40 Tage in der Wüste

Pünktlich zu Ostern ist Ewan McGregor als Jesus 40 TAGE IN DER WÜSTE, um dort mit seinen inneren Dämonen zu kämpfen. Ob es Regisseur Rodrigo García gelingt, aus einer wenige Zeilen umfassenden Bibelpassage einen abendfüllenden Spielfilm zu machen, das verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
Jesus (Ewan McGregor) geht für 40 Tage in die Wüste, um fastend und betend nach Erleuchtung zu suchen. Dort wird er heimgesucht vom Teufel, der sein Vertrauen in Gott erschüttern will. Nach langen Wanderungen findet Jesus Aufnahme bei einer Familie. Der Vater ist dabei, für die Familie in der Wüste ein Haus zu bauen; allerdings trüben Spannungen zwischen Vater und Sohn das Zusammenleben, weil der Junge davon träumt, die Wildnis zu verlassen. Jesus will der Familie helfen, indem er bei der Arbeit anpackt, ihre Sorgen und Wünsche hört und zwischen Vater und Sohn zu vermitteln versucht. Der Teufel macht daraus eine Bewährungsprobe, in der es nicht nur um das Schicksal der Familie, sondern auch um Jesus‘ Mission als Sohn Gottes geht.
Kritik
Regisseur Rodrigo García („Albert Nobbs“) ist mutig. Sein neuester Film „40 Tage in der Wüste“ soll einerseits eine tatsächlich existierende Bibelpassage nacherzählen, doch ein Großteil des Inhalts stammt nicht etwa aus dem Neuen Testament, sondern ganz allein aus seiner Feder. In der Bibel wird auf die Durchreise Jesus Christus‘ durch die titelgebende Wüste nämlich nicht näher Bezug genommen. Im Film wiederum geschehen in den vierzig Tagen einige wichtige Dinge, die García in den letzten zehn Minuten dann auch ganz konventionell mit Bekanntem verknüpft, wenn er seinen Film damit enden lässt, Kreuzigung und Auferstehung zu zeigen respektive anzudeuten. So könnte „40 Tage in der Wüste“ durchaus auf Widerstand stoßen. Vor allem ein allzu bibeltreues Publikum muss sich nicht zwingend damit anfreunden, dass man „seinem Jesus“ plötzlich Taten und Dinge in den Mund liegt, die laut Vorlage so nie passiert sind. Doch da in der Heiligen Schrift auch nichts Gegenteiliges steht, darf man durchaus schon mal experimentieren. Das Ergebnis dieses Experiments ist dann aber leider ziemlich anstrengend geworden, denn trotz ordentlicher Besetzung braucht García einfach viel zu lange, bis auf der Leinwand überhaupt etwas passiert.
Die erste Enttäuschung entsteht bei einem Blick auf den Kameramann. Emmanuel Lubezki, Stammkameramann von Terrence Malick („Knight of Cups“) und zuletzt preisgekrönt für seinen Arbeit an „The Revenant – Der Rückkehrer“, ist eigentlich für seine kunstvoll-schwelgerischen Bilder und seinen Blick für Details bekannt. Dass es ihm nun nicht gelingt, ausgerechnet aus der weiten Einöde einer Wüste das Optimum an Bildgewalt herauszuholen, ist besonders tragisch, da „40 Tage in der Wüste“ visuell durch seinen brau-grauen Einheitsbrei überhaupt nicht entfalten kann. Wenn Lubezki seinen Blick über die dürre Landschaft streifen lässt, riesige Felsformationen ins rechte Licht rückt und die sternklare Nacht abbildet, fehlt es dem Zuschauer an einem Aha-Effekt. „40 Tage in der Wüste“ hat keine Leinwandausmaße, ließe sich ebenso gut im Fernsehen ausstrahlen und kann somit nicht ausgleichen, was auch auf erzählerischer Ebene im Argen liegt. Hinzu kommt ein akustisches Nichts, denn auch das Komponistenduo aus Danny Bensi und Saunder Jurriaans (haben schon Filme wie „The Gift“ und „Enemy“ musikalisch begleitet) setzt auf einen Minimalismus, der weniger punktuell den vielmehr willkürlich wirkt. So richtig aus dem Quark kommt „40 Tage in der Wüste“ somit nicht – stattdessen muss man darauf hoffen, von Anfang an von der Geschichte und die von Ewan McGregor („T2: Trainspotting“) verkörperte Figur des Jesus fasziniert zu sein.
