irgendwie eine ganz schön weise Botschaft.

Fazit: „Ein Dorf sieht schwarz“ greift zwar gängige Klischees auf, aber nicht, um anhand von diesen eine Geschichte zu erzählen, sondern um aufzuzeigen, was passiert, wenn sie sich weiterhin in der Gesellschaft durchsetzen. Ein starker, nie pessimistischer aber doch grundehrlicher Film über Fremdsein und Fremdfühlen.

„Ein Dorf sieht schwarz“ ist ab dem 20. April in den deutschen Kinos zu sehen.

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