Interessant ist die von Rodrigo García angestrebte Interpretation dieser geschichtsträchtigen Figur allemal; der Regisseur und Autor zeichnet den Sohn Gottes nicht wie üblich als heilbringende Lichtgestalt, sondern als von seinen Dämonen getriebenen, unsicheren und bisweilen sogar gebrochen anmutenden, jungen Mann, der – wüsste man es nicht besser – gar nicht unbedingt als eine typische Jesus-Figur erkennen würde. Die Genügsamkeit, die Jesus walten lässt, wenn er etwa für seine handwerklichen Tätigkeiten keinen Lohn, sondern allenfalls einen Platz zum Schlafen und ein wenig Essen haben möchte, sind das Einzige, was an die Herkunft seines Charakters erinnert. Ansonsten zeichnet sich der von McGregor sehr zurückhaltend gespielte Jesus vornehmlich als guter Zuhörer aus, der gerade den Ältesten der Familie darin bestärkt, nicht das zu tun, was seine Familie will, sondern seinen eigenen Ideologien und Träumen zu folgen. Zeitweise ist sogar Platz für Komik; Jesus über die Ausdünstungen eines verwesenden Tierkadavers lachen zu hören, wirkt zwar auf den ersten Blick befremdlich, verleiht seiner Figur aber auch eine bemerkenswerte Menschlichkeit. Irgendwann ist die Quelle der in „40 Tage in der Wüste“ gezeigten Ereignisse fast schon egal. Stattdessen sieht man einer Familie dabei zu, wie sie von der Weisheit eines Fremden profitiert, der alles Mögliche unternimmt, um mit seinem erweiterten Horizont dazu beizutragen, dass diese Familie fortan ein besseres Leben führt.

Der Sohn der Familie (Tye Sheridan) hat große Pläne, möchte aber auch seinen Vater nicht enttäuschen.
Bis sich Rodrigo García zu diesen interessanten Ansätzen durchbeißt, ist die Hälfte des Films aber auch schon vorbei. Vor allem der während des ganzen Films stetig in den Fokus gerückte Kampf zwischen Jesus und dem ebenfalls von ihm verkörperten Teufel gerät plakativ; etwa wenn der Antichrist in einer Vision die Gestalt einer weinenden Frau annimmt, die bei Jesus um Hilfe bittet um somit nur allzu offensichtlich seine Standhaftigkeit zu testen. Auch symbolisch aufgeladene Bilder von Insekten streut der Regisseur immer wieder recht zusammenhanglos und damit prätentiös ein, um eine beklemmende Atmosphäre zu schüren, die „40 Tage in der Wüste“ überhaupt nicht nötig hätte. Stattdessen ist es viel interessanter, die Interaktion innerhalb des (ohnehin sehr übersichtlichen) Casts zu beobachten. Wer hier von wem profitiert, wer wen prägt und worin nicht zuletzt auch die ganze Tragik liegt, macht den eigentlichen Reiz dieses Films aus, der aufgrund seines permanenten Schielens in andere thematische Bereiche dann auch prompt zu lang geraten ist – und das, wo er mit 98 Minuten noch nicht mal ausladen ausgefallen ist. Schlussendlich ist es vor allem der erzählerische Ansatz im Hinblick auf die Hauptfigur, die „40 Tage in der Wüste“ zu einem interessanten Film werden lässt. Doch um diesen auch wirklich zu genießen, braucht es viel Muße.
Fazit: „40 Tage in der Wüste“ verfolgt den spannenden Ansatz, nicht nur Jesus in ein völlig neues, menschliches Licht zu rücken, sondern vor allem eine Geschichte zu erzählen, für die die Bibel nur vage Anhaltspunkte bietet. Das Ergebnis ist ein technisch enttäuschender, inhaltlich interessanter aber insgesamt ziemlich sperriger Film.
„40 Tage in der Wüste“ ist ab dem 13. April in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.